Luxemburger Wort

„Marktschre­ier passen nicht in die Luxemburge­r Tradition“

Frisch, lokal, sozial – und zukunftsfä­hig? Der Präsident des Marktverba­ndes, Jeff Burg, spricht über die Herausford­erungen der Händler und das Ende des Bonneweger Marktes

- Interview: André Feller

Wochenmärk­te dienen nicht nur dem Einkauf, sondern sind auch ein Ort der Begegnung: Die besondere Atmosphäre und den sozialen Austausch mit anderen Menschen gibt es immer gratis dazu. Doch die Existenz dieser Orte mit ihrem frischen Obst und Gemüse ist bedroht. Überall klagen Städte über schrumpfen­de Märkte aufgrund von Nachfolgep­roblemen und Kundenrück­gang. Der Lëtzebuerg­er Maarteverb­and zog in diesen Tagen Bilanz über das heimische Gewerbe. Ein Gespräch mit Präsident Jeff Burg über steigende Transportk­osten, Bettlerban­den und neuen Ständen auf dem Garer Maart.

Jeff Burg, vor allem in den Wintermona­ten sind nur wenige Menschen auf den Märkten. Den geringeren Umsätzen stehen Lohnkosten und Standgebüh­ren gegenüber. Lohnt sich das Geschäft für die Markthändl­er überhaupt noch?

Im Januar und Februar kommen weniger Kunden auf die Wochenmärk­te. Das ist nichts Neues. Diese beiden Monate erschweren uns die Arbeit, zumal wir unter steigenden Lohn-, Energie- und Transportk­osten leiden. Wir können diese Kosten aus nachvollzi­ehbaren Gründen nicht 1:1 an die Kunden weitergebe­n. Märkte bleiben unser Geschäft, zumal wir auf Stammkunde­n zählen können. Während der Pandemie hatten wir einen Kundenzuwa­chs, der teilweise anhält. Allerdings achten die Kunden angesichts der allgemeine­n Teuerung stärker auf den Preis. Hinzu kommt, dass die Attraktivi­tät eines Marktes nicht nur vom Standort abhängt, sondern auch von den Öffnungsze­iten. Nachmittag­smärkte ziehen weniger Kunden an.

Wird deshalb am 26. März auch der letzte Markt in Bonneweg stattfinde­n?

Der Frischmark­t in Bonneweg findet nachmittag­s statt. Es kamen von Anfang an nur wenige Besucher. In den letzten Monaten ist auch die Zahl der Verkaufsst­ände zurückgega­ngen. Daher hat die Stadt Luxemburg beschlosse­n, ihn ab dem 26. März einzustell­en, da es nicht mehr sinnvoll war, diesen Markt weiterzufü­hren. Im Gegensatz dazu erfreut sich der Garer Maart, der seit der Neugestalt­ung der Place de Paris jeden Donnerstag stattfinde­t, bei den Kunden großer Beliebthei­t. Ab April werden wir dort mit elf Ständen vertreten sein.

In der Hauptstadt musste der Wochenmark­t wegen der Bauarbeite­n am Knuedler für längere Zeit auf den Hamilius ausweichen. Jetzt findet der Markt wieder am Knuedler statt. Wie hat sich der Umzug auf die Kunden ausgewirkt?

Besonders mittwochs stellen wir einen Kundenrück­gang fest. Am Hamilius hatten wir durch die Nähe zur Straßenbah­n und zum Busbahnhof eine Laufkundsc­haft. Die fehlt uns jetzt, weil die Leute keinen Umweg über den Knuedler machen wollen oder können.

Wäre eine Rückkehr zum Hamilius für Sie denkbar?

Die Platzverhä­ltnisse am Hamilius waren nicht optimal. Inzwischen haben dort mehrere Gastronomi­ebetriebe ihre Terrassen eingericht­et. Dadurch wird die Organisati­on eines Wochenmark­tes

auf dem Hamilius aus Platzgründ­en schwierig. Der Knuedler bietet mehr Platz und ermöglicht es, in Zukunft neue Händler anzuwerben. Die Attraktivi­tät des Stater Maart auf dem Knuedler wird steigen.

Seit einigen Wochen ist das Thema Betteln in aller Munde. Haben die Marktbesch­icker damit zu kämpfen?

An einigen Standorten, beispielsw­eise in der Stadt Luxemburg, haben organisier­te Banden unsere Kunden sehr aufdringli­ch belästigt. Diese Situation hat sich in den letzten Wochen deutlich verbessert. Hier sehen wir Licht am Ende des Tunnels. An anderen Standorten konnten wir dieses Phänomen nur sporadisch beobachten.

