So widersteht man der Versuchung in der Fastenzeit
Wer fasten will, muss auf viele Fallstricke achten. Was dabei hilft, dranzubleiben, erklärt Psychologieprofessor Claus Vögele
Die alljährliche Fastenzeit ist für viele nicht nur eine Möglichkeit abzunehmen. Der Verzicht ist auch eine Gelegenheit, Körper und Geist eine Art Neustart zu ermöglichen. Ob man sich dabei für eine kurze Fastenkur entscheidet oder eine längere Zeit auf Genussmittel wie Alkohol und Zucker verzichtet: Die Möglichkeiten sind mannigfaltig, es gibt vielerlei Fastenempfehlungen. Welche davon sinnvoll sind, hänge vom Gesundheitszustand und den täglichen Anforderungen der jeweiligen Person ab, wie Prof. Claus Vögele von der Universität Luxemburg erklärt: „Prinzipiell kann man sagen, dass ein strengeres Fasten, mit wenig oder gar keiner Nahrungsaufnahme, besser von einem Arzt oder einer Ärztin begleitet werden sollte. Sicherzustellen ist außerdem, dass genügend Wasser getrunken wird.“Hilfreich seien auch feste Fastenpläne über einen gewissen Zeitraum, in denen aufgeführt wird, was wann gegessen werden darf.
Als allgemeine Faustregel nennt der Professor für klinische und Gesundheitspsychologie, dass man sich seine Ziele zwar anspruchsvoll, aber auch erreichbar setzen sollte. Der Erfolg hänge ganz davon ab, ob sich das Ziel auf die Strenge des Fastens, die Zeitdauer oder ein zu erreichendes sekundäres Ziel, etwa Gewichtsverlust, bezieht.
Ein guter Start in die Fastenzeit, auch für Spätentschlossene, gelingt nach Vögeles Ansicht, indem man nicht lange überlegt und einfach mit der Kur anfängt. „Aus psychologischer Perspektive ist es hilfreich, das Fasten in einer Zeit ohne weitere Belastungen, zum
Beispiel im Beruf oder in der Familie, durchzuführen, weil es Konzentration und Kraft beansprucht. Man sollte sich Zeit und Ruhe nehmen, um dem Körper durch das Fasten etwas Gutes zu tun. Außerdem kann es hilfreich sein, sich durch Entspannungsoder Meditationsübungen der eigenen Routinen und Bedürfnisse bewusst zu werden.“
Solo oder gemeinsam?
Da das Fasten auch immer mit einer Form des Verzichts einhergeht, sollte man diesem gedanklich nicht zu viel Raum geben. Vielmehr sollte man sich auf den Gewinn der Maßnahme konzentrieren: „Dazu gehören zum Beispiel das gute Gefühl, der Versuchung widerstehen zu können, die Ruhe, die man nach einigen Tagen Fasten verspürt, die wiederentdeckte Wertschätzung der wenigen Nahrungsmittel, die man zu sich nimmt und die wachsende Achtsamkeit, die man dadurch auch anderen Dingen im Alltag entgegenbringt“, sagt Claus Vögele.
Gut möglich, dass man unter Freunden und Freundinnen oder im Arbeitsumfeld Menschen findet, die sich für die Fastenzeit ebenfalls vorgenommen haben, auf etwas zu verzichten. Sich mit anderen zusammenzuschließen, kann für die einen motivierend, für andere aber auch störend sein. „Das hängt ganz von den persönlichen Vorlieben ab. In der Gruppe besteht die Möglichkeit, sich gegenseitig zu stützen, besonders, wenn die Motivation mal nachlässt. Andererseits gibt es sicher bei vielen das Bedürfnis, sich
eher von anderen Sozialkontakten zurückzuziehen, um sich auf sich selbst konzentrieren zu können“, so Claus Vögele.
Greift man dann doch einmal zu Kartoffelchips oder Schokolade, sollte man nicht resignieren. „Fehltritte sind menschlich“, erklärt Vögele und ergänzt: „Dann sollte man einfach da weitermachen, wo man aufgehört hat. Gefragt ist in dieser Situation eine flexible Kontrolle, durch die man sich nicht aus dem Gleichgewicht bringen lässt. Keine rigide Kontrolle, durch die man alles hinwirft und kapituliert.“Um der Versuchung zu widerstehen, sei es hilfreich, sich abzulenken und seinem Körper, dem man gerade etwas versagt, in anderer Form Gutes zu tun – etwa durch ein schönes Bad.
Während des Essens sollte man sich zudem der Nahrungsaufnahme voll bewusst sein. Routinen, die davon ablenken, wie Fernsehen, oder in sozialen Medien unterwegs sein, sollten durchbrochen werden.
„Man sollte ein Ritual aus dem Essen machen, sich viel Zeit dafür nehmen und den Genuss neu erfahren“, erklärt der Experte und gibt einen weiteren Tipp: „Eine weitere Portion, falls diese überhaupt erlaubt ist, sollte man sich erst 20 Minuten nach der ersten nehmen. So lange braucht der Körper, um ein Sättigungsgefühl aufzubauen.“
Aus psychologischer Perspektive ist es hilfreich, das Fasten in einer Zeit ohne weitere Belastungen durchzuführen. Prof. Claus Vögele, Gesundheitspsychologe