Wenn Geflüchtete ihrer Familie kein Geld mehr überweisen dürfen
Deutschland führt eine Bezahlkarte für Flüchtlinge ein. Geld in die Heimat zu schicken, wird damit unmöglich. Ob sich Luxemburg mit dem Konzept anfreunden könnte?
Der höchste Wert an Asylsuchenden seit 2016: Rund 300.000 Menschen auf der Flucht sind im vorigen Jahr nach Deutschland gezogen. Der starke Zuzug von Geflüchteten im Jahr 2023 hat demnach die dortigen Gemeinden stark belastet. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund moniert, nicht mehr genügend Unterbringungsmöglichkeiten für Asylsuchende zur Verfügung zu stellen.
Der angespannte Wohnungsmarkt erschwert Asylsuchenden zudem die Suche nach einer eigenen Wohnung. Es entsteht Stau im Aufnahmesystem, da Flüchtlinge länger als gedacht in Erstaufnahmestrukturen verweilen müssen. An Personal und somit an Plätzen in Sprachund Integrationskursen mangelt es ebenso.
Die deutsche Bundesregierung hat es sich also zur Aufgabe gemacht, die Aufnahme von Geflüchtete zu erschweren. Bei einem Migrationsgipfel im Kanzleramt im November vorigen Jahres einigten sich Bund und Länder auf eine neue Finanzierung von Flüchtlingskosten, Leistungskürzungen für Asylbewerber, mehr Rückführungen in Ursprungsländer – und eine Bezahlkarte für Flüchtlinge. Über deren Wirkung auf die Flüchtlingszahlen sind sich die Experten jedoch uneinig.
Was hat es genau mit der Karte auf sich?
Flüchtlinge sollen einen Teil ihrer staatlichen Leistungen nicht mehr von den Kommunen in Bargeld, sondern über eine Bezahlkarte beziehen. Sozialbehörden überweisen das Geld an die Banken, die wiederum den Betrag auf die Karte laden. Es handelt sich hierbei um eine guthabenbasierte Karte mit Debit-Funktion – also ohne Kontobindung. Das würde bedeuten, dass Geflüchtete mit der Karte keine Überweisungen tätigen können.
Die Einführung der Karte sieht die deutsche Bundesregierung als weitere Maßnahme, um gegen illegale Migration anzukämpfen. Dass Flüchtlinge nämlich finanzielle Hilfen vom Staat in die Heimat schicken, sei ein Anreiz für Fluchtbewegungen – ein sogenannter Pull-Faktor.
Dabei verfügt laut Wochenmagazin „Spiegel“die deutsche Bundesregierung über keine Informationen dazu, wie hoch die Summe an Rücküberweisungen an die Heimatländer tatsächlich ist. Die Bundesbank schätzt diese auf eine Summe von knapp 7,2 Milliarden Euro. Wie hoch die Summe tatsächlich ist, lässt sich nicht genau verifizieren.
Wie werden finanzielle Hilfen an Flüchtlinge in Luxemburg ausbezahlt?
In Luxemburg schaut die Situation etwas anders aus. Bezahlkarten für Flüchtlinge sind bereits im Einsatz. Wenn ein Asylsuchender also ankommt, werden die staatlichen Hilfen erst in Form von Bons ausgehändigt. Zehn bis 15 Tage dauert es ungefähr, bis das Bankkonto dann eingerichtet wird und der Asylsuchende seine Bezahlkarte erhält. Die finanziellen Beihilfen werden dann auf das Konto überwiesen.
Bei der Bezahlkarte handelt es sich um eine Visa-Debit-Karte. Diese verfügt zwar über keine Debit-Funktion, heißt es in der Antwort des Nationalen Aufnahmeamts (ONA) auf eine Nachfrage des „Luxemburger Wort“, die Karte sei aber an ein Konto gebunden. Bedeutet: Im Gegensatz zur Bezahlkarte in Deutschland könnten Asylbewerber sowohl Geld überweisen als auch abheben. Das Konto zu überziehen oder sich zu verschulden, ist jedoch nicht möglich, ergänzt das ONA.
