„Marktschreier passen nicht in die Luxemburger Tradition“
Frisch, lokal, sozial – und zukunftsfähig? Der Präsident des Marktverbandes, Jeff Burg, spricht über die Herausforderungen der Händler und das Ende des Bonneweger Marktes
Wochenmärkte dienen nicht nur dem Einkauf, sondern sind auch ein Ort der Begegnung: Die besondere Atmosphäre und den sozialen Austausch mit anderen Menschen gibt es immer gratis dazu. Doch die Existenz dieser Orte mit ihrem frischen Obst und Gemüse ist bedroht. Überall klagen Städte über schrumpfende Märkte aufgrund von Nachfolgeproblemen und Kundenrückgang. Der Lëtzebuerger Maarteverband zog in diesen Tagen Bilanz über das heimische Gewerbe. Ein Gespräch mit Präsident Jeff Burg über steigende Transportkosten, Bettlerbanden und neuen Ständen auf dem Garer Maart.
Jeff Burg, vor allem in den Wintermonaten sind nur wenige Menschen auf den Märkten. Den geringeren Umsätzen stehen Lohnkosten und Standgebühren gegenüber. Lohnt sich das Geschäft für die Markthändler überhaupt noch?
Im Januar und Februar kommen weniger Kunden auf die Wochenmärkte. Das ist nichts Neues. Diese beiden Monate erschweren uns die Arbeit, zumal wir unter steigenden Lohn-, Energie- und Transportkosten leiden. Wir können diese Kosten aus nachvollziehbaren Gründen nicht 1:1 an die Kunden weitergeben. Märkte bleiben unser Geschäft, zumal wir auf Stammkunden zählen können. Während der Pandemie hatten wir einen Kundenzuwachs, der teilweise anhält. Allerdings achten die Kunden angesichts der allgemeinen Teuerung stärker auf den Preis. Hinzu kommt, dass die Attraktivität eines Marktes nicht nur vom Standort abhängt, sondern auch von den Öffnungszeiten. Nachmittagsmärkte ziehen weniger Kunden an.
Wird deshalb am 26. März auch der letzte Markt in Bonneweg stattfinden?
Der Frischmarkt in Bonneweg findet nachmittags statt. Es kamen von Anfang an nur wenige Besucher. In den letzten Monaten ist auch die Zahl der Verkaufsstände zurückgegangen. Daher hat die Stadt Luxemburg beschlossen, ihn ab dem 26. März einzustellen, da es nicht mehr sinnvoll war, diesen Markt weiterzuführen. Im Gegensatz dazu erfreut sich der Garer Maart, der seit der Neugestaltung der Place de Paris jeden Donnerstag stattfindet, bei den Kunden großer Beliebtheit. Ab April werden wir dort mit elf Ständen vertreten sein.
In der Hauptstadt musste der Wochenmarkt wegen der Bauarbeiten am Knuedler für längere Zeit auf den Hamilius ausweichen. Jetzt findet der Markt wieder am Knuedler statt. Wie hat sich der Umzug auf die Kunden ausgewirkt?
Besonders mittwochs stellen wir einen Kundenrückgang fest. Am Hamilius hatten wir durch die Nähe zur Straßenbahn und zum Busbahnhof eine Laufkundschaft. Die fehlt uns jetzt, weil die Leute keinen Umweg über den Knuedler machen wollen oder können.
Wäre eine Rückkehr zum Hamilius für Sie denkbar?
Die Platzverhältnisse am Hamilius waren nicht optimal. Inzwischen haben dort mehrere Gastronomiebetriebe ihre Terrassen eingerichtet. Dadurch wird die Organisation eines Wochenmarktes
auf dem Hamilius aus Platzgründen schwierig. Der Knuedler bietet mehr Platz und ermöglicht es, in Zukunft neue Händler anzuwerben. Die Attraktivität des Stater Maart auf dem Knuedler wird steigen.
Seit einigen Wochen ist das Thema Betteln in aller Munde. Haben die Marktbeschicker damit zu kämpfen?
