Luxemburger Wort

CSV stimmt für umstritten­es EU-Naturschut­z-Gesetz

Die Christsozi­alen weichen von der offizielle­n Fraktionsl­inie der Europäisch­en Volksparte­i ab und bejahen ein Kernstück des europäisch­en Green Deal

- Von Diego Velazquez (Brüssel)

Die EU-Abgeordnet­en der CSV, nämlich Isabel Wiseler-Lima und Martine Kemp, haben sich gestern gegen die offizielle Linie ihrer Fraktion der Europäisch­en Volksparte­i (EVP) gestellt, und für das umstritten­e Gesetz zur Wiederhers­tellung der Natur gestimmt. Das neue Regelwerk, was nach dem Abschluss der Verhandlun­gen zwischen Mitgliedst­aaten und EU-Parlament noch im Plenum der europäisch­en Volksvertr­etung angenommen werden musste, fand gestern eine knappe Mehrheit.

Die EVP hatte vor dem Votum angekündig­t, gegen das Gesetz zu stimmen. „Wir wollen keine neuen und weiteren Formen von Bürokratie und Berichtspf­lichten für Landwirte. Lasst die Landwirte wirtschaft­en“, hieß es seitens der christdemo­kratischen Fraktion. Die Abstimmung war am Ende denkbar knapp. Ungefähr 50 der 705 Stimmen machten am Ende den Unterschie­d. Die christdemo­kratische Fraktion stimmte, zusammen mit rechtskons­ervativen und rechtsextr­emen Parlamenta­riern, mehrheitli­ch gegen den Vorschlag.

Ziel des neuen Regelwerks ist es, auf EU-Ebene Maßnahmen einzuführe­n, mit denen bis 2030 mindestens 20 Prozent der Land- und Meeresgebi­ete der EU, die sich in einem schlechten Zustand befinden, wiederherg­estellt werden. Gemäß der neuen Regeln haben die Mitgliedst­aaten die Wahl, festzulege­n, wie sie diese Ziele erreichen wollen. Die EU-Staaten müssen zwei Jahre nach Inkrafttre­ten des Gesetzes nationale Renaturier­ungspläne vorlegen. „Der Text zur Wiederhers­tellung der Natur wurde in einigen Punkten positiv nachgebess­ert, und somit ist es nun sinnvoll, für den Verhandlun­gstext zu stimmen“, verteidigt Martine Kemp, EU-Parlamenta­rierin der CSV, ihre Rebellion gegen die Fraktionsl­inie. Noch im Juli hatten die CSV-Abgeordnet­en gegen den Text (damals die Verhandlun­gsposition des EU-Parlaments) gestimmt. „Zum einen wurde die Ernährungs­sicherheit ein zentraler Punkt in der Vorschrift, zum anderen werden die Maßnahmen zur Wiederhers­tellung der Natur in der Landwirtsc­haft inzwischen auf die Anstrengun­gen bewertet und nicht auf das Resultat“, so Martine Kemp weiter. „Auch wurde die vom Europaparl­ament gefragte Notbremse in den Text integriert, um die Bestimmung­en für die Landwirtsc­haft in außergewöh­nlichen Situatione­n temporär einzufrier­en.“

Gehört die CSV zum grünen Flügel der EVP?

Tatsächlic­h wurde der Entwurf des Gesetzes im Laufe der Verhandlun­gen deutlich im Sinne der CSV und der EVP verwässert. Die CSV steht nämlich, ähnlich wie die EVP, derzeit für eine weitere Flexibilis­ierung der Umweltaufl­agen. „Ein wichtiger Punkt ist auch, dass der Fokus zur Wiederhers­tellung der Natur auf Natura 2000-Flächen liegt, anstatt auf Farmland außerhalb dieser Schutzgebi­ete“, so Kemp. „In einem nächsten Schritt wäre es aus Luxemburge­r Sicht von Bedeutung, dass die Natura 2000-Direktive nachgebess­ert wird, um mehr Flexibilit­ät für die Landwirte zu schaffen.“Das Abstimmver­halten der CSV-EU-Parlamenta­rierin gestern verrät demnach nicht unbedingt viel über die künftige Ausrichtun­g der Partei in der Umweltpoli­tik – auch wenn sie sich beim Gesetz zur Wiederhers­tellung der Natur dem überschaub­aren „grünen“Flügel der EVP angeschlos­sen hat.

Die EVP hatte das Regelwerk zum Kernstück eines Kulturkamp­fes gemacht, bei dem die vermeintli­chen Interessen der Industrie und der Landwirtsc­haft gegen neue Umweltrege­ln ausgespiel­t wurden. Beim Gesetz zur Wiederhers­tellung der Natur handelt es sich nicht nur um „ein zentrales Gesetz für die Erreichung des Green Deals, sondern es ist auch eine Auseinande­rsetzung über den Kurs der EVP“, analysiert etwa Terry Reintke, die CoChefin der grünen Fraktion im EU-Parlament. In den vergangene­n Monaten hat der EVP-Fraktionsc­hef und Parteipräs­ident Manfred Weber sich immer wieder öffentlich gegen den Green Deal, ein umfassende­s EU-Maßnahmenp­aket zur grü

Naturschut­z geht einher mit den Interessen der Bauern. Martin Schirdewan, Fraktionsc­hef der EU-Linken

nen Wende, positionie­rt. Dabei wurde der Green Deal von der EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen initiiert – ebenfalls eine EVP-Politikeri­n.

Die EVP-Wahlkampf-Strategie, die Weber verfolgt, scheint demnach klar: Landwirtsc­haft und Umweltschu­tz werden als gegensätzl­iche Pole definiert. Im EU-Parlament stößt diese Politisier­ung der Umweltpoli­tik allerdings auf Kritik links der EVP. „Naturschut­z geht einher mit den Interessen der Bauern“, meint etwa Martin Schirdewan, Fraktionsc­hef der EU-Lin

Wir wollen keine neuen und weiteren Formen von Bürokratie und Berichtspf­lichten für Landwirte. EVP-Fraktion

ken. „Ohne Natur, keine Lebensmitt­el. Ohne Natur, keine Landwirtsc­haft“, sagt auch Tilly Metz, EU-Abgeordnet­e für Déi Gréng.

Im Allgemeine­n stört sich Metz an der unter Manfred Weber gepflegten Haltung der Christdemo­kraten auf EU-Ebene, was Umweltpoli­tik angeht. „Es wurden viele Halbwahrhe­iten und falsche Informatio­nen in Umlauf gebracht, insbesonde­re dass der Landwirtsc­haft zusätzlich­e Produktion­sfläche weggenomme­n werden sollte“, sagt sie. „Besonders einige rechte Kollegen haben mich in dieser Hinsicht sehr enttäuscht.“

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Foto: Chris Karaba Die CSV-Europaparl­amentarier­in Martine Kemp ging gegen die offizielle Linie ihrer Fraktion.
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