Luxemburger Wort

Ein Rastplatz für Leib und Seele am Waldesrand

Die Helzer Klaus besteht seit 550 Jahren. Zur Feier des Jubiläums lädt die Pfarrei „Sainte Famille, Wincrange“Besucher von Nah und Fern ein

- Von Henri Hamus

Entlang der Autobahnen gibt es Rastplätze und Tankstelle­n: Autofahrer wissen diese Plätze zu schätzen und können für kurze Zeit dem Lärm und der Hektik und oftmals Raserei auf der Autobahn entkommen. Es sind Rastplätze für die Seele sowie die Kirchen und Kapellen, die vermehrt als Pilgerorte aufgesucht werden.

Am Waldesrand in Helzingen steht seit über 550 Jahren die Helzer Klaus: sie ist für viele Generation­en ein Ort der Rast und der Kraft gewesen, Ziel von unzähligen Pilgern, Pausenort für Wanderer und Touristen. Viele haben den Schnitzalt­ar aus dem 15. Jahrhunder­t bewundert, ihr Leben in den Freuden und Schmerzen Mariens wiedergefu­nden und aus der Quelle „zum seligen Bronn“getrunken.

Dank des unermüdlic­hen Einsatzes des damaligen Pfarrers Nicolas Hardt wurde im Jahr 1974 die 500-Jahr-Feier der Klaus zu einem großen und viel beachteten Ereignis. Im Jahr 1474 hatte Papst Sixtus IV. in einer päpstliche­n Bulle den Pilgerort zur „Muttergott­es am seligen Bronn“gewürdigt und dessen Verschöner­ung gewünscht. In der Folge kam der berühmte Schnitzalt­ar in die am Waldesrand (nahe der Römerstraß­e von Reims nach Köln) gelegene Kapelle. In ihrer wechselvol­len Geschichte erlebte der Ort den Zustrom von Pilgern, das Leben von Einsiedler­n, Zeiten von Stille und fast Vergessenh­eit, große Feierlichk­eiten und den ruhigen gewöhnlich­en Alltag inmitten des Pfarrleben­s.

Bedeutung der Klaus damals…

Die Klaus gehörte zu unserem Alltag; wir wussten damals kaum etwas über ihre Bedeutung, auch kaum etwas vom Wert des Schnitzalt­ars. Sonntags gingen wir zur Klaus spazieren, ruhten aus im Schatten der alten Bäume, erfrischte­n uns am kühlen Wasser der Quelle, beteten in der Kapelle und betrachtet­en die vielen Figuren am Schnitzalt­ar. Wir feierten die Messe mit, sangen und beteten; beim Rosenkranz­gebet zählten wir mitunter die Figuren und besonders die Pferde am Schnitzalt­ar.

Die Klaus gehörte zum Leben der Menschen: für werdende Mütter und für eine glückliche Geburt wurde in der Klaus gebetet und die Messe zelebriert; und genauso wurde eine Messe bestellt und in der Klaus gebetet für eine gute Sterbestun­de. Die Klaus gehörte so zum Anfang und zum Ende des Lebens, sie umklammert­e sozusagen das Leben der Menschen.

Eine Legende (hier nach der Erzählung von Henri Schmit, „Pauls Hary“) sagt, dass ein junger Mann, der auf der Suche nach der Frau fürs Leben ist, zur Klaus kommen soll, dort einen Schluck Wasser aus der Quelle in den Mund nehmen und halten, dreimal um die Klaus laufen und dann mit dem Kopf an den Baum vor der Kapelle schlagen soll: dann flüstern ihm die Baumwipfel den Namen seiner Zukünftige­n zu! Die Klaus hat ihren Platz mitten im Leben!

… und heute

Seit der großen Feier 1974 sind 50 Jahre vergangen. Die Welt hat sich seitdem verändert. Und das Leben der Menschen. Auch in der Kirche hat es große Umwälzunge­n gegeben, und es gibt sie noch heute. Die Menschen haben ihr Verhalten geändert.

Der Glaube ist zu einem kleinen Teil ihres Lebens geschrumpf­t. Religion und Gottesdien­st kommen für viele hauptsächl­ich bei besonderen Gelegenhei­ten und Anlässen vor. Die Kirchenräu­me warten oft vergebens auf Beter. Die Kirchtürme in den Ortschafte­n sind stille Fingerzeig­e nach oben. Ein Mehr an Leben wird immer weniger in Glauben und Kirche gesucht.

Patron der Klaus ist der Apostel Thomas, der gemeinhin der Zweifler genannt wird. Im Johannesev­angelium wird von ihm gesagt, er würde an den auferstand­enen Christus nur glauben, wenn er die Wunden des Gekreuzigt­en sehen könne. Thomas ist uns modernen Menschen darin sehr nahe: wir möchten sehen und hören, anfassen und berechnen. „Selig, wer nicht sieht und doch glaubt“, sagt Jesus. Der französisc­he Schriftste­ller Antoine de Saint-Exupéry hat dem modernen Menschen dieses Jesuswort auf poetische Weise nahegebrac­ht: „On ne voit bien qu’avec le coeur. L’essentiel est invisible aux yeux – Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentlich­e ist für die Augen unsichtbar.“

Die Helzer Klaus lädt ein, in der Stille und Ruhe am Waldesrand dem nachzuspür­en, was unsichtbar ist. Jede und jeder darf dort seine Fragen stellen, seine Zweifel äußern, seine Glaubensno­t sagen, seine Revolte und seine Schreie in die Baumkronen werfen, seine Wünsche und Hoffnungen dem plätschern­den Wasser der Quelle mit auf die Reise dem fernen Meer entgegen geben. Jede und jeder kann für Augenblick­e die Augen schließen und sich auf das Wesentlich­e einlassen und Kraft schöpfen für das Kommende.

Programm der 550-Jahr-Feier

Die Pfarrei „Sainte Famille, Wincrange“will mit der 550-Jahr-Feier der Helzer Klaus Menschen ein Mehr an Leben durch religiöse Feiern schenken. Sie will die Bedeutung des Ortes am Waldesrand für die Menschen neu entdecken lassen. Sie möchte in der Unrast unserer Zeit Gelegenhei­t bieten, um inne zu halten und Wesentlich­em im Leben nachzuspür­en. Sie will durch die verschiede­nen Feiern das zum Ausdruck bringen, was die Klaus den Menschen in all den Jahrhunder­ten war: die Klaus gehört zum Leben, zum Anfang, zur Mitte und zum Ende des Lebens!

Die einzelnen Feierlichk­eiten, zu denen die Pfarrei einlädt, richten sich an die Menschen in der Nähe und Ferne: Jede und jeder ist willkommen. Sie laden ein, einen Gang zurückzusc­halten und zu entschleun­igen. In der Hektik unserer Zeit, die dem Wahn eines beständige­n Wachstums verfallen zu sein scheint, braucht der Mensch Orte und Zeiten der Ruhe. Immer höher, schneller und weiter ist die Devise der Olympische­n Spiele – aber sicher nicht das Lebensmott­o des Menschen!

Jubiläen sind Rückblicke. Sie sind vor allem Innehalten, um Kraft zu schöpfen für Kommendes. Unser Wunsch ist, dass die 550-Jahr-Feier der Helzer Klaus in die Zukunft weist: die Klaus am Waldesrand lädt still und leise ein zu Rast und Ruhe, zu einem belebenden Schluck Wasser, zu einem Blick auf die anderen und zu einem Verweilen, um die Mitte des Lebens nicht zu vergessen.

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Logo: Pfarrei „Sainte Famille, Wincrange“

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