Jemand, der sich jedoch für das deutsche Modell der Bezahlkarte begeistert, ist der CSV-Abgeordnete Laurent Mosar. Nachdem bekannt wurde, dass die Bundes-Grünen sich gegen die bundesweite Einführung der Bezahlkarte sträubten, brauchte es nicht lang, bis Mosar zur Grünen-Kritik überging, die ihn auf Twitter in der Vergangenheit berühmt gemacht hat.
Tatsächlich ging es den Bundes-Grünen nicht darum, die Einführung der Bezahlkarte zu torpedieren. Allerdings sieht die Partei die Gefahr darin, dass die Bezahlkarte nur regional nach Postleitzahl funktioniert und Geflüchtete nur in bestimmten Stadtteilen einkaufen dürften. Mosar kritisierte dennoch: „Grüne Ideologie scheint sogar nicht vereinbar zu sein mit einer einfachen Bezahlkarte für Flüchtlinge.“
Der CSV-Abgeordnete findet das Konzept der deutschen Bezahlkarte interessant. „Das Geld, das Asylbewerber bekommen, ist nicht dazu gedacht, es ins Ausland zu überweisen“, kritisiert gelangt und nicht an Verwandte im Ausland. „Die Initiative Deutschlands, diese Karte einzuführen, ist eine gute“, lobt er. Dass nicht nur Flüchtlinge, sondern ebenso Migranten Sozialleistungen des Staates an ihre Heimatländer rücküberweisen, sei ihm bekannt. „Das wurde mir immer wieder herangetragen.“
Finanzielle Hilfen zu niedrig, um an Heimatländer zu überweisen
Tatsächlich gibt es in Luxemburg keine Institution, die über solche Daten verfügt. Wie hoch der Betrag an Rücküberweisungen von staatlichen finanziellen Hilfen ist, welche durch Antragsteller auf
internationalen Schutz in ihre Herkunftsländer getätigt werden, ist nicht bekannt. Das bestätigt wiederum das ONA gegenüber dem „Luxemburger Wort“. „Insbesondere im Hinblick auf den Schutz personenbezogener Daten“sei es nicht möglich, an die Information heranzukommen. Ob es nun in Luxemburg ein Problem damit gibt, dass Sozialleistungen ins Ausland rücküberwiesen werden, kann die Politik somit nicht genau sagen.
Unter Flüchtlingswerken ist ebenso bekannt, dass Flüchtlinge, die nach Luxemburg kommen, Geld an Verwandte im Ausland überweisen, um diese zu unterstützen. Das sei allerdings bei Asylbewerbern eher weniger der Fall, erklärt die ehemalige Verantwortliche des Service Réfugié et Migrants der Caritas und heutige Vorsitzende des JSR (Jesuit Refugee Service), Agnes Rausch. „Mit den Summen, die aktuell ausbezahlt werden, bleibt Asylbewerbern wenig Geld übrig am Ende des Monats, um ihrer Familie zu schicken.“
Tatsächlich stehen Asylbewerbern in Luxemburg drei verschiedene finanzielle Hilfen zu. Die „allocation pécunière“in Höhe von 29 Euro im Monat, die „aide d‘alimentation“in Höhe von 226,27 Euro im Monat und die „aide hygiène“mit 45 Euro im Monat.
Asylberechtige würden vielmehr Geld an ihre Heimatländer rücküberweisen, sagt Rausch. Ihnen steht nämlich das Einkommen zur sozialen Eingliederung (Revis) zu, das wesentlich höher als die finanziellen Hilfen von Asylbewerbern ist. Von einer Bezahlkarte, die Überweisungen ins Ausland unmöglich machen würde, hält Rausch wenig. Es solle nicht Usus werden, Flüchtlingen „umsonst das Leben schwerer zu machen“. Flüchtlinge würden nicht des Geldes wegen nach Luxemburg kommen.