Die Karlskirche in Wien und andere Barockbauten
Das Wien Museum würdigt das Leben und Schaffen von Johann Bernhard Fischer von Erlach, österreichischer Meister der Barockarchitektur
Wer Wien und seine Sehenswürdigkeiten besucht, wird in den meisten Fällen auch einmal vor der Karlskirche stehen, die ohne Zweifel zu den bedeutendsten Bauwerken der Barockzeit in Österreich zählt. Dem Architekten dieses Sakralbaus ist jetzt gleich neben der Karlskirche, im Wien Museum, das sich nach einer totalen Umgestaltung in neuem Glanz präsentiert, fast 70 Jahre nach der letzten großen Gesamtschau wieder eine große Ausstellung gewidmet: „Fischer von Erlach – Entwurf einer historischen Architektur“. Besucher, die sich nicht nur die sehenswerte Dauerausstellung zur Geschichte Wiens, sondern auch diese Sonderausstellung im vierten Stockwerk anschauen, werden es nicht bereuen.
Gleich beim Eintritt zieht ein großes Modell die Blicke auf sich. Es handelt sich um die Salzburger Dreifaltigkeitskirche mit dem Priesterhaus, ein wichtiges Werk von Fischer von Erlach, das aber erst zu einem späteren Teil der Ausstellung gehört. Die in Kooperation mit dem Salzburg Museum entstandene Ausstellung umfasst insgesamt neun Kapitel und gibt dem ganzen Leben und Schaffen Fischers, aber auch seinem Umfeld breiten Raum – durch Modelle, Bilder, Skulpturen, Zeichnungen, Bücher, Dokumente und viele Tafeln mit informativen Texten. Empfehlenswert ist auch der Erwerb des im Salzburger Residenz Verlags erschienenen Katalogs „Johann Bernhard Fischer von Erlach“. Andreas Nierhaus, der Kurator der Ausstellung, und Peter Husty vom Salzburg Museum haben ihn herausgegeben, der Bildhauer und Fotograf Werner Feiersinger lieferte dazu die Bilder.
„Von Rom lernen“steht über dem ersten Kapitel. Johann Bernhard Fischer, am 20. Juli 1656 in Graz getauft, wurde zunächst in der Werkstatt seines Vaters, des Bildhauers Johann Baptist Fischer, zum Bildhauer ausgebildet. Um 1670 ging er bereits nach Rom, trat in das Atelier des Tiroler Malers und Architekten Philipp Schor ein und erlebte Jahre und Begegnungen, die ihn sehr prägten, in der ewigen Stadt. Besonders beeindruckte ihn das Werk des Bildhauers und Architekten Gian Lorenzo Bernini.
Im Umfeld der kunstsinnigen schwedischen Königin Christina lernte Fischer den Antiquar Giovanni Pietro Bellori und den jesuitischen Universalgelehrten Athanasius Kircher kennen, die vermutlich viel zu seinem Interesse an alten Meisterwerken der Baukunst beitrugen. Dokumentiert sind bildhauerische Arbeiten Fischers erstmals in Neapel, wo er für seinen ersten bekannten Auftraggeber, den spanischen Vizekönig Gaspar de Haro y Guzman, Marchese del Carpio, tätig war. Aus dieser Zeit stammen Fischers älteste Werke, Medaillen für König Karl II. von Spanien.
In Italien reifte Fischer vom Bildhauer zum Architekten. Als er 1686 nach Österreich zurückkehrte, hatte er wichtige Impulse für sein Schaffen und auch für sein späteres großes Buchwerk „Entwurff Einer Historischen Architectur“empfangen. In Wien war nach der Vertreibung der Osmanen, die 1683 die Stadt wochenlang belagert hatten, eine rege Bautätigkeit ausgebrochen, insbesondere die Errichtung von großzügigen Gartenanlagen. Johann Adam I. Andreas Fürst von Liechtenstein ließ damals einen Palast mit Garten in der Rossau bei Wien anlegen, entschied sich dabei aber letztlich gegen einen von Fischer eingereichten Entwurf. Nur das nicht mehr erhaltene Belvedere am Gartenende wurde nach Fischers Plänen begonnen, es gilt als Schlüssel zu Fischers Verständnis von Architektur: Der „Blick durch ein Tor“(so auch der Titel des zweiten Teils der Ausstellung) in die Landschaft wird als wirkungsvolles Bild inszeniert. Einen Blickfang der Ausstellung stellt übrigens das von diesem Fürsten von Liechtenstein in Auftrag gegebene und erst jüngst wiederentdeckte Gemälde „Bathseba im Bade“dar, ein Hauptwerk des bedeutenden italienischen Barockmalers Carlo Maratta.
