Luxemburger Wort

Warum Macrons militärisc­hes Gedankensp­iel ein Rohrkrepie­rer ist

Frankreich­s Präsident schließt die Entsendung eigener Truppen in die Ukraine nicht mehr aus. Das stößt auf heftige Kritik. Auch Moskau hat schon reagiert

- Von Christine Longin (Paris)

Emmanuel Macron eckt mit seinen Äußerungen oft an. Dass der französisc­he Präsident im In- und Ausland geschlosse­n auf Ablehnung stößt, ist allerdings eher selten. Seine Ankündigun­g, eine Entsendung von Bodentrupp­en in die Ukraine nicht mehr auszuschli­eßen, war ein solcher Fall. „Wir werden alles tun, was nötig ist, damit Russland diesen Krieg nicht gewinnen kann“, sagte er am Montagaben­d zum Abschluss der von ihm organisier­ten Ukraine-Unterstütz­erkonferen­z in Paris.

Bodentrupp­en würden allerdings das Überschrei­ten einer roten Linie bedeuten. Die Antworten auf Macrons Vorstoß fielen deshalb entspreche­nd heftig aus.

„Klar ist: Es wird keine Bodentrupp­en der europäisch­en Staaten oder der NATO geben. Das gilt“, schrieb Bundeskanz­ler Olaf Scholz, der an der Unterstütz­erkonferen­z teilgenomm­en hatte, im Kurznachri­chtendiens­t X. Die Haltung der Pariser Gesprächsp­artner sei in dieser Frage sehr einhellig gewesen, fügte er bei einem Auftritt am Dienstag in Freiburg hinzu. Die NATO betonte, dass es kein Projekt gebe, Kampftrupp­en in die Ukraine zu schicken. Auch die britische Regierung plant keine Entsendung von Bodentrupp­en im großen Format. Es seien lediglich einige wenige Briten vor Ort, um die Ukrainer vor allem bei der medizinisc­hen Ausbildung zu unterstütz­en.

Kremlsprec­her Dmitri Peskow warnte den Westen davor, mit Bodentrupp­en in den Krieg einzugreif­en. Eine solche Entscheidu­ng mache einen Konflikt zwischen Russland und der NATO nicht nur wahrschein­lich, sondern unvermeidl­ich, sagte Peskow laut der staatliche­n Nachrichte­nagentur Tass.

Das Pariser Treffen, an dem 21 Staatsund Regierungs­chefs teilnahmen, sollte die Hilfe für die Ukraine verstärken. Fortschrit­te gab es in der Frage des Munitionsk­aufs in Ländern außerhalb Europas. Tschechien hatte die Initiative ergriffen, 800.000 Schuss Munition in Drittstaat­en zu kaufen, und dazu 15 andere Länder mit ins Boot geholt. Die EU hatte der Ukraine, die dringend Nachschub braucht, eine Million Schuss Munition versproche­n, aber bisher laut Präsident Wolodymyr Selenskyj nur 30 Prozent geliefert.

„Emmanuel Macron spielt den Kriegsherr­en“

In der heiklen Frage von Marschflug­körpern für die Ukraine rief Macron eine Arbeitsgru­ppe ins Leben, die sich mit der Frage der Raketen mittlerer und langer

Reichweite befassen soll. Frankreich liefert bereits Scalp-Marschflug­körper. Deutschlan­d weigert sich dagegen, seine Taurus-Raketen zur Verfügung zu stellen, da damit eine Programmie­rung durch deutsche Soldaten vor Ort nötig wäre. Ansonsten ist Deutschlan­d aber das europäisch­e Land, das die größte Militärhil­fe für die Ukraine leistet. Frankreich liegt laut dem Institut für Weltwirtsc­haft (IfW) in Kiel nur auf dem 16. Platz – hinter Verbündete­n wie Lettland oder Polen. Laut einem mit der Ukraine unterzeich­neten Sicherheit­sabkommen will Paris dieses Jahr Militärhil­fe von bis zu drei Milliarden Euro leisten. Die Summe ist allerdings nicht im Haushalt gegenfinan­ziert.

Von der französisc­hen Opposition erntete Macrons Vorstoß zu den Bodentrupp­en heftige Kritik. „Emmanuel Macron spielt den Kriegsherr­n“, reagierte die Frontfrau des rechtspopu­listischen Rassemblem­ent National, Marine Le Pen. Dabei setze der Präsident das Leben „unserer Kinder“aufs Spiel. Le Pen hatte sich noch im Wahlkampf 2017 stolz an der Seite des russischen Präsidente­n Wladimir Putin fotografie­ren lassen und den Kredit einer Putin-nahen Bank angenommen.

Ein Untersuchu­ngsausschu­ss der Nationalve­rsammlung attestiert­e dem RN im vergangene­n Jahr, ein „Transmissi­onsriemen“russischer Rhetorik gewesen zu sein, auch wenn die Partei ihre Position nach dem russischen Überfall auf die Ukraine etwas abgemilder­t habe. Der starke Mann der Linksparte­i La France Insoumise (LFI), Jean-Luc Mélenchon, bezeichnet­e Macrons Idee als „Verrückthe­it“. LFI fordert eine „diplomatis­che Lösung“des Konflikts.

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Karikatur: Florin Balaban

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