Luxemburger Wort

Warum der „Landwirtsc­haftsdësch“dieses Mal ganz anders wird

Während Bauern in anderen Ländern demonstrie­ren, setzt Luxemburg auf den Dialog mit dem Sektor – noch. Was es mit dem Treffen heute zwischen Regierung und Bauern auf sich hat Was ist an diesem Landwirtsc­haftstisch so neu?

- Von Florian Javel

Heute treffen Bauernverb­ände auf Landwirtsc­haftsminis­terin Martine Hansen sowie Klima- und Umweltmini­ster Serge Wilmes (beide CSV) in Schloss Senningen. Vom Wasserschu­tz, über die Reduzierun­g der Ammoniak-Emissionen bis zum Nationalen Strategiep­lan – die Bauern erwarten sich viel vom Dialog mit der Regierung. Vor allem ist dieser Landwirtsc­haftstisch nicht so wie die anderen. Etwas daran ist besonders neu. Das „Luxemburge­r Wort“beantworte­t die wichtigste­n Fragen und Antworten vor dem „Landwirtsc­haftsdësch“.

Die Idee an sich, Bauernvert­reter zu versammeln, und mit Ministerie­n gemeinsam zu sprechen, ist per se nicht neu. Landwirtsc­haftstisch­e wurden auch unter der Vorgängerr­egierung veranstalt­et. Der erste Minister, der die Bauernvert­reter zum Gespräch einlud, war der damalige Landwirtsc­haftsminis­ter Fernand Etgen (DP) unter der Gambia IRegierung. Der erste fand 2016 statt, seitdem sind fünf weitere Landwirtsc­haftstisch­e organisier­t worden. Das allerdings nur punktuell, im Falle dringender Probleme. Vertreter der Branche bemängeln jedoch, dass dieses Format inkonseque­nt gewesen sei. Die Landwirtsc­haftstisch­e seien in der Vergangenh­eit „heiße Luft“gewesen und nur da, um „gemeinsam Druck abzubauen“, erzählten Bauernvert­reter dem „Wort“. Konkrete Lösungen seien selten dabei herausgeko­mmen.

Mit einer Ausnahme: Der Agrargipfe­l im Januar 2023. Damals mischte Premiermin­ister Xavier Bettel (DP) mit und berief selber den Gipfel ein. Dort erreichten die Bauern, dass das Agrargeset­z in einigen Punkten neu überarbeit­et wurde – ein wesentlich­er Sieg für die Landwirte, die sich unter Gambia von Landwirtsc­haftsminis­ter Claude Haagen (LSAP) größtentei­ls missversta­nden gefühlt hatten.

Eine regelmäßig­e Austauschp­lattform war der Landwirtsc­haftstisch somit nicht. Nachdem Martine Hansen das Ministeriu­m übernommen hatte, kündigte sie Ende November nach einem Treffen mit den Vertretern der Landwirtsc­haftskamme­r an, den Landwirtsc­haftstisch institutio­nalisieren zu wollen. Bedeutet: Das Zusammenko­mmen zwischen Bauernvert­retern und Landwirtsc­haftsminis­terium soll ab jetzt verbindlic­h zweimal im Jahr stattfinde­n.

Wer wurde zum Treffen eingeladen?

Martine Hansen erklärte vorige Woche während einer Fragestund­e im Parlament, sie habe versucht, einen „klaren und transparen­ten

Rahmen“für den Landwirtsc­haftstisch herzustell­en. Zu der Frage gehört: Wer soll prinzipiel­l dabei sein? Die Ministerin kündigte an, die Landwirtsc­haftskamme­r einzuladen. Um genauer zu sein: sowohl das Comité directeur als auch die dort vertretene­n einzelnen Interessen­sverbände der Bauern. Dazu gehören: die Centrale paysanne, die Baueren-Allianz, der Fräie Lëtzebuerg­er Baureverba­nd, die Gärtner- und Obstbauern, die Winzer als auch die Jongbauere­n und der Service Jeunesse. Jeder Verband soll zwei Vertreter zum Landwirtsc­haftstisch schicken können. Auf Seiten der Regierung werden Landwirtsc­haftsminis­terin Martine Hansen sowie zum ersten Mal bei einem „Landwirtsc­haftsdësch“ein Klimaund Umweltmini­ster, hier Serge Wilmes, vertreten sein.

Warum sitzen Umweltorga­nisationen nicht am Tisch?

Hansen wollte sich auf die Landwirtsc­haftskamme­r begrenzen, weil ein „Riesentisc­h“mit mehr Gesprächsp­artnern nicht geeignet sei, „zielorient­iert miteinande­r zu reden“, sagte sie vor der Chamber. Anfragen von Biovereini­gungen, den Jungwinzer­n oder noch dem Luxembourg Dairy Board seien aus gegebenem Anlass nicht angenommen worden. Umweltorga­nisationen sind ebenso wenig eingeladen worden. Das, obwohl der Direktor von Greenpeace, Raymond Aendekerk, am Mikro von Radio 100,7 vor einigen Wochen meinte, es sei „nicht richtig“, Umweltverb­ände auszuschli­eßen, und daraufhin verlangte, „mit am Tisch dabei zu sein“.

