Inklusion bereitet in der Praxis große Probleme
Trotz massiver Personalrekrutierung funktioniert die schulische Inklusion nicht wie erwartet
2018 brachte Bildungsminister Claude Meisch (DP) die Ediff-Reform auf den Weg, mit dem Ziel, die schulische Inklusion zu verbessern. 700 Fachkräfte wurden seither rekrutiert. Und doch gibt es massive Probleme in der Praxis.
Das Inklusionssystem ist dreifach gegliedert. In den Schulen kommen spezialisierte Lehrer, sogenannte I-EBS zum Einsatz. Reicht das nicht aus, werden Fachkräfte (Psychologen, Erzieher usw.) hinzugezogen, die auf der Ebene der Regionaldirektionen als multiprofessionelle Teams angesiedelt sind. Eine weitere Ebene sind die nationalen Kompetenzzentren, in denen Schüler zum Teil auch unterrichtet werden.
Im Januar 2023 hat Meisch eine Evaluierung der Reform vorgestellt. Der größte Schwachpunkt: Es dauert im Schnitt zehn Monate, bis Hilfe beim bedürftigen Kind ankommt, oft sogar länger. Meisch versprach, für kürzere Wartezeiten und schnellere Eingangsdiagnosen zu sorgen. Die Regionaldirektionen sollten innerhalb von vier Wochen Hilfe bereitstellen, so Meischs Plan.
In einer Interpellation, angefragt vom Abgeordneten Meris Sehovic (Déi Gréng), diskutierte das Parlament am Mittwoch über die aktuelle Situation: Was sich verbessert hat und was noch zu tun ist, damit Inklusion auch wirklich funktioniert. „Ich habe mit vielen betroffenen Eltern und Lehrern gesprochen und mein Fazit nach diesen Gesprächen ist, dass das System ineffizient ist, obwohl sehr viele Ressourcen mobilisiert werden. Die Mittel, die man sich gibt, kommen bei den Kindern nicht an“, so Sehovic vor der Sitzung im Gespräch mit dem „Wort“.
Ping-Pong und Papierkrieg
Das liege zum einen an den langwierigen und komplizierten Prozeduren (Stichwort Papierkrieg) und Diagnosen, aber zum anderen auch an den Kompetenzzentren, „die sich uneinig in Bezug auf die Zuständigkeit sind“(Stichwort Ping-Pong). „Kinder mit Förderbedarf erhalten plötzlich weniger Unterstützung, weil die Ressourcen anderswo gebraucht werden.“Das führe zu großem Frust bei Eltern und Lehrern. Auch habe er festgestellt, dass Eltern sich schlecht informiert fühlen. Weil es so lange dauert, würden Lehrer zum Teil auf einen Antrag verzichten und sich den Spießrutenlauf sparen.
Um die Situation zu verbessern, schlug Sehovic vor, die Ressourcen näher an die Schulen zu bringen. Darüber hinaus forderte der Grünen-Abgeordnete in einer Motion eine zentrale Datenbank, dank derer die Ressourcen auf transparente und effiziente Weise sowie bedarfsorientiert verteilt werden. Weiter soll die Regierung ein Konzept zur besseren Betreuung von Kindern ausarbeiten, deren Förderbedarf mehrere Kompetenzzentren betrifft und für eine bessere Information sorgen. Die Motion wurde einstimmig angenommen.
Die Redner waren sich einig in der Feststellung, dass alle Schüler die Unterstützung bekommen müssen, die sie brauchen, um ihr Potenzial zu entfalten. Einig war man sich aber auch, dass weitere Anstrengungen notwendig seien. So müssten einerseits mehr gut ausgebildete Fachkräfte rekrutiert und in den Schulen angesiedelt werden (Ben Polidori, Piraten). Schulische Inklusion stoße aber auch an Grenzen, „wenn andere Schüler und die Lehrer darunter leiden“(Nathalie Morgenthaler, CSV), und Bildung müsse „in Einzelfällen außerhalb der Regelschule“stattfinden (Francine Closener, LSAP).
2023 hat die Regierung ein Gesetz auf den Weg gebracht, das die Equipes de soutien des élèves à besoins éducatifs particuliers et spécifiques (ESEB) auch in den Sekundarschulen einführt. Damit verbunden ist die Schaffung einer neuen Verwaltung, der Service national de l’éducation inclusive (SNEI). Francine Closener äußerte Zweifel, dass eine weitere Verwaltung sowie das im Gesetz vorgesehene Comité de liaison für eine bessere Kommunikation und Vernetzung sorgen werden.
Fred Keup (ADR) forderte die Abschaffung langwieriger Prozeduren, eine bessere Ausbildung für Lehrer und die Bereitstellung von Ressourcen in den Schulen.
Bildungsminister Claude Meisch (DP) räumte ein, dass mehr Anstrengungen nötig seien, um dem Ziel einer besseren Inklusion näherzukommen. Wichtig sei eine bessere Vernetzung zwischen der formalen und non-formalen Bildung, digitale Prozesse und eine verstärkte Zusammenarbeit der Akteure. Darüber hinaus sollen die Kompetenzzentren regionale Antennen bekommen.
Meisch erinnerte daran, dass in der vergangenen Legislatur die Ressourcen um 65 Prozent gesteigert worden seien. In Sachen Bereitstellung von Ressourcen in den Schulen wies er darauf hin, dass in naher Zukunft sogenannte A-EBS (Assistenten) eingesetzt würden, um die Lehrer in den Schulen zu unterstützen.
Zudem soll eine Frist für Eingangsdiagnosen gesetzlich verankert werden. Bei der Vorstellung der Evaluierung vor einem Jahr war die Rede von vier Wochen, innerhalb derer Hilfe beim Kind ankommen muss. Die Uni Luxemburg arbeite derzeit an einer Evaluierung bezüglich der Wartezeiten. Diese sollen Meisch zufolge Ende 2024/Anfang 2025 vorgestellt werden.
: Kinder mit Förderbedarf erhalten plötzlich weniger Unterstützung, weil die Ressourcen woanders gebraucht werden. Meris Sehovic, Déi Gréng-Abgeordneter