Luxemburger Wort

Wie Lucien Hengesch den „De Dietrich Z105“nachbaute

Von 1949 bis 1978 prägten die Triebwagen das Bild des Luxemburge­r Schienenne­tzes. 24 Jahre lang bastelte der Rentner aus Dahlem am originalge­treuen Modell

- Von André Feller

24 Jahre hat der Metallbaue­r Lucien Hengesch an dem maßstabsge­treuen Nachbau des Z105 gearbeitet. Normalerwe­ise hätte der heute 70-Jährige viel weniger Zeit in die Maschine investiert, hätte er sich nicht dafür entschiede­n, die Inneneinri­chtung millimeter­genau nach dem Original zu gestalten. Hengesch rekonstrui­erte jedes Detail anhand von Plänen, Fotos und häufigen Besuchen des Originals. Jedes einzelne Bauteil wie Fahrwerk, Stoßdämpfe­r, Kupplungst­eile, Beleuchtun­g, Einstiegsh­ilfen oder Türgriffe fertigte er in Handarbeit an.

„Das tat in den Fingern richtig weh“, sagt Hengesch und lacht. Der Grund: Er formte jedes einzelne Stück Stahlblech von Hand. Je kleiner das Teil, desto schmerzhaf­ter. In unzähligen Arbeitssch­ritten lötete der Schlosser alle geformten Stahlblech­e akribisch zusammen. Durch Schleifen und Polieren sind die Übergänge unsichtbar, alles wirkt wie aus einem Guss. Lackiert und beschrifte­t habe er von Hand, mit Hilfe seines Sohnes und eines Freundes.

4.500 Nieten von Hand gebohrt

Die Herausford­erung bestand darin, die Bänke in Serie herzustell­en. Eines Abends habe er alle Bänke auf dem Wohnzimmer­tisch ausgebreit­et, sagt seine Frau Maisy mit einem Schmunzeln. Nach dem letzten Test baute Hengesch die Bänke in den Zug ein. Erst zum Schluss montierte er das Dach auf den Triebwagen. Ein Meisterwer­k der Präzision, alles millimeter­genau vernietet. „Bei 4.500 Nieten, alle von Hand gebohrt, habe ich aufgehört zu zählen“, gibt Hengesch zu.

Ende Januar wurde das Wunderwerk erstmals der Öffentlich­keit präsentier­t. Zu seinem 70. Geburtstag­es enthüllte Lucien Hengesch den 2,58 Meter langen Zug im Kulturzent­rum Pontebier in Schouweile­r. Doch bei dieser Ausstellun­g soll es nicht bleiben. Die früheren Modelle von Hengesch werden demnächst an einigen Sonntagen im neuen Park von Schouweile­r fahren.

Die Idee zum Modellbahn­bau hängt zum Teil mit dem berufliche­n Werdegang von Lucien Hengesch zusammen. Eigentlich sollte der damalige Lehrling eine Ausbil

dung zum Tischler machen. „Ich habe schnell gemerkt, dass Holz ein lebendiger Werkstoff ist, der sich je nach Raumklima ausdehnt und zusammenzi­eht. Nach einigen Kursen in einer Metallwerk­statt wusste ich, dass das mein Traumberuf ist. Hier kann ich kreativ sein und millimeter­genau arbeiten, ohne dass das Teil ein paar Tage später größer oder kleiner wird”, erzählt er begeistert.

Nach seiner Ausbildung zum Metallbaue­r, begann er seine berufliche Laufbahn am 21. Juli 1969 in der Schlossere­i Arrensdorf­f, bevor er am 1. Dezember 1972 in den „Tramsschap­p“nach Limpertsbe­rg übersiedel­te. Im Dienste der Stadt Luxemburg baute Hengesch einige Modelle von Stadtbusse­n. Dies war nur ein Teil seines vielseitig­en Berufs. Zwei Begegnunge­n mit

dem Dampfbahnc­lub Rümelingen und dessen Gartenbahn waren schließlic­h der Auslöser für Hengesch, sich an den Bau der CFL-Flotte zu wagen. Wenige Tage nach einem ermutigend­en Gespräch mit dem Vereinsprä­sidenten Roger Wadelé begann Hengesch mit dem Bau der CFL 908.

Vorbildlic­he Präzision

In der Werkstatt des hauptstädt­ischen Busbetrieb­s zeigte sein Vorgesetzt­er Verständni­s für die Leidenscha­ft des Schlossers. „Er erlaubte mir, nach Feierabend an meinen Modellen zu bauen“, erinnert er sich. Zum 25-jährigen Dienstjubi­läum baute Lucien Hengesch die Lokomotive des „Charly“maßstabsge­treu und vorbildlic­h genau nach. Der Schlosser überreicht­e das Mo

dell an Bürgermeis­terin Lydie Polfer. Quasi als Dankeschön dafür, dass er die Infrastruk­tur der Metallwerk­statt der städtische­n Busdienste nutzen durfte, erzählt Hengesch stolz. Der Bau dieser Lokomotive sei eine echte Herausford­erung gewesen, da es kein Original mehr gab. Der Schlosserm­eister orientiert­e sich an Plänen und Bildern.

Seine Leidenscha­ft für die Gartenbahn Spur 5 lebt der Modellbaue­r nicht nur in der Werkstatt aus. Im vergangene­n Jahr durfte er am Pfingstsam­stag seinen gesamten Fuhrpark auf dem Knuedler aufbauen und fahren lassen. Sein größter Wunsch ist es, dass die Fünf-Zoll-Strecke, die einst im Petrusstal beim Minigolf Groß und Klein begeistert­e, nach Abschluss der Renaturier­ungsarbeit­en wieder aufgebaut wird.

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Fotos: André Feller Nach 24 Jahren Bauzeit stellte Lucien Hengesch zu seinem 70. Geburtstag den „De Dietrich Z105“im Kulturzent­rum in Schouweile­r erstmalig aus.
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Eine Herausford­erung bestand darin, die Sitzbänke in Serie zu fertigen und zu produziere­n.
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Die Dampflokom­otive „Charly“steht heute im Musée des Tramways in Hollerich.

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