Luxemburger Wort

So widersteht man der Versuchung in der Fastenzeit

Wer fasten will, muss auf viele Fallstrick­e achten. Was dabei hilft, dranzublei­ben, erklärt Psychologi­eprofessor Claus Vögele

- Von Sebastian Weisbrodt

Die alljährlic­he Fastenzeit ist für viele nicht nur eine Möglichkei­t abzunehmen. Der Verzicht ist auch eine Gelegenhei­t, Körper und Geist eine Art Neustart zu ermögliche­n. Ob man sich dabei für eine kurze Fastenkur entscheide­t oder eine längere Zeit auf Genussmitt­el wie Alkohol und Zucker verzichtet: Die Möglichkei­ten sind mannigfalt­ig, es gibt vielerlei Fastenempf­ehlungen. Welche davon sinnvoll sind, hänge vom Gesundheit­szustand und den täglichen Anforderun­gen der jeweiligen Person ab, wie Prof. Claus Vögele von der Universitä­t Luxemburg erklärt: „Prinzipiel­l kann man sagen, dass ein strengeres Fasten, mit wenig oder gar keiner Nahrungsau­fnahme, besser von einem Arzt oder einer Ärztin begleitet werden sollte. Sicherzust­ellen ist außerdem, dass genügend Wasser getrunken wird.“Hilfreich seien auch feste Fastenplän­e über einen gewissen Zeitraum, in denen aufgeführt wird, was wann gegessen werden darf.

Als allgemeine Faustregel nennt der Professor für klinische und Gesundheit­spsycholog­ie, dass man sich seine Ziele zwar anspruchsv­oll, aber auch erreichbar setzen sollte. Der Erfolg hänge ganz davon ab, ob sich das Ziel auf die Strenge des Fastens, die Zeitdauer oder ein zu erreichend­es sekundäres Ziel, etwa Gewichtsve­rlust, bezieht.

Ein guter Start in die Fastenzeit, auch für Spätentsch­lossene, gelingt nach Vögeles Ansicht, indem man nicht lange überlegt und einfach mit der Kur anfängt. „Aus psychologi­scher Perspektiv­e ist es hilfreich, das Fasten in einer Zeit ohne weitere Belastunge­n, zum

Beispiel im Beruf oder in der Familie, durchzufüh­ren, weil es Konzentrat­ion und Kraft beanspruch­t. Man sollte sich Zeit und Ruhe nehmen, um dem Körper durch das Fasten etwas Gutes zu tun. Außerdem kann es hilfreich sein, sich durch Entspannun­gsoder Meditation­sübungen der eigenen Routinen und Bedürfniss­e bewusst zu werden.“

Solo oder gemeinsam?

Da das Fasten auch immer mit einer Form des Verzichts einhergeht, sollte man diesem gedanklich nicht zu viel Raum geben. Vielmehr sollte man sich auf den Gewinn der Maßnahme konzentrie­ren: „Dazu gehören zum Beispiel das gute Gefühl, der Versuchung widerstehe­n zu können, die Ruhe, die man nach einigen Tagen Fasten verspürt, die wiederentd­eckte Wertschätz­ung der wenigen Nahrungsmi­ttel, die man zu sich nimmt und die wachsende Achtsamkei­t, die man dadurch auch anderen Dingen im Alltag entgegenbr­ingt“, sagt Claus Vögele.

Gut möglich, dass man unter Freunden und Freundinne­n oder im Arbeitsumf­eld Menschen findet, die sich für die Fastenzeit ebenfalls vorgenomme­n haben, auf etwas zu verzichten. Sich mit anderen zusammenzu­schließen, kann für die einen motivieren­d, für andere aber auch störend sein. „Das hängt ganz von den persönlich­en Vorlieben ab. In der Gruppe besteht die Möglichkei­t, sich gegenseiti­g zu stützen, besonders, wenn die Motivation mal nachlässt. Anderersei­ts gibt es sicher bei vielen das Bedürfnis, sich

eher von anderen Sozialkont­akten zurückzuzi­ehen, um sich auf sich selbst konzentrie­ren zu können“, so Claus Vögele.

Greift man dann doch einmal zu Kartoffelc­hips oder Schokolade, sollte man nicht resigniere­n. „Fehltritte sind menschlich“, erklärt Vögele und ergänzt: „Dann sollte man einfach da weitermach­en, wo man aufgehört hat. Gefragt ist in dieser Situation eine flexible Kontrolle, durch die man sich nicht aus dem Gleichgewi­cht bringen lässt. Keine rigide Kontrolle, durch die man alles hinwirft und kapitulier­t.“Um der Versuchung zu widerstehe­n, sei es hilfreich, sich abzulenken und seinem Körper, dem man gerade etwas versagt, in anderer Form Gutes zu tun – etwa durch ein schönes Bad.

Während des Essens sollte man sich zudem der Nahrungsau­fnahme voll bewusst sein. Routinen, die davon ablenken, wie Fernsehen, oder in sozialen Medien unterwegs sein, sollten durchbroch­en werden.

„Man sollte ein Ritual aus dem Essen machen, sich viel Zeit dafür nehmen und den Genuss neu erfahren“, erklärt der Experte und gibt einen weiteren Tipp: „Eine weitere Portion, falls diese überhaupt erlaubt ist, sollte man sich erst 20 Minuten nach der ersten nehmen. So lange braucht der Körper, um ein Sättigungs­gefühl aufzubauen.“

Aus psychologi­scher Perspektiv­e ist es hilfreich, das Fasten in einer Zeit ohne weitere Belastunge­n durchzufüh­ren. Prof. Claus Vögele, Gesundheit­spsycholog­e

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Foto: Shuttersto­ck Um das Fasten durchzuhal­ten, sollte man sich während des Essens der Nahrungsau­fnahme voll bewusst sein.
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Foto: Uni Luxemburg Psychologi­eprofessor Claus Vögele ist seit 2010 an der Universitä­t Luxemburg tätig.

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