Athleten als „Versuchskaninchen“: Mit Doping zu neuen Rekorden
Das Projekt der „Enhanced Games“stößt auf große Ablehnung. Finanziers locken mit einer Millionen-Prämie für Weltrekorde und horrendem Startgeld. Wer macht da mit?
Bei 9,49 Sekunden wird die Zeit im Werbevideo eines virtuellen 100-MeterLaufs gestoppt. Es wäre ein Fabelweltrekord, den sich die Initiatoren der geplanten Spiele ohne Doping-Grenzen erträumen. Für die Sportwelt ist schon die Ankündigung dieser „Enhanced Games“ein Albtraum. Eine Reihe von Milliardären hat keine Skrupel, Weltrekordjagden mithilfe von Doping-Mitteln über ethische Grenzen hinaus zu inszenieren. Sie locken Athleten mit viel Geld: Eine Million US-Dollar als Prämie für einen Weltrekord.
„Die Idee der Enhanced Games verdient keinen Kommentar. Wenn man jegliches Konzept von Fair Play und fairem Wettbewerb im Sport zerstören will, wäre dies ein guter Weg, dies zu tun“, erklärte das Internationale Olympische Komitee mit ungewohnter Schärfe. „Kein Elternteil würde jemals wünschen, dass sein Kind an einem solch schädlichen Format teilnimmt, bei dem leistungssteigernde Drogen ein zentraler Bestandteil des Konzepts sind.“
Der Präsident der Enhanced Games glaubt dagegen, mit seinem Veranstaltungsprojekt die Olympischen Spiele der Zukunft zu schaffen. „Wir erfinden den Sport von Grund auf neu, unbelastet von anachronistischen Altsystemen“, sagte Aron Ping D'Souza. Für ihn sind die Olympischen Spiele „heuchlerisch, korrupt und dysfunktional“.
Der australische Unternehmer ist Teil einer Gruppe von Milliardären, zu denen auch der umstrittene PayPalMitbegründer Peter Thiel als Unterstützer gehört. Für ihre Enhanced Games wurden fünf Kernkategorien von Sportarten ausgewählt: Leichtathletik, Kampf-, Kraft- und Wassersport sowie Gymnastik. Mehr, als dass sie jährlich ausgetragen werden, ist noch offen.
Ein Sportler hat seine Bereitschaft für einen Start bei den Enhanced Games signalisiert. Der dreimalige australische Schwimm-Olympiasieger James Magnussen nennt in einem Video auf X, vormals Twitter, seine Beweggründe: „Vor allem ist es das Geld. Eine Million Dollar für einen Weltrekord zu bekommen.“Zudem sei er 32 Jahre alt und habe den Höhepunkt als Sportler hinter sich. Die Enhanced Games seien „eine echte Möglichkeit“, nach der Karriere weiter Geld zu verdienen und weiter bei einem Weltklasse-Event aufzutreten. „Und es ist Entertainment. Ronaldo spielt doch auch in Saudi-Arabien“, meinte Magnussen.
Für die Interessenvertretung Athleten Deutschland fußt die Idee der Enhanced Games auf einer schrecklichen Vision von Olympischen Spielen, in der Athleten durch die Zulassung jeglicher leistungssteigernder Mittel „zu medizinischen Versuchskaninchen“werden. Sie würden „obendrein in eine medizinische Aufrüstungsspirale mit unabsehbaren Folgen für ihre Gesundheit geschickt“, kritisierte die Interessenvertretung: „Anstatt fairen und sauberen Wettstreit fördern die Enhanced Games die entgrenzte Gier nach Rekorden und leugnen dabei die Gefahren, die mit der Einnahme zu Recht verbotener Substanzen einhergehen.“
Auch die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) und die Internationale TestAgentur (Ita) lehnen die Enhanced Games kategorisch ab. Durch sie könnte „eine Dopingkultur“geschaffen werden, „die über den Profisport“hinausgehe, fürchtet Ita. Für „ein gefährliches und unverantwortliches“Konzept hält die Wada das Games-Vorhaben.
Ganz anders sehen das hingegen die Enhanced-Games-Organisatoren. „ Um es klar zu sagen: Bei Drogentests geht es um Fairness, nicht um Sicherheit“, entgegnen sie. dpa