Johann Bernhard Fischers Entwürfe zielten auf Bauten aus einfachen stereometrischen Körpern – Ovalzylinder, Würfel –, die wie Skulpturen frei im Raum stehen.
„Körper im Raum“ist das dritte Kapitel betitelt, das auf Fischers Erfolge beim Bau sommerlicher „Lustgartengebäude“Bezug nimmt. Seine originellen Entwürfe zielten auf Bauten aus einfachen stereometrischen Körpern – Ovalzylinder, Würfel –, die wie Skulpturen frei im Raum stehen. Dabei wurde meist ein im Grundriss ovaler, konvex vorgewölbter und erhöhter Mittelbau von niedrigeren und geraden Seitenflügeln umgeben, wobei ein Flachdach für mediterranes Flair sorgte. Auch die Parktore als Grenze zwischen der geordneten Welt des Gartens und der Außenwelt wurden von Fischer sorgfältig geplant.
Der Titel „Große Erwartungen“für den vierten Teil der Schau bezieht sich auf die Hoffnungen, die – auch von Fischer – mit dem Regierungsantritt von Kaiser Joseph I. im Jahr 1705 verbunden wurden. In diesem Jahr wurde Fischer zum Oberinspektor aller kaiserlichen Hof- und Lustgebäude ernannt, erhielt aber keine konkreten Aufträge, da der Spanische Erbfolgekrieg die Finanzen des Kaisers zu sehr beanspruchte. Joseph I. starb dann schon 1711 im 33. Lebensjahr. Fischer hatte bereits unter Kaiser Leopold I. als Bildhauer die Pestsäule auf dem Wiener Graben errichtet, ab 1689 als „Instructor“zur Bildung des Thronfolgers Joseph beigetragen und 1690 mit der neuartigen Errichtung zweier Ehrenpforten anlässlich des Einzugs Josephs in Wien nach der Krönung zum römisch-deutschen König große Beachtung gefunden. Schon 1689 dürfte der erste visionäre Entwurf für das kaiserliche Schloss Schönbrunn entstanden sein. Im Jahr 1696 begann Fischer mit dem Bau dieses Schlosses und wurde mit dem Prädikat „von Erlach“in den erblichen Adelsstand erhoben.
In Diensten des Erzbischofs von Salzburg
1690 heiratete Fischer die Regensburger Notarstochter Sophie Constantia Morgner. Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor, darunter der Sohn Joseph Emanuel (1693-1742), der ebenfalls Architekt wurde und später einige von seinem Vater unvollendet hinterlassene Bauprojekte fertigstellte. Eine 1705 nach dem Tod der Gattin geschlossene zweite Ehe mit der Witwe Francisca Sophia Willer endete für Fischer von Erlach enttäuschend, denn diese Frau verließ ihren alternden Ehemann, der sie daraufhin in seinem Testament enterbte.
„Die Salzburger Gelegenheit“– das fünfte Kapitel der Ausstellung – bot sich 1693, als Fischer in die Dienste des Erzbischofs von Salzburg, Johann Ernst Graf von Thun-Hohenstein, trat, der ihm mehrere große Aufträge erteilte. Fischer plante und baute in den folgenden Jahren fünf durchaus unterschiedliche Gotteshäuser. Die Wallfahrtskirche in St. Martin bei Lofer fiel relativ bescheiden aus, in der Stadt Salzburg entstanden die an römischen Vorbildern orientierte Dreifaltigkeitskirche mit dem Priesterhaus, die Johannesspitalskirche mit einem unkonventionellen Innenraum, die Ursulinenkirche, ein Zentralbau mit vier sehr kurzen Kreuzarmen, und schließlich die Kollegienkirche. Mit ihrer konvexen Doppelturmfassade, dem steil proportionierten, strahlend weißen Innenraum und dem in himmlische Sphären überleitenden Altarraum stellt die Kollegienkirche einen einzigartigen Barockbau dar. Fischers letztes Salzburger Projekt, Schloss Kleßheim, wurde nach dem Tod von Erzbischof Johann Ernst nicht fertiggestellt, dessen Nachfolger hatte keine Aufträge mehr für Fischer von Erlach.
