Von wegen Regenbogenwelt: Der harte Alltag im Tierheim Gasperich
Zeitaufwändig und teuer: Bei unüberlegten Entscheidungen sind Tiere oft die Leidtragenden und landen im Tierheim. Ein Blick hinter die Kulissen
Wo für die einen die Tierliebe aufhört, fängt sie für Benny und Loïc erst an. Seit fast zehn Jahren arbeiten die beiden als Tierpfleger im Déierenasyl Gaasperech und kennen dort „jede einzelne Fliese“. Ihr Arbeitstag beginnt intensiv und laut: 75 bis 80 Hunde leben am Boulevard de Kockelscheuer in Gasperich. „Hier geht es zu wie im Kindergarten. Es stinkt nur viel mehr“, scherzt Loïc. Mit Gummistiefeln und Kärcher machen sich die beiden routiniert an die Arbeit in der Station.
„Der Winter war hart“, sagt Loïc. Besonders wenn sich die Tierpfleger um den Nachwuchs kümmern müssen: „Welpen sind schön, wenn man privat einen hat. Aber wenn es 21 sind, ist es nicht cool.“Trotzdem gilt es, jeden Tag für die Tiere da zu sein. Auch bei minus zehn Grad Celsius. „Die Arbeit ist eine geruchliche und emotionale Herausforderung“, sagt Loïc Feltgen. Der 30-Jährige ist ausgebildeter Hundetrainer und seit 2014 im Tierheim tätig. Auch körperlich sei die Arbeit nicht zu unterschätzen: „Wir sind alle kaputt.“
In den kalten Wintermonaten ist das Tierheim in der Regel vollkommen überfüllt – es werden weniger Hunde adoptiert, das Tierheim ist entsprechend voll. 86 Hunde zählte das Tierheim in diesem Winter, eigentlich ist nur Platz für 76 Hunde. Inzwischen wurde eine Warteliste für die Abgabe von Hunden eingeführt. Trotz Beratung schaffen sich viele Menschen ein Tier an und merken erst im Nachhinein, was es bedeutet, ein Tier zu halten, so Liliane Ferron, Kommunikationsbeauftragte des Tierheims.
„Wir sind streng, das ist bekannt“, sagt Liliane Ferron über das Image des Tierheims. Obwohl die Interessenten beraten werden, verlassen manche das Tierheim ohne Tier, um sich anderswo einen Hund zu besorgen. Vor allem bei unüberlegten Anschaffungen landet das Tier oft wieder im Tierheim. Aber auch Scheidung, Tod oder Krankheit spielen oft eine Rolle – und das sind eigentlich die Notfälle, für die das Tierheim ursprünglich gedacht war.
Was es heißt, Tierpfleger zu sein, zeigen Benny und Loïc an diesem Freitagmorgen. Ihre Schicht beginnt in den frühen Morgenstunden mit der Reinigung der Quarantänestation. Ein spezielles Desinfektionsmittel wird dabei zu Schaum aufbereitet und in die Zellen gesprüht. Die gesamte Reinigung der Käfige dauert etwa vier Stunden. Jedes Tier, das im Tierheim ankommt, verbringt dort mindestens drei bis vier Tage in Isolation, um die Ausbreitung von Krankheiten zu verhindern.
Im Tierheim werde oft nicht unbedingt „die Hundeelite Luxemburgs“abgegeben, wie Loïc erklärt. Vierbeinige Opfer von Gewalt, Misshandlung und Quälerei sind keine Seltenheit. Auch Hunde, die jahrelang in Kisten im Keller gehalten wurden. Tiere, die in ihrem Leben Gewalt erfahren haben, benötigen Zeit, um wieder Vertrauen zu Menschen aufzubauen. „Wir sehen hier den untersten Dreck der Menschheit“, sagt Loïc. Es gibt kaum ein Schicksal, dem die beiden noch nicht begegnet sind.
So schrecklich die Vergangenheit einiger Tiere auch ist, für Benny sind es die Erfolgserlebnisse, die ihn an der Arbeit begeistern. Mit viel Geduld das Vertrauen eines ängstlichen Hundes wieder aufzubauen, bereitet Benny die größte Freude. So ist er auch der einzige Mensch, der sich Badi nähern darf. Der silbergraue American Staffordshire lebt bereits seit acht Jahren in Gasperich und wird das Tierheim aller Voraussicht nach „nicht mehr lebend verlassen“. Wie Benny sagt, haben die meisten Hunde im Tierheim ein besseres Leben als dort, wo sie herkommen. So
auch Badi: „Er kommt aus dem Keller“. Ob die beiden schon gebissen wurden? Ja, aber: „Angst hat in diesem Beruf nichts zu suchen. Aber Respekt muss man haben.“Benny wusste schon früh, dass er einmal mit Tieren arbeiten möchte. Doch oft begegnet er dem Vorurteil, dass man als Tierpfleger den ganzen Tag nur Hunde streichelt und in einer Regenbogenwelt lebt. Dabei ist ihr Alltag mit viel Elend und Leid verbunden. Die Menschen vergessen auch, dass Tiere viel Arbeit bedeuten. Mit Eimer und Schaufel sammelt jederTierpfleger in Gasperich täglich rund 20 Kilogramm Hundekot ein.
Einen Satz können die beiden Tierpfleger nicht mehr hören: „Der Hund ist so schön“. Weil manche Menschen nur auf das Aussehen achten und nicht auf den Charakter der Tiere, sitzen auch viele schöne Hunde in ihren Käfigen. Von 74 Hunden in Gasperich sind dort 23 American Staffordshire, die zu den Hunden gehören, für die man einen Führerschein benötigt. Ein trauriger Durchschnitt. „Vill Hënn, déi hei landen, se verhondst“, stellt Loïc fest. Man habe sich nicht um Erziehung oder Sozialisierung gekümmert. Doch genau dafür ist das 20-köpfige Team des Déierenasyl Gaasperech da: um solchen Tieren ein zweites Leben zu ermöglichen.
In knapp vier Stunden haben die beiden die Quarantänestation desinfiziert, gereinigt, Kot aufgesammelt und die Körbchen wieder zum passenden Hund gelegt. Benny weiß genau, dass das Flauschkörbchen zur weißen französischen Bulldogge Padma gehört und das karierte Körbchen zu American Bully Maryland. Man kennt eben seine Pappenheimer – beziehungsweise Hunde.
Hier geht es zu wie im Kindergarten. Es stinkt nur viel mehr. Loïc Feltgen, Tierpfleger und Hundetrainer