Ein JuniorenWeltmeister klettert nun für Luxemburg
Nathan Martin hat bereits große Erfolge mit Frankreich gefeiert. Jetzt geht er für die FLERA auf Medaillenjagd
Klettern ist nicht gleich Klettern. Für manche ist es nur ein Hobby, um überschüssige Energie zu verbrauchen, andere messen sich in sportlichen Wettkämpfen, um herausfinden, wer eine gesteckte Route als schnellster meistern kann. Unterschieden wird lediglich zwischen dem freihändigen Bouldern, bei dem der Sportler ungesichert Höhen von bis zu viereinhalb Meter erklimmt, oder dem mit Gurten gesicherten Lead-Klettern, wenn es noch höher hinausgehen soll.
Jeder, der nicht gerade in der Nähe der Berge wohnt, muss dazu jedoch in speziell dafür ausgestattete Hallen ausweichen, wie die erst kürzlich in Esch/Alzette eröffnete größte Kletterhalle Luxemburgs. Doch schon lange, bevor der kraft- und ausdauerintensive Sport ins Großherzogtum herüberschwappte, war er praktisch ein fester Bestandteil der französischen Kultur.
Auch Nathan Martin, der in Roussy-leVillage, nahe der luxemburgischen Grenze aufgewachsen ist, konnte sich dieser Faszination nicht entziehen. „Meine Mutter ist Sportlehrerin mit einem speziellen Fokus auf das Klettern. Sie nahm mich als Kind immer mit in die Halle, sodass ich mit fünf Jahren meine ersten Versuche an den Sprossen machte“, sagt der 22-Jährige.
Nur ein Jahr später nahm Martin an seinem ersten Wettkampf im Lead-Klettern teil, obwohl seine wahre Leidenschaft eigentlich dem Bouldern gilt. „Das Bouldern fühlt sich direkter an, es verzeiht keine Fehler. Es dauerte allerdings ein paar Jahre, bis ich dort meinen ersten Wettkampf austragen konnte. Denn zu Beginn gab es diese nur im Lead-Klettern“, erinnert sich Martin an seine erste Teilnahme an den französischen Boulder-Landesmeisterschaften als Zehnjähriger.
Fortan nahm der Sportler an zahlreichen Turnieren auf der ganzen Welt teil. Mit dem Höhepunkt in China 2016, als er sich den Titel des Junioren-Weltmeisters in der Boulder-Kategorie sichern konnte. Zudem räumte er 2018 in Russland und 2019 in Italien jeweils eine Bronzemedaille ab. Selbst im weniger geliebten Lead-Klettern erreichte er 2017 in Österreich den Titel des Vizeweltmeisters.
Das Bouldern fühlt sich direkter an, es verzeiht keine Fehler. Nathan Martin
Verbandswechsel wegen Studium
Solche Erfolge kommen natürlich nicht über Nacht und erfordern neben Ehrgeiz auch viel Training. „Krafttraining ist ein wichtiger Faktor beim Klettern. In Passagen, wo ich kopfüber hänge, muss ich schließlich mein ganzes Körpergewicht festhalten“, so Martin, der sich dazu teilweise nur mit Fingern an den kleinsten Griffen einhakt.
Mittlerweile studiert der 22-Jährige jedoch Architektur an der Universität von Grenoble, ist zeitlich weniger flexibel. Dies führte dann auch zu Konflikten mit dem französischen Verband und sollte sich als Chance für die FLERA (Fédération Luxembourgeoise d‘Escalade, de Randonnée Sportive et d‘Alpinisme) erweisen. „In Frankreich kannst du sechs Monate am Stück hart trainieren und hast trotzdem keine Garantie, in den Kader berufen zu werden. Jeder Sportler muss an vorgegebenen Wettkämpfen seine Leistung nachweisen.
Das ist von Verbandsseite alles stark gelenkt und man hat nur wenig persönliche Freiheiten“, kritisiert Martin die FFME (Fédération française de la montagne et de l‘escalade).
Der junge Student wollte allerdings weiterhin auf Topniveau klettern, ohne dabei sein anspruchsvolles Studium vernachlässigen zu müssen. Die unmittelbare Nähe zu Luxemburg spielte dann bei der Entscheidungsfindung sicher auch eine Rolle, als Martin sich für den Verbandswechsel entschied, der sich schwieriger gestaltete als zunächst angenommen. „Der französische Verband forderte zunächst viel Geld, aber der COSL und die FLERA haben am Ende sehr gut verhandelt. Leider hat der ganze Prozess fast ein Jahr lang gedauert“, freut sich der gebürtige Franzose, nun endlich für das Großherzogtum klettern zu dürfen.
Spurlos ging die Posse an Martin allerdings nicht vorbei, der in seiner ersten Weltcup-Saison bei den Männern und für Luxemburg nicht sein ganzes Leistungsvermögen abrufen konnte. „Natürlich ist der Sprung von den Junioren zu den Erwachsenen eine Umstellung. Die Boulderrouten sind hier definitiv komplizierter. Zudem hatte ich ein Jahr lang keinen Trainer an meiner Seite und musste alles selbst organisieren. Das hat die Sache für mich nicht gerade erleichtert.“
Durch die Unterstützung des COSL hat sich dies endlich wieder geändert. „Um ehrlich zu sein, ist das Niveau in Luxemburg nicht ganz so hoch wie in Frankreich. Doch
hier muss ich nicht um meinen Platz im Kader fürchten. Ich kann mir meine Wettkämpfe selbst aussuchen und alles besser mit meinem Studium koordinieren. Mit Kevin Arc habe ich einen neuen Trainer an meiner Seite, der mich bei den Wettkämpfen begleitet und unterstützt“, hofft Martin bald wieder an alte Erfolge anknüpfen zu können.
Ein großes Ziel hat Martin dann noch vor Augen, dass durch eine Regeländerung realistischer als je zuvor erscheint. „Bei den Olympischen Spielen in Paris zählen LeadKlettern und Bouldern als eine Disziplin. Das ist nicht ganz fair den Sportlern gegenüber, die auf das Bouldern spezialisiert sind“, nennt Martin einen Grund, warum es mit der Qualifikation für die anstehenden Spiele nicht gereicht hat. „In Los Angeles 2028 wird Bouldern eine eigene Disziplin sein. Die Qualifikation ist dann zwar immer noch schwer, aber dennoch machbar“, will Martin in den USA die Luxemburger Farben tragen.
In Frankreich kannst du sechs Monate am Stück hart trainieren und hast trotzdem keine Garantie, in den Kader berufen zu werden. Nathan Martin