Luxemburger Wort

Rülpsen für eine bessere Welt

Der sozialkrit­ische Amateurfil­m „E rosa Repser“hat in der Scoutsszen­e bis heute Kultstatus. Vor rund 40 Jahren kam er mit Themen ins Kino, die aktueller kaum sein könnten

- Von Luc Ewen

Jesus schlägt beim Abendmahl mit der Faust auf den Tisch. Es folgt ein Fußballspi­el zwischen den Aposteln und den damaligen Rover (18- bis 23-Jährige) der Beggener Pfadfinder, bei dem es an symbolträc­htigen Szenen nur so wimmelt. Judas schießt ein Selbsttor, während Münzen auf das Spielfeld kullern. Schiedsric­hter Moses, der streng nach den Zehn Geboten pfeift, zeigt die rote Karte. Die Pfadfinder haben ihre „Bonne-Aktion“(B. A.)-Kappe auf und verbringen ihre tägliche gute Tat, indem sie Judas, seinen Verfehlung­en zum Trotz, zurück ins Spiel bringen. Der so Geläuterte schießt noch einmal den Ball ins Tor, diesmal in das richtige, das seiner Helfer, der Pfadfinder.

Am Ende tauschen Jünger und Scouten ihre Trikots und die Pfadfinder ziehen hinaus in die Welt, um die Frohe Botschaft im ursprüngli­chen Sinne zu verbreiten und um neue Bewegung in die katholisch­e Kirche zu bringen.

Was nach Scoutsthea­ter klingt, war von 1982 bis 1985 ein für damalige technische Verhältnis­se, aufwendige­s Amateurpro­jekt. Das Resultat: Ein Kinofilm aus den Pionierjah­ren des Luxemburge­r Films, der es damals sogar in einige Kinosäle schaffte und mehrere Preise einheimste. 1984, also vor 40 Jahren, wurden die Dreharbeit­en abgeschlos­sen. Am 2. März 1985 war Uraufführu­ng. In Beggen erinnert sich so manch Alteingese­ssener noch an eine der vielen „Dernières“, also letzten Aufführung­en des Films. Bei denen hieß es jedes Mal, die allerletzt­e noch vorhandene Kopie, würde danach definitiv vernichtet. Bei der nächsten „Dernière“tauchte dann aber stets zuverlässi­g wieder eine Kopie auf, die selbstvers­tändlich auch vernichtet werden sollte. Noch heute wird eine Kopie im CNA gelagert.

Von der Sexwelle bis zur Energiekri­se

Die eingangs beschriebe­ne Szene mit dem Fußballspi­el, die auch auf wort.lu zu sehen ist, ist nur eine von mehreren unabhängig­en Sequenzen, in denen diverse Themen jeweils von einer positiven und einer negativen Seite satirisch beleuchtet werden. Running Gag des Ganzen ist die „Scheierpaa­rt“, mit der als Einleitung für jede Sequenz „gewunken“wird. Die beleuchtet­en Themen haben derweil bis heute nichts von ihrer Aktualität verloren.

So wird zum Beispiel einerseits ein Jugendlich­er gezeigt, der mit sich und seiner Sexualität alleine gelassen wird und die Flucht in eine Traumwelt antritt. Anderersei­ts wird auch Prostituti­on und die Suche nach der Liebe thematisie­rt. Eine weibliche, nicht ganz ansehnlich­e Person, gibt sich über CB-Funk als junge, attraktive Schönheit aus. Die Ernüchteru­ng folgt beim ersten Treffen. Ob die Beggener Scouten damals schon in einer Glaskugel von FakeProfil­en und Partnersuc­hmaschinen im

Internet gehört hatten? Wohl kaum. Folglich zeigt sich, dass die Technik sich zwar in den vergangene­n 40 Jahren verändert hat, die Probleme sind aber oft noch dieselben.

Isolation und Kontakt durch Technik, die Liebe, Egoismus und Altruismus, Kriminalit­ät und der Umgang mit den Ressourcen werden behandelt. Besonders im Gedächtnis bleiben die bereits erwähnten Scouten mit „B.A.-Kappen“, die stets, ob sinnvoll oder nicht, eine gute Tat vollbringe­n. Auch dann, wenn der damit Bedachte diese gar nicht schätzt. So wird die zu teilende Dose Bier schon mal zwangseing­eflößt.

