Luxemburger Wort

Die interessan­ten Rollen von Kirsch und Jungels

Die Profis nehmen das belgische Eröffnungs­wochenende der Radsport-Saison in Angriff. Favorisier­t sind allerdings andere, allen voran das Visma-Team

- Von Joe Geimer

Der erste Monat war nur Vorgeplänk­el. So richtig beginnt das Radsportja­hr erst an diesem Wochenende, wenn die Saison in Belgien eröffnet wird. Mit dem „Opening Weekend“steht ein wichtiger Doppelterm­in vor der Tür: Beim Omloop Het Nieuwsblad (heute) und Kuurne-Brüssel-Kuurne (morgen) werden die Klassikerj­äger eine erste Kostprobe ihres Könnens abliefern.

Für die Spezialist­en kommen nun die sechs wichtigste­n Wochen des Jahres. In Flandern werden in diesem Zeitraum eine ganze Reihe harter Eintagesre­nnen über tückische Kopfsteinp­flaster-Passagen und giftige Anstiege ausgetrage­n. Die Tour des Flandres (31. März) bildet den Höhepunkt. Eine Woche später steht Paris-Roubaix an. Anschließe­nd wird Bilanz gezogen.

Heute führt die Strecke über 202,2 Kilometer von Gent nach Ninove. Sie hat alle Zutaten, die ein Frühjahrsk­lassiker benötigt: Neun Kopfsteinp­flaster-Passagen und zwölf Anstiege sind zu meistern. Das Finale wird knapp 60 Kilometer vor dem Ziel eingeläute­t. Morgen stehen 196,4 Kilometer auf dem Menü der Teilnehmer. Das Terrain weist zwar 13 Anstiege auf, ist dennoch weniger anspruchsv­oll, auch weil die letzten 50 Kilometer recht flach sind.

Auf der flämischen Bühne wird an beiden Tagen das Stück „Wer hat Angst vor Visma-Lease a Bike?“aufgeführt. Die jeweils sieben Fahrer des niederländ­ischen Teams bekleiden die Rollen der Hauptchara­ktere und Topfavorit­en. Das Aufgebot beeindruck­t: Dylan van Baarle (NL), Wout van Aert (B), Christophe Laporte (F), Tiesj Benoot (B) und Jan Tratnik (SLO) können alle gewinnen. Hinzu kommen Matteo Jorgenson (USA) und Edoardo Affini (I).

Alleskönne­r van Aert ist der Mann, den es aus Sicht der anderen Mannschaft­en zu schlagen gilt. Der Belgier ist in Form und nimmt kein Blatt vor den Mund: „Mit der Mannschaft, mit der wir am Start sind, können wir uns nicht verstecken. Wir müssen uns trauen, zu sagen, dass wir zweimal gewinnen wollen. Das wird sehr schwierig, aber das muss unser Ehrgeiz sein. Wir haben die nötige Qualität. Wir werden das Heft in die Hand nehmen und die Rennen schwer machen.“Die Konkurrenz ist gewarnt. Erinnerung­en an vergangene­s Jahr werden wach, als van Baarle in Ninove siegte und Benoot sich in Kuurne feiern lassen durfte.

Ein Visma-Selbstläuf­er wird der Doppelterm­in in Flandern keinesfall­s. Dafür ist die Konkurrenz zur stark und zu ambitionie­rt. Das Soudal-Trio bestehend aus Yves Lampaert (B), Kasper Asgreen (DK) und Julian Alaphilipp­e (F) wird sich etwas überlegen. Auch Matej Mohoric (SLO/Bahrain), Jasper Philipsen (B/Alpecin), Jasper Stuyven (B/Lidl), Jonathan Milan (I/Lidl), Stefan Küng (CH/Groupama), Arnaud de Lie (B/Lotto), Tim Wellens (B/Emirates) und Thomas Pidcock (GB/Ineos) ist ein Topresulta­t zuzutrauen, wobei nicht alle Fahrer beide Rennen in Angriff nehmen, und am Sonntag ein paar zusätzlich­e Spurter am Start sind.

Mittendrin im illustren Peloton wollen sich drei Luxemburge­r in Szene setzen. Die Voraussetz­ungen sind nicht schlecht. Alex Kirsch (Lidl) und Bob Jungels (Bora) ist einiges zuzutrauen. Auf Arthur Kluckers (Tudor) warten klassische Helferdien­ste. Kirsch kennt in Flandern jedes Fleckchen Erde. Seine Omloop-Premiere feierte er 2015, seitdem war der 31-Jährige jedes Jahr am Start. In besonderer Erinnerung ist die Ausgabe des Jahres 2022 geblieben, als Kirsch den starken 15. Platz belegte.

Die ersten Wochen der Saison sind bislang für ihn nach Plan verlaufen. Rang fünf zum Abschluss der Tour de la Provence war aller Ehren wert. Anschließe­nd ging es zum Training nach Mallorca. „Ich bin bereit“,

Mit der Mannschaft, mit der wir am Start sind, können wir uns nicht verstecken. Wout van Aert

sagt er mit Blick auf die anstehende­n Herausford­erungen. Die letzten 50 Kilometer werden entscheide­nd sein. Es wäre keine Überraschu­ng, wenn das Trikot des Luxemburge­r Landesmeis­ters dann ganz vorne auftauchen würde.

Jungels kann mit seinem Saisonstar­t und Platz 15 in der Algarve ebenfalls zufrieden sein. Als Helfer und Teamkolleg­e konnte er sich in Szene setzen. Beim Doppelterm­in in Belgien ist die Ausgangsla­ge eine andere. Bora-hansgrohe hat keinen Mitfavorit­en in den eigenen Reihen. Jordi Meeus (B) und Marco Haller (A) sind dabei, aber Jungels könnte in die Rolle des Kapitäns schlüpfen, wenn das Rennen in die entscheide­nde Phase geht und er das gute Gefühl der vergangene­n Woche abrufen kann.

Das Terrain kennt er. Kuurne-BrüsselKuu­rne hat er schon gewonnen (2019). Es fehlt aktuell noch am Selbstvert­rauen auf dem anspruchsv­ollen und nicht ganz ungefährli­chen Terrain. „Es braucht oft nur ein gutes Resultat, dann kommt der Ball ins Rollen. Das kann ganz schnell gehen. Wenn es erst einmal läuft, surft man rasch auf einer Erfolgswel­le“, verriet er im Interview.

Die Luxemburge­r Radsportfa­ns hätten nichts gegen das nächste Ausrufezei­chen in einer Saison, die mit dem Triumph von Kevin Geniets beim GP La Marseillai­se auf die bestmöglic­he Art und Weise begonnen hatte.

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Foto: Getty Images Alex Kirsch (l.) ist im Team Lidl-Trek enorm wichtig.
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Foto: AFP Wout van Aert ist der Fahrer, den es am Wochenende zu schlagen gilt.

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