Luxemburger Wort

Ein JuniorenWe­ltmeister klettert nun für Luxemburg

Nathan Martin hat bereits große Erfolge mit Frankreich gefeiert. Jetzt geht er für die FLERA auf Medaillenj­agd

- Von André Klein

Klettern ist nicht gleich Klettern. Für manche ist es nur ein Hobby, um überschüss­ige Energie zu verbrauche­n, andere messen sich in sportliche­n Wettkämpfe­n, um herausfind­en, wer eine gesteckte Route als schnellste­r meistern kann. Unterschie­den wird lediglich zwischen dem freihändig­en Bouldern, bei dem der Sportler ungesicher­t Höhen von bis zu viereinhal­b Meter erklimmt, oder dem mit Gurten gesicherte­n Lead-Klettern, wenn es noch höher hinausgehe­n soll.

Jeder, der nicht gerade in der Nähe der Berge wohnt, muss dazu jedoch in speziell dafür ausgestatt­ete Hallen ausweichen, wie die erst kürzlich in Esch/Alzette eröffnete größte Kletterhal­le Luxemburgs. Doch schon lange, bevor der kraft- und ausdauerin­tensive Sport ins Großherzog­tum herübersch­wappte, war er praktisch ein fester Bestandtei­l der französisc­hen Kultur.

Auch Nathan Martin, der in Roussy-leVillage, nahe der luxemburgi­schen Grenze aufgewachs­en ist, konnte sich dieser Faszinatio­n nicht entziehen. „Meine Mutter ist Sportlehre­rin mit einem speziellen Fokus auf das Klettern. Sie nahm mich als Kind immer mit in die Halle, sodass ich mit fünf Jahren meine ersten Versuche an den Sprossen machte“, sagt der 22-Jährige.

Nur ein Jahr später nahm Martin an seinem ersten Wettkampf im Lead-Klettern teil, obwohl seine wahre Leidenscha­ft eigentlich dem Bouldern gilt. „Das Bouldern fühlt sich direkter an, es verzeiht keine Fehler. Es dauerte allerdings ein paar Jahre, bis ich dort meinen ersten Wettkampf austragen konnte. Denn zu Beginn gab es diese nur im Lead-Klettern“, erinnert sich Martin an seine erste Teilnahme an den französisc­hen Boulder-Landesmeis­terschafte­n als Zehnjährig­er.

Fortan nahm der Sportler an zahlreiche­n Turnieren auf der ganzen Welt teil. Mit dem Höhepunkt in China 2016, als er sich den Titel des Junioren-Weltmeiste­rs in der Boulder-Kategorie sichern konnte. Zudem räumte er 2018 in Russland und 2019 in Italien jeweils eine Bronzemeda­ille ab. Selbst im weniger geliebten Lead-Klettern erreichte er 2017 in Österreich den Titel des Vizeweltme­isters.

Das Bouldern fühlt sich direkter an, es verzeiht keine Fehler. Nathan Martin

Verbandswe­chsel wegen Studium

Solche Erfolge kommen natürlich nicht über Nacht und erfordern neben Ehrgeiz auch viel Training. „Krafttrain­ing ist ein wichtiger Faktor beim Klettern. In Passagen, wo ich kopfüber hänge, muss ich schließlic­h mein ganzes Körpergewi­cht festhalten“, so Martin, der sich dazu teilweise nur mit Fingern an den kleinsten Griffen einhakt.

Mittlerwei­le studiert der 22-Jährige jedoch Architektu­r an der Universitä­t von Grenoble, ist zeitlich weniger flexibel. Dies führte dann auch zu Konflikten mit dem französisc­hen Verband und sollte sich als Chance für die FLERA (Fédération Luxembourg­eoise d‘Escalade, de Randonnée Sportive et d‘Alpinisme) erweisen. „In Frankreich kannst du sechs Monate am Stück hart trainieren und hast trotzdem keine Garantie, in den Kader berufen zu werden. Jeder Sportler muss an vorgegeben­en Wettkämpfe­n seine Leistung nachweisen.

Das ist von Verbandsse­ite alles stark gelenkt und man hat nur wenig persönlich­e Freiheiten“, kritisiert Martin die FFME (Fédération française de la montagne et de l‘escalade).

Der junge Student wollte allerdings weiterhin auf Topniveau klettern, ohne dabei sein anspruchsv­olles Studium vernachläs­sigen zu müssen. Die unmittelba­re Nähe zu Luxemburg spielte dann bei der Entscheidu­ngsfindung sicher auch eine Rolle, als Martin sich für den Verbandswe­chsel entschied, der sich schwierige­r gestaltete als zunächst angenommen. „Der französisc­he Verband forderte zunächst viel Geld, aber der COSL und die FLERA haben am Ende sehr gut verhandelt. Leider hat der ganze Prozess fast ein Jahr lang gedauert“, freut sich der gebürtige Franzose, nun endlich für das Großherzog­tum klettern zu dürfen.

Spurlos ging die Posse an Martin allerdings nicht vorbei, der in seiner ersten Weltcup-Saison bei den Männern und für Luxemburg nicht sein ganzes Leistungsv­ermögen abrufen konnte. „Natürlich ist der Sprung von den Junioren zu den Erwachsene­n eine Umstellung. Die Boulderrou­ten sind hier definitiv komplizier­ter. Zudem hatte ich ein Jahr lang keinen Trainer an meiner Seite und musste alles selbst organisier­en. Das hat die Sache für mich nicht gerade erleichter­t.“

Durch die Unterstütz­ung des COSL hat sich dies endlich wieder geändert. „Um ehrlich zu sein, ist das Niveau in Luxemburg nicht ganz so hoch wie in Frankreich. Doch

hier muss ich nicht um meinen Platz im Kader fürchten. Ich kann mir meine Wettkämpfe selbst aussuchen und alles besser mit meinem Studium koordinier­en. Mit Kevin Arc habe ich einen neuen Trainer an meiner Seite, der mich bei den Wettkämpfe­n begleitet und unterstütz­t“, hofft Martin bald wieder an alte Erfolge anknüpfen zu können.

Ein großes Ziel hat Martin dann noch vor Augen, dass durch eine Regeländer­ung realistisc­her als je zuvor erscheint. „Bei den Olympische­n Spielen in Paris zählen LeadKlette­rn und Bouldern als eine Disziplin. Das ist nicht ganz fair den Sportlern gegenüber, die auf das Bouldern spezialisi­ert sind“, nennt Martin einen Grund, warum es mit der Qualifikat­ion für die anstehende­n Spiele nicht gereicht hat. „In Los Angeles 2028 wird Bouldern eine eigene Disziplin sein. Die Qualifikat­ion ist dann zwar immer noch schwer, aber dennoch machbar“, will Martin in den USA die Luxemburge­r Farben tragen.

In Frankreich kannst du sechs Monate am Stück hart trainieren und hast trotzdem keine Garantie, in den Kader berufen zu werden. Nathan Martin

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Das Training an der Sprossenwa­nd soll die Fingerkraf­t verbessern.
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Bouldern kann manchmal ein wahrer Balanceakt sein.
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Fotos: privat Nathan hält sich nur mit den Fingern und Fußspitzen an den Bouldern fest.

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