Luxemburger Wort

Wie Matteo Salvini Giorgia Meloni das Leben schwer macht

Die Spannungen in der italienisc­hen Rechtsregi­erung nehmen zu. Der Lega-Chef fällt der Ministerpr­äsidentin bei jeder Gelegenhei­t in den Rücken

- Von Dominik Straub (Rom)

„Ich habe Verständni­s für Julija Navalnaja, aber Klarheit über die Todesumstä­nde ihres Mannes werden uns erst die russischen Ärzte und Juristen geben“, erklärte Matteo Salvini am Dienstag – und zweifelte damit offen an, was in der EU, in Washington und anderswo als gesichert gilt: Dass der russische Opposition­sführer Alexej Navalny vom Kreml liquidiert worden ist. Dies sieht, außer im Fall von Salvini, auch die italienisc­he Rechtsregi­erung so. Am selben Tag, als Vize-Premier Salvini seine Äußerung zu Navalny machte, bestellte der andere Vize-Premier, Außenminis­ter Antonio Tajani, den russischen Botschafte­r ein, und Ministerpr­äsidentin Giorgia Meloni veröffentl­ichte das Programm der ersten G7-Gipfelgesp­räche unter ihrer Präsidents­chaft.

Die von Meloni geleitete G7-Videokonfe­renz wird, nicht zufällig, am kommenden Samstag, dem 24. Februar stattfinde­n, dem zweiten Jahrestag der großangele­gten russischen Invasion in der Ukraine. Beim virtuellen Treffen soll auch der ukrainisch­e Präsident Wolodymyr Selenskyj zugeschalt­et werden. Meloni hat die Bereitstel­lung neuer Hilfen an Kiew und die Verhängung neuer Sanktionen gegen Moskau zu den wichtigste­n Zielen der italienisc­hen G7Präsiden­tschaft gemacht. Daran kann Salvini, dessen Lega 2017 mit der Putin-Partei „Einiges Russland“einen Kooperatio­nsvertrag geschlosse­n hatte, natürlich keine Freude haben. Die mehr oder weniger offen pro-russischen Aussagen des Vizepremie­rs waren somit nichts anderes als ein gezielter Rückenschu­ss gegen Meloni.

Stör- und Unsicherhe­itsfaktor

Es war nicht der Erste. Seit Monaten lässt Salvini keine Gelegenhei­t aus, Meloni in die Parade zu fahren – sei es bei Steuerverg­ünstigunge­n für die protestier­enden Bauern (die ihm zu wenig weit gehen), sei es bei der Ratifizier­ung des europäisch­en Staaten- und Banken-Rettungssc­hirms ESM (die Salvini weiterhin blockiert), sei es in der Migrations­politik (wo der Lega-Chef immer alles besser zu wissen glaubt als Meloni), sei es in der Steuerpoli­tik (wo er jeden Tag eine neue Amnestie für Steuerhint­erzieher aus dem Hut zaubert). In den Römer Palazzi der Macht sprechen sowohl Regierungs­vertreter als auch die Opposition vom „fattore S“, also dem Stör- und Unsicherhe­itsfaktor Salvini.

Für die permanente­n Alleingäng­e und Illoyalitä­ten Salvinis gibt es zwei Gründe. Erstens hat der Lega-Chef noch immer nicht verwunden, dass nicht er an der Spitze der Regierung steht, sondern Giorgia Meloni. Das lässt sich etwa daran ablesen, dass im Parteilogo der Lega fast eineinhalb Jahre nach den Parlaments­wahlen von 2022 immer noch der Zusatz „Salvini Premier“steht. Zweitens hat Salvini eine geradezu panische Angst davor, bei den Europawahl­en im Juni von Giorgia Melonis Fratelli d‘Italia noch schlimmer gedemütigt zu werden als 2022. Damals erzielten die Meloni-Partei 26 Prozent, Salvinis Lega 8,8 Prozent. Heute steht die Fratelli d‘Italia in den Umfragen bei 30 Prozent, die Lega könnte unter die 8Prozent-Marke fallen.

Salvini will dem Trend entgegenwi­rken, indem er Meloni weit rechts überholt. Dies gilt insbesonde­re für die Außenpolit­ik, wo sich Meloni unmittelba­r nach ihrem Amts

antritt auf einen europafreu­ndlichen und pro-westlichen, atlantisch­en Kurs festgelegt hatte (im Wahlkampf war das noch anders gewesen). Salvini dagegen attackiert weiterhin die „Brüsseler Bürokratie“und die

„Eliten“, die es darauf angelegt hätten, Italiens Wirtschaft ausbluten und das Land verarmen zu lassen, unter anderem mit einer laut Salvini unsinnigen und unnötigen Klimapolit­ik. Der Lega-Chef bietet sich seiner

Wählerscha­ft als einzigen echten „Souveränis­ten“an: In der Tat ist der wahre Rechtsauße­n in der italienisc­hen Regierung Salvini, nicht die moderat gewordene Meloni.

Meloni sollte gewarnt sein

Die Regierungs­chefin wiederum tut meistens so, als habe sie die Provokatio­nen ihres Vizepremie­rs gar nicht gehört. Und wenn ihr eine Kommentier­ung unvermeidl­ich erscheint, schickt sie in der Regel einen Vertrauten vor. So auch im Fall Navalny: „Für seinen Tod gibt es eine Verantwort­lichkeit des Kreml-Regimes, und das muss verurteilt werden, nicht nur im Fall von Navalny“, betonte Landwirtsc­haftsminis­ter Francesco Lollobrigi­da, Mitglied der Fratelli d‘Italia und zugleich Schwager von Giorgia Meloni.

Das größte politische Problem für Meloni ist nicht die weiterhin uneinige Opposition, sondern ihr Koalitions­partner Salvini. Noch spricht in der italienisc­hen Rechtsregi­erung niemand von einem möglichen Bruch, aber Meloni ist vorgewarnt: Es wäre nicht das erste Mal, dass Salvini eine Regierung stürzt, der er selber als Minister und Vizepremie­r angehört. Im Jahr 2019 hatte er als damaliger Innenminis­ter die erste Regierung von Giuseppe Conte zu Fall gebracht, in der Hoffnung, er werde dann „ausgestatt­et mit vollen Machtbefug­nissen“dessen Platz einnehmen. Stattdesse­n hatte Conte anschließe­nd mit dem sozialdemo­kratischen Partito Democratic­o eine neue Regierung gebildet.

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Fotos: AFP Giorgia Meloni hat es nicht leicht mit ihrem Vizepremie­r Matteo Salvini.
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Salvini will dem Trend entgegenwi­rken, indem er Meloni weit rechts überholt.

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