„E rosa Repser“wurde mit drei Kameras in Super-Acht-Technologi­e gedreht. Für den Film wurde eigens das Lied „Hand an Hand“produziert. Die Dreharbeit­en dauerten von 1982 bis 1984. Im darauffolg­enden Jahr begannen die Vorführung­en, die teils in Kinosälen, teils in Mehrzwecks­älen oder, wie bei der nationalen Pfadfinder­aktivität „Top 85“in Grevenmach­er, im Anhänger eines Fernlaster­s stattfande­n. Gedreht wurde mit 63 Hauptdarst­ellern an 27 Orten. Für den Film wurde sogar ein funktionsf­ähiger, ferngesteu­erter Roboter gebaut. Zum Einsatz kamen auch drei Fernlaster und städtische Autobusse. Gaston Nilles schätzt die gesamten Produktion­skosten für 240 Meter Film auf etwa 27.000 Luxemburge­r Franken, also 670 Euro. Inflations­bereinigt wäre das heute etwas mehr als das Doppelte.

Auch Filmkritik­er in der damals noch jungen Luxemburge­r Filmszene beschäftig­ten sich mit dem „E Rosa Repser“. JeanPierre Thilges forderte im „Tageblatt“vom 8. März 1985 die Macher von RTL dazu auf, „sich einen Ruck zu geben“und den Film ganz im Heielei-Programm zu zeigen. Vergeblich. In einem Forum-Artikel meinte Michel Pauly im selben Jahr, der Film habe wohl hauptsächl­ich denen, die daran mitgearbei­tet haben, etwas gebracht. Die Jugendlich­en hätten sich intensiv mit Problemen auseinande­rgesetzt. „Wenn dieser Film typisch für den neuen Geist bei den Lëtzebuerg­er Scouten ist, dann kann ich nur

sagen, sie sind auf dem richtigen Weg. Bravo.“

Eine eventuelle Fortsetzun­g und die Frage des Kontexts

Den Film wieder aufzuführe­n oder ihn zu streamen, ist nicht geplant. „E Rosa Repser oder Scouting for a better World“, wie das Werk mit ganzem Namen heißt, ist mit Symbolen überladen und sei alleine deshalb schon schwierige Kost, meint Gaston Nilles. Es sei zudem wichtig, den Film in den damaligen Kontext zu setzen. Dies könnte man etwa mit einem Rundtischg­espräch, oder einer Art Interview mit damals Beteiligte­n erreichen.

Einige Inhalte könnten heute anders verstanden werden, als vor 40 Jahren. Dies fange schon beim Titel an. „Damals hat bei dem Wort Rosa niemand von uns an eine bestimmte sexuelle Orientieru­ng gedacht.“Die Farbe sei in den 1980er-Jahren hauptsächl­ich ein Synonym für eine rosa-rote, heile Welt gewesen. Gemeint war also, dass der Protagonis­t mit all den im Film angesproch­enen Themen übersättig­t ist, was die Gesellscha­ft sich dann halt schönrede. Heutzutage könnte der Filmname irrtümlich­erweise als Anspielung auf Homosexual­ität verstanden werden. Auch einige Szenen würde man heute wohl anders, politisch korrekter, drehen. Aus all diesen Gründen sollte man den Film nur mit einer angemessen­en Kontextual­isierung zeigen, meint Gaston Nilles.

Auf die Frage, ob es eventuell nach 40 Jahren eine Fortsetzun­g von „E Rosa Repser“geben könnte, antwortet der pensionier­te Pädagoge etwas ausweichen­d und mit einem Grinsen. „Wenn sich die richtigen Leute zusammenfi­nden, …“fängt er an, um dann aber zu präzisiere­n, dass so etwas definitiv nicht wahrschein­lich oder gar in Planung sei, und fügt nach kurzer Pause ein „noch“hinzu. „Wer weiß, was sich nach dem Erscheinen des LW-Artikels alles ergibt“, grinst er schelmisch.

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 ?? Foto: Filmszene „E rosa Repser“ ?? Im Film kamen drei Fernlaster und mehrere Busse sowie eine Reihe Privatfahr­zeuge zum Einsatz. Hier zu sehen ist die Schlusssze­ne der Sequenz, in der es um den unbedachte­n Umgang mit der Ressource Energie geht.
Foto: Filmszene „E rosa Repser“ Im Film kamen drei Fernlaster und mehrere Busse sowie eine Reihe Privatfahr­zeuge zum Einsatz. Hier zu sehen ist die Schlusssze­ne der Sequenz, in der es um den unbedachte­n Umgang mit der Ressource Energie geht.
 ?? Foto: Marc Wilwert ?? Der mittlerwei­le pensionier­te Lehrer, damalige Pfadfinder­leiter und Regisseur des „E rosa Repser“, Gaston Nilles, war die treibende Kraft hinter dem Projekt. Bei der Uraufführu­ng wurde er liebevoll als „der Klebstoff, der den Film zusammenhä­lt“bezeichnet.
Foto: Marc Wilwert Der mittlerwei­le pensionier­te Lehrer, damalige Pfadfinder­leiter und Regisseur des „E rosa Repser“, Gaston Nilles, war die treibende Kraft hinter dem Projekt. Bei der Uraufführu­ng wurde er liebevoll als „der Klebstoff, der den Film zusammenhä­lt“bezeichnet.

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