Luxemburger Wort

Wirbel um den Richter, der Österreich­s Ex-Kanzler schuldig sprach

Nach der Verurteilu­ng von Sebastian Kurz könnte ein richterlic­her Fauxpas Konsequenz­en haben

- Von Andreas Schwarz (Wien)

Das Urteil hatte es schon in sich: Acht Monate Haft auf Bewährung wegen Falschauss­age für eine ExKanzler, das ist nicht nichts. Doch eine Woche später redet die Nation nicht über den unrühmlich gefallenen ehemaligen Polit-Superstar Sebastian Kurz, sondern über seinen Richter. Denn der ist lange vor dem Prozess selbst verurteilt worden – wegen Weitergabe von Ermittlung­sdetails an KurzGegner.

„Bananenrep­ublik“titelt die „Kronen Zeitung“diese Woche; von „schiefe Optik“über „Befangenhe­it?“bis „Justiz-Skandal“lauten die übrigen Kommentare; und im Boulevard-Billigblat­t „Österreich“wird

Sebastian Kurz aufgeforde­rt, bei der Nationalra­tswahl im Herbst für die ÖVP oder mit einer eigenen Liste anzutreten, weil „nur die Wähler“und nicht eine Justizintr­ige entscheide­n dürften, wer in Österreich regiert.

Dabei schienen die Spekulatio­nen, ob der über Falschauss­age- und Korruption­svorwürfe gestolpert­e Ex-Kanzler (2017-2021 mit kurzer Unterbrech­ung) in die Politik zurückkehr­en würde, mit dem Urteil von vor einer Woche beendet: Der frühere ÖVP-Chef habe im parlamenta­rischen Untersuchu­ngsausschu­ss seine Rolle bei Postenbese­tzungen kleingered­et, befand Richter Michael Radasztics und verhängte die Bewährungs­strafe.

Drei Tage später platzte die Bombe: Michael Radasztics hatte im Jahr 2018, damals noch als Staatsanwa­lt, Informatio­nen aus Ermittlung­sakten in einer ganz anderen Causa (Eurofighte­r) an den ehemaligen Grünen Peter Pilz weitergele­itet. Einen Tag später stellten Pilz und die Grüne Alma Zadic eine einschlägi­ge parlamenta­rische Anfrage. Pikant: Pilz gilt als einer der größten Kurz-Jäger. Und Alma Zadic ist heute grüne Justizmini­sterin.

Rückenwind für Berufung

Noch pikanter: Michael Radasztics wurde im Mai 2023 wegen der Informatio­nsweiterga­be zu einer Disziplina­rstrafe verurteilt. Im Sommer 2023 wurde er zum Richter im Prozess gegen Sebastian Kurz bestellt. Das Urteil gegen Radasztics wurde erst zwei Tage nach dem Kurz-Urteil im offizielle­n Rechtsinfo­rmationssy­stem (RIS) veröffentl­icht.

Schon zu Prozessbeg­inn hatten die Kurz-Verteidige­r wegen vermuteter Pilz-Nähe Radasztics‘ einen Richterwec­hsel gefordert; Radasztics lehnte einen Richterwec­hsel ab – seine Disziplina­rstrafe verschwieg er. Das ist noch einmal pikanter, weil er dem Ex-Kanzler in der Urteilsbeg­ründung vergangene Woche erklärte, dass jemand, der zwar die Wahrheit spricht, aber wichtige Teile weglasse, sich der Falschauss­age schuldig mache.

Die Kurz-Verteidigu­ng spürt nun Rückenwind für die Berufung gegen das Urteil. Kurz selbst hat ja von Beginn an gegen eine links-orientiert­e Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA, die Ankläger) und politische Justiz gewettert. Und Kurz-Anhänger sehen sich in ihrem Narrativ, eine linke Jagdgesell­schaft wolle den einstigen ÖVP-Superstar erledigen, bestätigt.

Da kann die Justiz noch so sehr beteuern, die seinerzeit­ige InfoWeiter­gabe des damaligen Staatsanwa­lts Radasztics habe nichts mit dem Fall Kurz zu tun: Einen Gefallen hat sie ihrer Glaubwürdi­gkeit nicht getan.

Die KurzVertei­digung spürt nun Rückenwind für die Berufung gegen das Urteil.

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Foto: AFP Sebastian Kurz war vergangene Woche wegen Falschauss­age im Ibiza-Untersuchu­ngsausschu­ss zu einer noch nicht rechtskräf­tigen Bewährungs­strafe von acht Monaten verurteilt worden.

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