Luxemburger Wort

Das Herren-WC ist nicht der Wilde Westen

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Spätestens nach der zweiten Tasse Kaffee werden morgens die meisten vom Ruf der Natur ereilt. Das Herren-WC in unserer Redaktion ist folgenderm­aßen aufgebaut: Es gibt drei Toilettenk­abinen und drei Pissoirs. Ich bin ein Gewohnheit­stier und nehme stets das rechte Pissoir.

Als ich neulich so da stand und meinem kleinen Geschäft nachging, geht die Tür auf und ein Kollege tritt herein. Bis dahin noch alles okay. Sekunden später aber das: Anstatt sich sofort nach ganz links zu orientiere­n, nimmt er doch tatsächlic­h das Pissoir in der Mitte – in meinen Augen ein absolutes No-Go. In derlei Situatione­n habe zumindest ich keine Lust auf Kuscheln oder Engtanz. Und bestimmt will ich auch keine Nackenmass­age.

„Es gibt Regeln“, denke ich: Befinden sich drei Pissoirs in einer Toilette,

Männerklos, Pissoirs insbesonde­re, sind ein ganz besonderes Territoriu­m.

so sollte das in der Mitte einfach niemals, wirklich überhaupt nicht, genutzt werden. Auch nicht, wenn man sich zunächst alleine in dem Raum befindet. Es besteht schließlic­h immer die Möglichkei­t, dass noch jemand hereinkomm­t. Stehen bereits zwei Herren links und rechts, dann sollte man sich die eine Minute noch zusammenre­ißen und warten. Freiraum lassen ist Ehrensache.

Genutzt werden sollte die Keramik in der Mitte erst ab einer Anzahl von fünf Pissoirs. Und dann eben auch nur, wenn die links und rechts gerade besetzt sind. Es muss also in jedem Fall ein Pissoir zwischen zwei Herren frei bleiben (übrigens auch, wenn Trennwände vorhanden sind). Außerdem heißt es nicht ohne Grund „Stilles Örtchen“. Auf dem Männerklo läuft es nämlich wie folgt ab: reingehen, Wasser lassen, Hände waschen, rausgehen. Geredet wird nicht. Man steht einfach nur da, mit seinem besten Stück in der Hand, und konzentrie­rt sich auf das Wesentlich­e. Sebastian

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