Frans Hals und die Stadt seines Wirkens
Besuch in Haarlem, der Stadt des holländischen Meisters, Hierhin floh der Antwerpener mit seinen Eltern zwei Jahre nach seiner Geburt
Wer die Frans Hals-Ausstellung im Amsterdamer Rijksmuseum besuchen möchte, kann dies wunderbar mit einem Besuch in Haarlem, der Stadt des holländischen Meisters, verbinden. Denn hierhin floh der Antwerpener mit seinen Eltern zwei Jahre nach seiner Geburt (1582 oder 1583) aus religiösen und ökonomischen Gründen, so wie es viele Flamen in jener Zeit taten. Und hier, nur 15 Zugminuten nordwestlich von Amsterdam, steht das Museum, das seinen Namen trägt. Natürlich hat auch das Frans Hals Museum eigene Werke zur Ausstellung beigesteuert, schließlich beherbergt es die weltweit größte Sammlung des Barockmalers. Zu den vier Gemälden, die die Reise ins benachbarte Amsterdam antraten, gehört das großformatige „Festmahl der Offiziere der St.-Georg-Schützengilde“, Hals‘ frühestes Miliztableau aus dem Jahr 1616, das zum ersten Mal überhaupt ausgeliehen wurde. Es zeigt die Offiziere der Gilde, vornehm gekleidete, ehrenwerte Männer, die sich um einen Tisch mit Speisen versammelt haben. Teils blicken sie auf den Künstler, teils agieren sie – als Individuen einer Gruppe – miteinander, was dem Bild die für Hals typische Dynamik verleiht.
Großer Fan Max Liebermann
Haarlem, die Stadt, in der Frans Hals aufwuchs, lebte und in der St.-Bavo-Kirche begraben liegt, stellte die monströsen Gruppenporträts der Schützengilden und der Regenten des Armenhauses im 19. Jahrhundert jahrzehntelang im großen Grafensaal aus. Weitere Gemälde wurden auf dem Dachboden des Hauses aufbewahrt. Künstler wie Courbet, Manet, Monet oder Van Gogh pilgerten hierher, um den Vorläufer des Impressionismus zu studieren.
Auch Max Liebermann, der viele Sommer im nahen Seebad Zandvoort verbrachte, schwärmte von Hals‘ virtuosem Pinselstrich, den er immer wieder zu kopieren versuchte, unter anderem am Beispiel der vollbusigen „Bohémienne“von 1632: „Warum gefällt uns ein Porträt von Frans Hals so gut?“, fragte er einmal in einem Brief, um die Antwort gleich selbst zu geben: „Weil es uns überzeugt. Und warum überzeugt es uns? Weil es lebt.“Das wollte auch der amerikanische Maler James Abbott McNeill Whistler wissen. Bei seinem Besuch stieg er gar auf einen Stuhl, um, darauf stehend, die oberen Partien der „Regentinnen des Altmännerheims“genauer zu betrachten, die aktuell an das Rijksmuseum verliehen wurden.
Heute sind die Gemälde im 1913 eröffneten Frans Hals Museum zu sehen, einem ehemaligen Altmännerhaus aus dem 17. Jahrhundert in der „Groot Heiligland“, eben jener kopfstein
gepflasterten Straße, in der der Vater von 14 Kindern mit seiner Familie wohnte. Aus dieser weltweit größten Sammlung sind derzeit 17 Gemälde „on display“, wie die Leiterin der Sammlung, Marrigje Rikken, beim Rundgang erzählt. Zum Beispiel das kleinste Werk von Frans Hals, das den Haarlemer Schriftsteller und Rektor der Lateinschule Theodorus Schrevelius zum Motiv hat. Oder das Abbild von Jacobus Zaffius aus dem Jahr 1611, das als das früheste Porträt von Frans Hals gilt. Zaffius war der höchste Würdenträger der katholischen Kirche in Haarlem, nachdem der Bischof 1578 als Viehtreiber verkleidet aus der Stadt fliehen musste. Im protestantischen Haarlem konnte er sein Amt noch ausüben, aber nicht mehr in „seiner“St.-BavoKirche, die damals von den Protestanten übernommen worden war. Das Porträt zeigt bereits den lockeren Malstil, für den Hals später berühmt werden sollte. Hals selbst war übrigens von Geburt an katholisch, trat aber mit 70 Jahren der reformierten Kirche bei.
Einziges Selbstportrait
Ein weiteres monumentales Gruppenbild der Schützengilde St. Georg, der Hals seit 1612 angehörte, ist hier zu sehen. Die Bewegung, für die Hals berühmt ist, kommt hier vor allem in den Waffen und Fahnen der Schützen zum Ausdruck. Einer von ihnen ist der Meister selbst, was dieses Bild von 1639 so besonders macht, denn es gibt sonst kein Selbstbildnis von ihm. Obwohl Hals kein Offizier der Gilde war, durfte er als angesehener Künstler, der bereits 1618 als „Konterfeier von Haarlem“bekannt war, weil er zu 80 Prozent Porträts – und diese zumeist im Auftrag – malte, Mitglied der Gilde sein. Doch wer meint, es sei der mit dem auffallend gelben Rock in der Bildmitte, der mit dem weißen Kragen, der weißer ist als der der anderen, den roten Wangen, die röter sind als die der anderen, und der Schärpe, die blauer ist als die der anderen – der irrt. Hals ist der unscheinbare Zweite oben links in der zweiten Reihe, der dem Betrachter unvermittelt in die Augen schaut. Nur sein Gesicht ist zu sehen. Ist es Verlegenheit oder gar Bescheidenheit, die ihn in den Hintergrund gedrängt hat? Kaum zu glauben, galt der Künstler doch als Lebemann, der mit seinem Geld nicht haushalten konnte. Am Ende reichte es nicht einmal mehr für einen
Grabstein, weshalb er im September 1666 im Grab der Familie seiner ersten Frau Anneke beigesetzt wurde. Erst im August 2021 erhielt der große Sohn der Stadt eine eigene Gedenktafel.
Frans Hals Museum, Groot Heiligland 62, Haarlem. Neben Werken von Hals sind auch solche seiner Zeitgenossen zu sehen, u. a. von seiner Schülerin Judith Leyster. Außerdem in der Sammlung: Arbeiten von Piet Mondrian, Charley Toorop und Rineke Dijkstra, grob von 1880 bis heute. www.franshalsmuseum.nl