An einigen Standorten, beispielsweise in der Stadt Luxemburg, haben organisierte Banden unsere Kunden sehr aufdringlich belästigt. Diese Situation hat sich in den letzten Wochen deutlich verbessert. Hier sehen wir Licht am Ende des Tunnels. An anderen Standorten konnten wir dieses Phänomen nur sporadisch beobachten.
An manchen Orten gibt es nur wenige Stände. Wer entscheidet über die Teilnahme von Marktbeschickern?
Die Entscheidung liegt in erster Linie beim Markthändler. Sie hängt vom erzielbaren Umsatz und von seinen Kapazitäten ab. In unserem Beruf muss man bereit sein, fast täglich seinen Stand aufund abzubauen und weiterzufahren. Für die Erteilung der Genehmigung ist die veranstaltende Gemeinde zuständig. Dabei spielt vor allem ein ausgewogenes
Warensortiment eine Rolle. Es ergibt wenig Sinn, zum Beispiel fünf Käsehändler anzuheuern, aber keinen Gemüsehändler.
Das Gewerbe stellt hohe Anforderungen an die Marktstandbetreiber. Trauen sich junge Leute diesen Beruf zu und wie sieht es mit dem Nachwuchs aus?
In der Vergangenheit haben junge Menschen den Einstieg in das Marktleben gewagt, sei es als Händler, sei es als Produzent. Einige waren erfolgreich, andere haben sich wieder zurückgezogen. Was den Nachwuchs in den bestehenden Betrieben betrifft, habe ich wenig Informationen. In einigen Marktfamilien führen die Kinder das Geschäft weiter. In anderen Betrieben zeigen langjährige Mitarbeiter Interesse an einer späteren Übernahme.
Kunden kritisieren oft die überhöhten Preise, vor allem im Vergleich zu Supermärkten. Ist diese Kritik berechtigt?
Der Verkaufspreis und die Qualität sind zwei verschiedene Dinge. Viele Markthändler sind Produzenten. Im Vergleich zur Agrarindustrie sind die Produktionskosten bei Kleinunternehmern höher, aber die Qualität ist um ein Vielfaches besser. Der Händler bietet kostenlosen Service, Beratung und Kochrezepte an und steht für ein Gespräch zur Verfügung. Die Kritik ist angesichts des Preis-Leistungs-Verhältnisses und des saisonalen Angebots unberechtigt. Außerdem spielt der Markt eine wichtige soziale Rolle als Treffpunkt für Einwohner aus Stadt, Dorf oder Stadtviertel, die sich hier gerne austauschen.
Wochenmärkte sind im Ausland, wie beispielsweise an der belgischen Küste, stärker besucht. Hat Luxemburg eine Marktkultur?
Ein Markt im Ausland ist nicht mit Luxemburg vergleichbar. In Belgien bieten Händler beispielsweise Kleidung, Modeartikel und Non-Food an. In Luxemburg ist das anders, abgesehen von Monatsmärkten oder dem Glacismaart. In Hamburg trifft man beispielsweise auf Marktschreier, aber in Luxemburg ist diese Praxis verboten. Marktschreier würden nicht in das traditionelle Marktgeschehen passen, wie wir es kennen. Die Beliebtheit von Märkten im Ausland, insbesondere im ländlichen Raum, hängt teilweise mit dem begrenzten Angebot an Supermärkten zusammen. Zudem spielen die Mentalität und die Gewohnheiten der Einwohner eine Rolle.
Wie könnte ein Markt attraktiver gestaltet werden?
Allgemein sind unsere Märkte attraktiv. Der Maarteverband lädt jedes Jahr zu verschiedenen Aktivitäten ein, wie zum Beispiel der Ostereier-Aktion, Kachen um Maart oder der Journée des Notabilités. In Düdelingen arbeiten wir mit Schulklassen oder Vereinen zusammen, die ihre Aktivitäten in das Marktleben einbinden. In der Stadt Luxemburg werden wir das Warensortiment erweitern, indem wir zusätzliche Händler ermutigen, ihren Stand am Knuedler zu eröffnen. Seit dem vergangenen Jahr haben wir in der Hauptstadt auch einen Foodcorner mit Foodtrucks im Angebot.