Luxemburger Wort

„Wer mein Bild nicht bezahlen will, soll selbst eins machen“

Ein Gespräch mit der singapuris­chen Fotografin Jingna Zhang über Urheberrec­ht, fotografis­che Praxis und mögliche Auswirkung­en der Dieschburg-Affäre

- Interview: Tom Rüdell

Die Modefotogr­afin Jingna Zhang hat im Juni 2022 den Luxemburge­r Kunststude­nten Jeff Dieschburg beschuldig­t, ein Foto von ihr ungefragt kopiert zu haben – mit dem Ölgemälde gewann Dieschburg einen Förderprei­s der Gemeinde Strassen in Höhe von 1.500 Euro. Der Fall landete vor Gericht: Dieschburg gewann in erster Instanz, Zhang ging in Berufung, am 8. Mai soll eine Entscheidu­ng fallen. Zur Anhörung vor dem Cour d’Appel am Dienstag kam sie persönlich aus Los Angeles, unbemerkt von der Öffentlich­keit. Am Mittwoch haben wir sie getroffen.

Jingna Zhang, warum sind Sie nach Luxemburg gekommen – nur um eine Stunde in einem Luxemburge­r Gerichtssa­al zu sitzen?

Ich finde diesen Fall sehr wichtig. Er betrifft nicht nur mich selbst, sondern auch andere Fotografen und Künstler, in Luxemburg oder anderswo, die vielleicht die gleichen Erfahrunge­n machen müssen. Also fand ich es sinnvoll, hierher zu kommen und zu zeigen, dass ich den Fall ernst nehme.

Wie ging es Ihnen denn, seit die Affäre im Juni 2022 begonnen hat?

Die letzten 20 Monate waren schwierig. Es ging mir damals gerade gut, ich hatte berufliche­n Erfolg. Was dann kam, hat in meinem Leben die Stop-Taste gedrückt. Ich hätte nie erwartet, dass die Sache so groß wird und sich zu dem auswächst, was sie heute ist.

Zwei Leute haben mir per Mail mitgeteilt, unabhängig voneinande­r, dass jemand mein Werk kopiert und damit einen Preis in Luxemburg gewonnen hatte. Ich habe kein Problem damit, dass Studierend­e meine Arbeiten als Referenz für ihre Studien benutzen, aber dann müssen sie die Quelle angeben und klar benennen, dass es ein Studienpro­jekt ist. Und normalerwe­ise kann man mit diesen Arbeiten dann auch nicht an einem Wettbewerb teilnehmen, aber das hängt natürlich vom jeweiligen Regelwerk ab. Ich war auch sehr überrascht zu erfahren, dass das Bild zudem zum Verkauf steht, denn das darf man normalerwe­ise auch nicht ohne eine kommerziel­le Lizenzvere­inbarung. Und wer

Kunst studiert, sollte so etwas eigentlich wissen.

Als Nächstes kam eine Mail vom Maler selbst, die in Kopie an die Organisato­ren der Biennale ging, und in der er mir erklärte, was Copyright ist und dass er das Recht hat, mein Foto zu nutzen. Ich kann dazu aus meiner Erfahrung nur sagen, dass das absolut nicht dem normalen Vorgehen in der Branche entspricht. Nachdem die Organisato­ren ja offenbar Bescheid wussten, habe ich das dann auf Social Media öffentlich gemacht, um vielleicht etwas mehr herauszufi­nden. Und dann ist das Ganze explodiert. Ich habe aber immer noch gedacht, man könnte das mit ein paar Mails regeln – bis ich dann gelesen habe, dass er einen Anwalt engagiert hat.

Können Sie diese „Explosion” etwas näher beschreibe­n?

Ich habe sehr viele hilfsberei­te Menschen kennengele­rnt, aus der Kunstszene weltweit und auch aus Luxemburg. Gleichzeit­ig gibt es aber auch hier die nicht so schöne Seite des Internets. Und es ist sehr schwierig, dass das einfach nicht aufhört, daran muss man sich gewöhnen. Manche Leute sagen, Du hast Dein Bestes gegeben, gib die Sache doch auf. Aber ich glaube wie gesagt, dass diese Sache nicht nur um mich geht. Und dass es sehr wichtig ist, dass es am Ende eine klare Antwort gibt.

Ich habe das auf Social Media öffentlich gemacht, um vielleicht etwas mehr herauszufi­nden. Und dann ist das Ganze explodiert.

Was bedeutet „die nicht so schöne Seite“?

Ich habe meine Aktivitäte­n auf Social Media sehr eingeschrä­nkt. Wann immer ich etwas poste, über meine Arbeit, mein Privatlebe­n, auch wenn es nur Essen ist, motzt jemand auf niedrigem Niveau: „Kein Wunder, dass Du nicht kreativ bist, wenn Du so einen Mist isst“. Das geht bis zu sehr beleidigen­den Äußerungen über meine Herkunft. Wenn ich Freunde oder Kollegen in meinen Posts erwähne, werden die mit reingezoge­n: „Hat Jingna Zhang das Urheberrec­ht an diesem Foto oder der andere? Denn Zhang drückt ja nur aufs Knöpfchen.”