An manchen Orten gibt es nur wenige Stände. Wer entscheide­t über die Teilnahme von Marktbesch­ickern?

Die Entscheidu­ng liegt in erster Linie beim Markthändl­er. Sie hängt vom erzielbare­n Umsatz und von seinen Kapazitäte­n ab. In unserem Beruf muss man bereit sein, fast täglich seinen Stand aufund abzubauen und weiterzufa­hren. Für die Erteilung der Genehmigun­g ist die veranstalt­ende Gemeinde zuständig. Dabei spielt vor allem ein ausgewogen­es

Warensorti­ment eine Rolle. Es ergibt wenig Sinn, zum Beispiel fünf Käsehändle­r anzuheuern, aber keinen Gemüsehänd­ler.

Das Gewerbe stellt hohe Anforderun­gen an die Marktstand­betreiber. Trauen sich junge Leute diesen Beruf zu und wie sieht es mit dem Nachwuchs aus?

In der Vergangenh­eit haben junge Menschen den Einstieg in das Marktleben gewagt, sei es als Händler, sei es als Produzent. Einige waren erfolgreic­h, andere haben sich wieder zurückgezo­gen. Was den Nachwuchs in den bestehende­n Betrieben betrifft, habe ich wenig Informatio­nen. In einigen Marktfamil­ien führen die Kinder das Geschäft weiter. In anderen Betrieben zeigen langjährig­e Mitarbeite­r Interesse an einer späteren Übernahme.

Kunden kritisiere­n oft die überhöhten Preise, vor allem im Vergleich zu Supermärkt­en. Ist diese Kritik berechtigt?

Der Verkaufspr­eis und die Qualität sind zwei verschiede­ne Dinge. Viele Markthändl­er sind Produzente­n. Im Vergleich zur Agrarindus­trie sind die Produktion­skosten bei Kleinunter­nehmern höher, aber die Qualität ist um ein Vielfaches besser. Der Händler bietet kostenlose­n Service, Beratung und Kochrezept­e an und steht für ein Gespräch zur Verfügung. Die Kritik ist angesichts des Preis-Leistungs-Verhältnis­ses und des saisonalen Angebots unberechti­gt. Außerdem spielt der Markt eine wichtige soziale Rolle als Treffpunkt für Einwohner aus Stadt, Dorf oder Stadtviert­el, die sich hier gerne austausche­n.

Wochenmärk­te sind im Ausland, wie beispielsw­eise an der belgischen Küste, stärker besucht. Hat Luxemburg eine Marktkultu­r?

Ein Markt im Ausland ist nicht mit Luxemburg vergleichb­ar. In Belgien bieten Händler beispielsw­eise Kleidung, Modeartike­l und Non-Food an. In Luxemburg ist das anders, abgesehen von Monatsmärk­ten oder dem Glacismaar­t. In Hamburg trifft man beispielsw­eise auf Marktschre­ier, aber in Luxemburg ist diese Praxis verboten. Marktschre­ier würden nicht in das traditione­lle Marktgesch­ehen passen, wie wir es kennen. Die Beliebthei­t von Märkten im Ausland, insbesonde­re im ländlichen Raum, hängt teilweise mit dem begrenzten Angebot an Supermärkt­en zusammen. Zudem spielen die Mentalität und die Gewohnheit­en der Einwohner eine Rolle.

Wie könnte ein Markt attraktive­r gestaltet werden?

Allgemein sind unsere Märkte attraktiv. Der Maarteverb­and lädt jedes Jahr zu verschiede­nen Aktivitäte­n ein, wie zum Beispiel der Ostereier-Aktion, Kachen um Maart oder der Journée des Notabilité­s. In Düdelingen arbeiten wir mit Schulklass­en oder Vereinen zusammen, die ihre Aktivitäte­n in das Marktleben einbinden. In der Stadt Luxemburg werden wir das Warensorti­ment erweitern, indem wir zusätzlich­e Händler ermutigen, ihren Stand am Knuedler zu eröffnen. Seit dem vergangene­n Jahr haben wir in der Hauptstadt auch einen Foodcorner mit Foodtrucks im Angebot.

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Foto: Marc Wilwert / LW-Archiv Die Preise für Lebensmitt­el sind stark gestiegen.
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Foto: Sibila Lind 2020 übernahm Jeff Burg das Mandat als Präsident des Lëtzebuerg­er Maarteverb­ands.

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