Du machst Dir Sorgen um die Umwelt? Frag' Deinen Friseur!
Der Premier hat gesagt: Umweltfragen dürfen nicht nerven. Dagegen organisiert sich Widerstand
Ist das ihr Ernst? Zu jedem grünen Thema, von weggeworfenen Zigarettenstummeln bis zur Lichtverschmutzung, ist etwas dabei. Auf jenen Informationskärtchen, die sich die Emweltberodung Lëtzebuerg als neusten Clou ausgedacht hat, um für die gute Sache, sprich eine saubere Umwelt zu werben.
Fro däi Coiffeur heißt die Initiative, die Kundschaft und Friseur ins Gespräch bringen will. Nicht in irgendein belangloses über den letzten Urlaub oder die 50 shades of grey des Luxemburger Winters. Nein, es muss etwas Tiefschürfendes sein. Auf den Kärtchen stehen Informationen, warum man besser seine Zigarette nicht auf die Erde wirft, oder warum zu viel Licht den Lebensrhythmus der Vögel stört. Alles richtig und wichtig, aber doch bitte nicht beim Friseur! Damit fällt die letzte Bastion der stillen Rückzugsorte in dieser Stadt. Wie lange musste man suchen, um einen Friseur zu finden, einen eleganten Italiener in einem kleinen Eckgeschäft, der die Kunst des Schweigens beherrscht.
Sie sind rar gesät. In den meisten Salons klappert die Schere am Ohr, und ihr Halter plappert munter drauflos. Es ist nur gut gemeint. Wahrscheinlich gibt es viele, die den Smalltalk lieben und es kaum erwarten können, wenn sie mit ihrem Gegenüber Fragen zu Gott und die (Um)Welt erörtern.
Aber es gibt auch jene, die sich verspannen, sobald der Friseur gefährlich nah am Ohr mit der Schere fuchtelt. Und zugleich die Meinung des Kunden zum neuen Kulturminister abfragt. Oder: Ob da was dran ist, an den Gerüchten um den anderen Minister, wie hieß der noch gleich, der öffentlich Tassen umhaut? Demnächst kreist das Gespräch dann um
die Frage, ob man Wasser eher in Glasoder in Recyclingflaschen kauft.
Für einige wenige ist der Friseurstuhl einer jener seltenen Orte, an denen endlich abgeschaltet werden kann von Trubel und Stress. Wo ohne schlechtes Gewissen und neugierigen Nachbarn in fotolastigen Magazinen geblättert werden kann. In Ruhe. Ohne Worte. Bei sanft klingendem Italo-Pop.
Künftig aber tauscht sich der geneigte Kunde mit dem Friseur über Umweltthemen aus. Zugegeben, das Set mit den zwölf Karten ist schön gemacht. Und bestimmt ist es gut, würden sich alle mehr mit Umweltfragen auseinandersetzen. Aber im Haarsalon? Warum nicht in der Telefonschleife beim Callcenter, im Stau auf der Nordstrooss oder in der Menschenschlange vor dem Kino? Umweltbeiträge sollen nicht nerven, das hat doch Premierminister Frieden höchstpersönlich versprochen!
Er hat wohl nicht mit dem subversiven Widerstand der Haarschneider gerechnet. Die Adresse der Friseursalons, die nicht auf die Regierung hören wollen, sind unter fromech.lu abzurufen. Und jene Friseursalons, die eine Oase der Stille bieten, sind … ein wohl gehütetes Geheimnis.