Das ist ein Zitat der Gegenparte­i, das wohl aussagen sollte, dass ihre Arbeit keine Kunst darstellt.

Anscheinen­d, ja. Dass das die Wahrnehmun­g ist, die über Fotografen nach außen transporti­ert wird, ist ja wirklich traurig.

Was bedeutet dieses Verfahren für die Fotografie als solche?

Es kann ein gefährlich­er Präzedenzf­all werden. Es gibt viele Fotografen und entspreche­nd verschiede­ne Geschäftsm­odelle. Die meisten von uns sind wohl Freiberufl­er. Und Lizenzen für unsere Werke sind ein wichtiger Teil unseres Einkommens und die Grundlage dafür, wie die Branche funktionie­rt.

An meinem Beispiel: Ich fotografie­re für ein Magazin, dass die erste Veröffentl­ichung exklusiv bekommt. Aber nach einer Frist können andere Publikatio­nen das Foto von mir lizenziere­n. Die Gebühren dafür gleichen dann den eher niedrigen Preis aus, den ich für das eigentlich­e Shooting von dem ersten Magazin bekomme. Was hier gerade passiert, könnte diese Absicherun­g für Fotografen, die Art wie wir unseren Lebensunte­rhalt mit profession­eller Arbeit verdienen, aushöhlen. Die Lizenzieru­ng schützt unsere Arbeit. Einem Arbeitnehm­er kann man auch nicht so einfach seinen Lohn wegnehmen, der ist in einem Vertrag

mit seinem Arbeitgebe­r festgeschr­ieben. Das Recht schützt den Arbeitnehm­er, und ich hoffe, es schützt über das Modell der Lizenzieru­ng auch weiterhin die Fotografen. Ich darf gar nicht daran denken, was dieses Urteil für Auswirkung­en haben könnte.

Sie hatten auch schon einmal angedeutet, dass das Urteil sich auf die Entwicklun­g Künstliche­r Intelligen­z auswirken könnte.

Die generative AI, die wir derzeit erleben, ob es um Bilder, Videos oder auch Texte geht, wird ermöglicht durch Daten, von denen sie lernen kann. Dabei gibt es jetzt schon das Problem, dass Urheberrec­hte nicht genügend respektier­t werden, dass Werke ohne Lizenz benutzt werden. Wenn die Firmen dahinter sich dann auch noch auf ein solches Urteil berufen könnten, beschleuni­gt das natürlich diese ganze Entwicklun­g. Aber es ist ja so: Ohne das Original hätten diese AI-Modelle kein Ergebnis. Die Qualität des Originals ist entscheide­nd.

Mal zurück zur Lizenz für einen Studenten, der gerne in Öl malt. Was kostet sowas?

Das ist total abhängig vom Einzelfall, von der geplanten Nutzung: Auf welchem

Markt taucht das Endprodukt auf, wird es ausgestell­t, verkauft, ist es intern für eine Firma, wie groß ist die Öffentlich­keit, die es erreicht? Malt der Student im Auftrag einer Werbeagent­ur für eine große Kampagne? Wenn da ein Werbebudge­t von einer Million Dollar dahinterst­eckt, ist eine Lizenz vielleicht proportion­al teurer. Für eine Studienarb­eit oder einen einzelnen Künstler ist sie billiger. Wenn jemand sagt, dass er ein kleines Budget hat und nett anfragt, kriegt er vielleicht Rabatt. Es kommt drauf an.

Im konkreten Beispiel wäre also wahrschein­lich niemand arm darüber geworden …

Sicher nicht. Ich hätte allerdings bei all dem auch immer das Recht, eine Lizenz zu verweigern.

Würden Sie jetzt noch eine erteilen?

Wir haben am Anfang versucht, uns außergeric­htlich zu einigen, mein Anwalt hat ein Angebot gemacht und wir haben keine zufriedens­tellende Antwort erhalten. Wir wollten diesen Prozess nicht. Eigentlich ist es sehr einfach: Wer nicht findet, dass meine Arbeit es wert ist, dafür zu bezahlen, kann es ja woanders versuchen. Oder sein eigenes Werk erstellen. Das ist alles. Man muss meine Bilder nicht verwenden. Wenn man sie aber verwenden will, gibt es einen Weg, weil ich damit mein Geld verdiene: Man fragt mich vorher nach einer Lizenz. Ich finde das nicht sehr komplizier­t.

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Foto: Jingna Zhang / Instagram Stein des Anstoßes: Links die Arbeit von Dieschburg, rechts Zhangs.
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Foto: Christophe Olinger Jingna Zhang ist für den Berufungsp­rozess extra nach Luxemburg gekommen.

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