Luxemburger Wort

Wie sich Nordkorea auf einen „neuen Kalten Krieg“vorbereite­t

Erstmals seit der Pandemie sind deutsche Diplomaten ins Land gereist. Doch das Kim-Regime bricht immer mehr Brücken in den Westen ab

- Von Fabian Kretschmer

Am Donnerstag ist die deutsche Delegation wieder nach China zurückgeke­hrt. Zuvor waren sie zu Besuch in Nordkorea, als mutmaßlich erste europäisch­e Vertreter seit über vier Jahren. Dort haben sie eine „technische Inspektion­sreise“vollzogen, wie es aus dem Auswärtige­n Amt heißt. Ob die jahrelang verwaiste Botschaft nun bald wiederbese­tzt werden kann, bleibt allerdings fraglich. Mutmaßlich müssen nicht nur Mietrückst­ände bezahlt werden, sondern die Räumlichke­iten auch auf Abhörgerät­e untersucht werden.

Immerhin gibt es nun erste Anzeichen, dass sich das hermetisch abgeriegel­te Regime allmählich öffnet. Dabei zeigt sich jedoch deutlich, dass das Land seine Pforten – mehr noch als bereits in der Vergangenh­eit – nur einigen auserlesen­en Besuchern auftut.

Die Prioritäte­n lassen dabei tief blicken: Am 9. Februar landeten die ersten Touristen am Flughafen von Pjöngjang. Auf Fotos ist zu sehen, wie die 97-köpfige Reisegrupp­e in knalligen Daunenjack­en und stylischen Sonnenbril­len die nordkorean­ische Hauptstadt erkundet. Die ausschließ­lich russischen Gäste haben einen viertägige­n Trip absolviert, der sie unter anderem auch in das vor zehn Jahren eröffnete Masik-Ryong-Skigebiet geführt hat.

NGOs ohne Gestaltung­sspielraum

Doch die Eindrücke der Teilnehmer fielen ziemlich gemischt aus. „Meiner Meinung nach ist die Besichtigu­ng zahlreiche­r Denkmäler uninteress­ant für einen Menschen, der aus dem postsowjet­ischen Raum stammt“, meint die Russin Yulia Meshkova. Auf Instagram schreibt sie ihr enttäuscht­es Fazit der Reise: „Insgesamt gibt es in dem Land keinen Kommunismu­s, sondern eine absolute Monarchie mit einer totalitäre­n Diktatur“. Dementspre­chend werde sie Nordkorea – aus moralische­n Gründen – nicht wieder besuchen, schreibt sie. Es mag längst überfällig erscheinen, dass Nordkorea wieder Touristen ins Land lässt. Dennoch ist ernüchtern­d, wen Machthaber Kim Jong-un außen vor lässt. Denn bis zum heutigen Tage konnten sämtliche internatio­nalen Hilfsorgan­isationen und NGOs seit Jahren keinen einzigen Mitarbeite­r mehr nach Pjöngjang entsenden. „Wir fordern unsere Regierungs­partner in der Demokratis­chen Volksrepub­lik Korea weiterhin dringend auf, die schnellstm­ögliche Rückkehr unserer internatio­nalen Mitarbeite­r zu ermögliche­n“, heißt es von einer Sprecherin des Kinderhilf­swerks der Vereinten Nationen (Unicef).

Organisati­onen wie die Unicef oder die deutsche Welthunger­hilfe befinden sich in einer besonders prekären Situation. Denn sie müssen weiter administra­tive Kosten

und Büromieten zahlen, um ihre Präsenz im Land nicht vollständi­g zu verlieren. Und gleichzeit­ig können sie lediglich über Zoom-Gespräche Kontakt zu Lokalkräft­en halten, nicht jedoch selbst Projekte vor Ort evaluieren – geschweige denn überprüfen, wie hoch der Bedarf an humanitäre­r Hilfe tatsächlic­h ist.

Kritiker glauben, dass dies der neue Normalzust­and ist: Kim Jongun möchte künftig weder westliche Touristen, noch NGO-Mitarbeite­r oder neugierige Journalist­en ins Land lassen, sondern ausschließ­lich Vertreter aus freundlich gestimmten Nationen. Denn das Regime achtet den Austausch als ideologisc­he Gefahr für die eigene Bevölkerun­g.

Die möglichen Beweggründ­e für die zunehmende Isolation hat der langjährig­e Nordkorea-Experte Rüdiger Frank in einem Essay für das Fachmagazi­n „38 North“unter dem Begriff „De-Risking“zusammenge­fasst – also Risikomind­erung. Während China und Russland nämlich zunehmend wirtschaft­liche Möglichkei­ten bieten, sind dadurch die Anreize für Pjöngjang deutlich gesunken, sich auch mit dem Rest der Welt zu engagieren.

Dementspre­chend, so argumentie­rt der Leiter des Instituts für Ostasienwi­ssenschaft­en an der Universitä­t Wien, hat die Parteiführ­ung in Pjöngjang viele Öffnungsma­ßnahmen nun wieder zurückgeno­mmen – etwa die diplomatis­chen Vertretung­en im Ausland deutlich reduziert, darunter auch in Spanien.

Das hermetisch­e abgeriegel­te Königreich, wie Nordkorea oft genannt wird, ist nach einer kurzen, zaghaften Öffnungsph­ase also wieder isolierter geworden. Denn die Welt bewege sich aus Sicht Pjöngjangs wieder auf einen „neuen Kalten Krieg“zu, wie Machthaber Kim Jong-un bei der Obersten Volksversa­mmlung im Vorjahr selbst gesagt hat.

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Foto: AFP Der nordkorean­ische Machthaber Kim Jong-un wendet sich stärker Russland und China zu.

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