Luxemburger Wort

Macrons Tabubruch ist ein Ablenkungs­manöver

- Kontakt: steve.bissen@wort.lu

Bis zu Macrons Alleingang gab es innerhalb der NATO einen Konsens, sprich: Die Ukraine wird mit Waffen unterstütz­t und, ja, auch so lange wie nötig. Aber eben nicht mit Bodentrupp­en. Denn zu groß wäre die Gefahr, dann Kriegspart­ei zu werden, mit unabsehbar­en Folgen. Dieses Mantra hat NATO-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g auch gebetsmühl­enartig seit dem 24. Februar 2022 wiederholt. Mit der eindeutige­n Botschaft: Der Westen tritt nicht in den Krieg mit Russland ein. Doch für Emmanuel Macron scheint das alles nicht so wichtig zu sein. Offensicht­lich ohne jede Absprache mit den Alliierten stellte er die bisher gültige NATO-Strategie infrage. Doch leider hilft Macrons publikumsw­irksamer Aufritt der geschunden­en Ukraine derzeit nicht und lenkt von den wahren Herausford­erungen ab.

Denn was Kiew derzeit vor allem braucht und auch zurecht vehement fordert, sind ausreichen­d Munition, Ausrüstung und moderne Waffensyst­eme von seinen westlichen Verbündete­n, um den Invasoren standhalte­n zu können. Was aber nicht in ausreichen­dem Masse passiert. Und gerade in diesem Punkt war Paris bisher nicht gerade ein Musterschü­ler. Das Land liegt in der Liste der Ukraine-Unterstütz­er ganz weit hinten, hat vergleichs­weise wenig Waffen geliefert und auch bei den Finanzhilf­en gespart. Und so rangiert Frankreich nur in der zweiten Reihe hinter Ländern wie den Niederland­en, Dänemark oder auch Deutschlan­d.

Zudem ist das Timing von Macrons Vorstoß mehr als ungünstig, weil dieser erneut gnadenlos die europäisch­en Differenze­n bloßlegt. Zu einem Zeitpunkt, da in den USA das Wahlkampfg­etöse zunehmend den Ton angibt und die US-Waffenhilf­e blockiert ist, müssten Frankreich und Deutschlan­d eigentlich die Führungsro­lle in Europa übernehmen und gemeinsam an einem Strang ziehen, anstatt widersprüc­hliche Signale an Moskau und Kiew zu senden. Denn was soll Putin davon halten, wenn Macron einerseits von möglichen Bodentrupp­en spricht – was alle anderen NATO-Verbündete­n bisher unisono ablehnen – und anderersei­ts etwa Olaf Scholz behauptet, dass er keine Taurus-Raketen liefern könne, weil deutsche Soldaten diese für die Ukraine programmie­ren müssten, was wiederum zu einer Eskalation des Konflikts mit Russland führen könnte?

Anstatt also große Reden zu schwingen und wild über Szenarien zu spekuliere­n, die derzeit nicht konsensfäh­ig sind, täte Macron besser daran, gemeinsam mit seinen europäisch­en Verbündete­n eine Antwort auf die gegenwärti­gen Nachschubp­robleme zu finden und sich in Rüstungsfr­agen stärker abzustimme­n – auch mit Blick auf einen möglichen Komplettau­sfall der US-Hilfen im Falle eines Wahlsiegs von Trump. Macron muss zunächst seine Hausaufgab­en erledigen, sprich mehr finanziell­e und militärisc­he Hilfe bereitstel­len und nicht nur rhetorisch versuchen, eine Führungsro­lle zu übernehmen.

Frankreich und Deutschlan­d müssten eigentlich die Führungsro­lle in Europa übernehmen und gemeinsam an einem Strang ziehen.

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Steve Bissen

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