SOS Détresse auch per Chat erreichbar
Neben der Telefon- und Mailberatung wird ab dem 4. März ein dritter Kommunikationskanal freigeschaltet
Seit 47 Jahren helfen die Mitarbeiter der Telefonseelsorge SOS Détresse anderen Menschen. Anfangs nur über einen Festnetzanschluss. Handys oder dergleichen gab es damals noch keine. Die Menschen schrieben sich Briefe, keine SMS. Seit elf Jahren kann die Nummer gegen Kummer auch per E-Mail erreicht werden. Ab dem 4. März wird dies zudem per Chat möglich sein. Immer montags und donnerstags zwischen 17 und 21 Uhr werden die Mitarbeiter von SOS Détresse auf 454545.lu online sein.
Im Jahr 2023 gab es 3.615 Anrufe und 865 E-Mails in der Onlineberatung. „Wir haben festgestellt, dass eine große Nachfrage existiert, sich schriftlich im direkten Kontakt ausdrücken zu können, gerade für die jüngere Population“, erklärt Nadja Bretz, die Direktionsbeauftragte, die Gründe des neuen Angebotes. Manchen Menschen falle es leichter, sich in einem anonymen Chat zu öffnen, ohne auf eine Antwort warten zu müssen, so wie es in der Mailberatung der Fall ist.
3.615 Anrufe und 865 E-Mails im Jahr 2023
Gerade in schwierigen oder herausfordernden Situationen haben die Menschen das Bedürfnis, sich mitteilen zu können. Im Alltag könne dies nicht immer erfüllt werden. „Bei uns finden diese Menschen ein offenes Ohr, welches ihnen aktiv und vor allem völlig unparteiisch zuhört“, sagt die Psychologin Nadja Bretz.
Die besprochenen Themen sind so unterschiedlich wie die Anrufer, jedoch sei „die Bewältigung zwischenmenschlicher Probleme“bei der Telefonberatung besonders präsent, das Gleiche gelte für die „allgegenwärtige Einsamkeit“. Auffallend ist, dass bei der Telefonberatung das Thema Suizid seltener angesprochen wird, als in der Mailberatung. Bei jeder zehnten E-Mail spielten 2023 Suizidgedanken bis hin zu Suizidgefährdung eine Rolle, bei der Telefonberatung waren es deutlich weniger.
Die Mailberatung ist zeitversetzt und erlaubt so wesentlich „mehr Zeit zur Reflexion und der Sortierung der eigenen Gedanken und Gefühle“. Manchen Menschen falle es leichter, sich in einem anonymen Mail den Mitarbeitern gegenüber zu öffnen. „Gerade diese Anonymität lässt somit eher die Hemmungen fallen und die Schamgefühle in den Hintergrund rücken“, sagt Bretz. Die Kommunikation werde so ehrlicher und direkter.
Die Suche nach Trost im Internet
Bei der Telefonberatung brauchen die Anrufer nicht zu warten, die Antworten gibt es sofort. Doch nicht jeder traut sich, die 454545 anzurufen. Die neue Chatfunktion soll nun Abhilfe schaffen. SOS Détresse rät nicht davon ab, bei Lebenskrisen das Internet um Rat zu fragen. „Es bietet eine Fülle von Informationen und Ressourcen, einschließlich Ratgebern, Foren und Selbsthilfegruppen“, sagt die Psychologin. So könne es durchaus sinnvoll sein, „das Internet als Ressource zur Problemlösung zu nutzen“.
„Jedoch sollte darauf geachtet werden, dass die Informationen von vertrauenswürdigen Quellen stammen“, betont Nadja Bretz. Es gibt sehr viele Webseiten, auf denen falsche oder irreführende Informationen verbreitet werden. Vor allem bei Themen, bei denen es um die Gesundheit, die des Körpers und die der Seele, geht, „raten wir grundlegend dazu, einen Fachmann zu konsultieren“. Eigenbehandlungen oder ungeprüfte Ratschläge könnten sehr ernsthafte Folgen haben.
Wer das Angebot des neuen 454545.luChats nutzt, der trifft auf dem anderen Ende der Leitung auf ehrenamtliche Mitarbeiter von SOS Détresse. „Sie haben eine 18-monatige Grundausbildung durchlaufen und zusätzlich eine zweimonatige Online- und Chatausbildung“, erklärt sie. Die für ein Ehrenamt
: Laut Rogers sollten die Helfer, die Fähigkeit besitzen, sich in die Perspektive und die Gefühle einer anderen Person hineinzuversetzen – ohne dabei zu urteilen oder zu interpretieren. Nadja Bretz, Direktionsbeauftragte von SOS Détresse
außergewöhnlich lange Ausbildung richte sich nach der Lehre des Therapeuten Carl Rogers, der für seine personenzentrierte Therapie bekannt sei. „Laut Rogers sollten die Helfer die Fähigkeit besitzen, sich in die Perspektive und die Gefühle einer anderen Person hineinzuversetzen – ohne dabei zu urteilen oder zu interpretieren“, erklärt Nadja Bretz.
So können die Zuhörer „einen wichtigen Beitrag zur emotionalen Entlastung und Krisenbewältigung leisten“. Denn oftmals sei schon das bloße Zuhören und Verstehen der Probleme eine große Hilfe. „Das Teilen der eigenen Gedanken und Gefühle hilft, diese leichter zu sortieren und auch selber zu verstehen“, sagt Bretz. So könne das Ansprechen der Probleme für eine erste emotionale Entlastung sorgen.