Der bahnbrechende Versuch einer Weltgeschichte der Baukunst in Bildern, an der er zwei Jahrzehnte arbeitete, gehört neben seiner Tätigkeit als Architekt zu den größten Leistungen des Johann Bernhard Fischer von Erlach. 1721 erschien sein fünfbändiger „Entwurff Einer Historischen Architectur“, ein großformatiges Werk mit Stichen nach Zeichnungen Fischers und Erläuterungen in deutscher und französischer Sprache. Es folgten mehrere Neuausgaben, darunter 1730 und 1737 auch in Englisch, Fischer wurde international berühmt. „Die Welt im Blick“steht völlig zu Recht über diesem sechsten Kapitel der Ausstellung. Fischer spannt den Bogen vom Salomonischen Tempel über Moscheen und Brücken bis zu seinen eigenen Bauwerken, kennt keine Arroganz gegenüber fremden Kulturen und präsentiert türkische, arabische, persische und ostasiatische Bauten gleichrangig neben den Monumenten der Antike. Er versucht mit Hilfe zahlreicher Quellen, auch längst Zerstörtes und Verlorenes authentisch zu beschreiben oder zu rekonstruieren.
Wien, das „neue Rom“
„Feine Unterschiede“, der achte Abschnitt der Schau, geht auf Fischers Palastbauten ein. Nicht der Kaiser, sondern der Adel dominierte im barocken Wien im Bereich der bildenden Kunst. Fischers Bauten dokumentieren sein Interesse an der Integration von Skulptur in die Architektur, sie zeichnen sich durch unkonventionelle Fassaden und reichen figürlichen Schmuck aus, mächtige Atlanten tragen oft die Portalarchitektur oder das Stiegenhaus. Markante Beispiele dieser Bautätigkeit sind in Wien das Palais Strattmann, das Winterpalais des Prinzen Eugen von Savoyen – heute Sitz des Finanzministeriums der Republik Österreich –, das Palais Batthyány-Schönborn, das Portal des Palais Dietrichstein-Lobkowitz, in dem jetzt das Österreichische Theatermuseum untergebracht ist, die Böhmische Hofkanzlei und das Palais Trautson sowie in Prag das Palais ClamGallas.
„Das neue Rom“und „Die Auflösung des Karlsplatzes“sind die Titel der abschließenden Teile der Ausstellung. Nach Kaiser Josephs I. frühem Tod empfahl sich Fischer 1712 dessen Nachfolger Karl VI., indem er ihm das Manuskript seines „Entwurffs Einer Historischen Architectur“widmete. Der neue Monarch verstand die Förderung der Kunst als Mittel der Politik und konnte sich, da die Habsburger seit Jahrhunderten die Kaiserwürde innehatten, mit den antiken Cäsaren vergleichen.
Dass Wien als das „neue Rom“bezeichnet wurde, fand auch in Fischer von Erlachs letzten Projekten, die er im Auftrag des Kaisers in Angriff nahm, Ausdruck. Er konnte sie nicht mehr abschließen, denn nach „langabsiechender Krankheit“starb er am 5. April 1723 im Alter von 66 Jahren in Wien. Die Hofstallungen nehmen Bezug auf Fischers Rekonstruktion des Goldenen Hauses von Kaiser Nero, der Prunksaal der Hofbibliothek erinnert an römische Kuppelbauten. Die zum Dank für das Ende der Pest in Auftrag gegebene Karlskirche, von seinem Sohn vollendet und 1737 eingeweiht, weist neben vielen Bezügen zu religiösen Bauten anderer Kulturkreise an der Frontseite römische Triumphsäulen auf.
Die Karlskirche, Fischer von Erlachs einzigartiges Meisterwerk, stand einst als solitärer Blickfang am Rande des Glacis außerhalb der Stadt. Da sich ihre Umgebung seither stark verändert hat, wirkt sie heute wie ein Fremdkörper. Die optimale Gestaltung des Karlsplatzes, ein ständiges Diskussionsthema der Wiener Stadtplaner, wurde durch den Umbau des Wien Museums in direkter Nachbarschaft zur Kirche wieder aktualisiert. Am Ende der Ausstellung wird die Forderung formuliert: „Die Lösung sollte der Qualität und Radikalität dieser Ikone der europäischen Architektur gerecht werden.“
In Italien reifte Fischer vom Bildhauer zum Architekten
Fischer von Erlach. Entwurf einer historischen Architektur im Wien Museum, Karlsplatz 8, 1040 Wien, bis 28. April 2024. www.wienmuseum.at