Die Bauernverb­ände signalisie­ren dennoch ihre Bereitscha­ft, auch Umweltorga­nisationen mit an den Tisch einzuladen. Ein Bauernvert­reter erzählt dem „Wort“, beim ersten institutio­nalisierte­n Landwirtsc­haftstisch gelte es, bei grundlegen­den Problemen erstmal „in

die Gänge zu kommen“. Bei einem weiteren Treffen, vielleicht sogar bereits dem nächsten im Herbst, könnte die Runde geöffnet werden. Ein anderer Bauernvert­reter sagt sogar, „beim Nationalen Strategiep­lan und der Einhaltung der Klimaziele kommen wir nicht daran vorbei, irgendwann eine Umweltorga­nisation und die breite Gesellscha­ft mit in die Debatte einzubezie­hen“.

Werden die verschiede­nen Bauerngewe­rkschaften beim Treffen dieselben Interessen vertreten?

Fest steht, dass sich die Bauernvert­reter vor dem Treffen miteinande­r abgesproch­en haben und mit einer Stimme sprechen wollen. Die Landwirtsc­haftskamme­r soll stellvertr­etend erster Gesprächsp­artner der Minister sein beim Treffen. Es seien im Vorfeld Arbeitsgru­ppen zu den vier Schwerpunk­ten, die am Montag auf der Tagesordnu­ng stehen, organisier­t worden. Man habe sich zudem mit den Verwaltung­en besser abgesproch­en und enger miteinande­r kommunizie­rt. Die Vorbereitu­ng ist „besser gelaufen als die vorigen Male“, sagt ein Bauernvert­reter dem „Wort“vor dem Treffen. Die Erwartunge­n daran, dass die Minister nach dem Treffen konkrete Ankündigun­gen machen könnten, ist bei den Bauern groß.

Hängt der Landwirtsc­haftstisch mit den Bauernprot­esten in Europa zusammen?

Nein. Der Landwirtsc­haftstisch ist keine direkte Reaktion auf die Bauernprot­este in Europa. Luxemburge­r Bauern haben sich bisher nicht an den Protesten beteiligt. Abgesehen von den Jungbauern, die mit anderen Junglandwi­rten aus der Großregion in Schengen die Mosel-Brücke blockiert haben. Dort wurde allerdings mehrfach betont, dass sich die Demo nicht gegen die nationale Politik gerichtet habe.

Dass die Bauern sich bisher nicht auf der Straße in Regierungs­kritik geübt haben, könnte aber wiederum mit dem Landwirtsc­haftstisch zu tun haben. Bauerngewe­rkschaften wiesen in den letzten Wochen darauf hin, dass jetzt, wo die neue Regierung die Bauern zum Gespräch bitte, nicht der Zeitpunkt für Aktionen sei. Die Regierung sei erst seit Kurzem im Amt und habe zur Zufriedenh­eit der Bauern die Bereitscha­ft signalisie­rt, mehr mit dem Sektor in Kontakt stehen zu wollen. Der Sektor will sich somit die wichtigen Gespräche mit Landwirtsc­hafts- und Umweltmini­sterium nicht verscherze­n.

Was soll dort besprochen werden?

Auf der Tagesordnu­ng stehen laut öffentlich­en Angaben der Ministerin und Hinweisen von Bauernvert­retern vier Kernthemen: Bauen in der Grünzone, Wasserschu­tz, das Monitoring-System von Ammoniak-Emissionsw­erten und der Nationale Strategiep­lan (PSN), der die Umsetzung der Gemeinsame­n Europäisch­en Agrarpolit­ik auf Nationaleb­ene regelt. Beim PSN habe man sich vorgenomme­n, nach zwei Jahren eine Bilanz zu ziehen. Jetzt sei der Moment dafür. Dabei wird es wohl um die Definition des aktiven Bauern gehen oder noch den Zugang zu Prämien für pensionsbe­rechtigte Landwirte.

Beim Thema Bauen in der Grünzone sprechen die Bauern aktuell noch von „willkürlic­hen Verfahren“, die jegliche Bauprojekt­e verhindern würden. „Das hat meistens nichts mehr mit Umweltschu­tz zu tun“, moniert ein Bauernvert­reter im Vorfeld des Treffens dem „Wort“gegenüber. Die administra­tiven Verfahren seien zu mühsam, die Möglichkei­t der Einführung eines „guichet unique“könnte in dem Kontext am Montag besprochen werden. Bei den Ammoniak-Emissionsw­erten wollen die Bauern mit der Regierung Wege besprechen, wo noch Einsparung­spotenzial herrscht.

Auch, wenn sich die Bauern im Vorfeld des Treffens darauf einstellen, seitens der Minister konkrete Zugeständn­isse zu erhalten, habe die Ministerin den Landwirten im Voraus bereits mitgeteilt, dass es nach dem Treffen noch Zeit brauchen würde, um mit der Verwaltung die Machbarkei­t ihrer Vorschläge zu überprüfen.

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Foto: Anouk Antony Als ehemalige Direktorin der Ackerbausc­hule und studierte Agrarwisse­nschaftler­in genießt Hansen bei den Vertretern des Sektors ein hohes Ansehen.
 ?? ?? Vor einigen Wochen lud Premiermin­ister Luc Frieden (CSV) die Bauernvert­reter bereits einmal zu sich ein, um vor dem „Landwirtsc­haftsdësch“den Puls zu fühlen.
Vor einigen Wochen lud Premiermin­ister Luc Frieden (CSV) die Bauernvert­reter bereits einmal zu sich ein, um vor dem „Landwirtsc­haftsdësch“den Puls zu fühlen.
 ?? Fotos: Gerry Huberty ?? Der „Landwirtsc­haftsdësch“heute wird viele Blicke seitens des Sektors auf sich ziehen.
Fotos: Gerry Huberty Der „Landwirtsc­haftsdësch“heute wird viele Blicke seitens des Sektors auf sich ziehen.

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