Der Durchmarsch der Unbeliebten
Trump und Biden haben die Nominierung als Präsidentschaftskandidaten trotz Bedenken nahezu sicher. Das könnte Spielraum für Überraschungskandidaten bieten
Der Präsident und sein Vorgänger können bei den Primaries in fünfzehn Bundesstaaten am Dienstag vollendete Fakten schaffen. An diesem „Super-Wahltag“, der am ehesten so etwas wie eine nationale Vorwahl ist, werden rund ein Drittel aller Parteitagsdelegierten vergeben. Mit Siegen in Michigan, Missouri, Idaho und North Dakota setzte Donald Trump über das Wochenende seinen Siegeszug zur Nominierung fort. Joe Biden macht nicht einmal Wahlkampf.
Analysten erklären den wenig spannenden Wettbewerb damit, dass beide in ihren Parteien als Amtsinhaber antreten. Obwohl Trump nicht mehr im Weißen Haus ist, hat er weite Teile seiner Partei von der „großen Lüge“überzeugt, dass ihm der Wahlsieg 2020 gestohlen worden sei. Es gibt nur wenige Beispiele für ernsthafte Herausforderer von Präsidenten, die für eine zweite Amtszeit im Weißen Haus antreten.
Vorbehalte gegen Kandidatur Bidens
Für Senator Edward Kennedy und dessen Unterstützer in der Partei endete die Kandidatur gegen den unbeliebten Jimmy Carter 1980 in einem Desaster. Sie wurden für die Niederlage Carters verantwortlich gemacht und abgestraft. Das möchte bei diesen Wahlen niemand riskieren, obwohl der 81-jährige Biden ähnlich unpopulär ist. In einer Umfrage der „New York Times“vor dem „Super Tuesday“zeigen sich nur noch 36 Prozent aller Befragten zufrieden mit der Amtsführung des Präsidenten.
Während Biden die Vorwahlen dominiert, sagen zwei von fünf Demokraten den Demoskopen, der Präsident sollte im November nicht der Kandidat sein. Nur etwas mehr als einer von vier Parteifreunden (28 Prozent) kann sich von der Aussicht begeistern lassen, mit Biden in das Rennen um das Weiße Haus zu ziehen. Fast drei von vier registrierten Wählern (73 Prozent) halten ihn für „zu alt“für den anstrengenden Job.
Vakuum für unabhängige Bewerber?
Bei den Republikanern zeichnet sich ein ähnlicher Widerspruch ab. Dieser wird von dem Durchmarsch des in 91 Punkten vor vier Strafgerichten angeklagten Kandidaten verdeckt. Laut „New York Times hält“etwas mehr als jeder zweite Befragte (51 Prozent) Trump für persönlich und charakterlich ungeeignet für das Präsidentenamt. Mehr als einer von vier Republikanern (27 Prozent) sieht das ebenso.
Aus diesem „Never-Trump“-Lager traditioneller Republikaner kommen die Stimmen für die letzte im Rennen verbliebene Herausforderin Nikki Haley. „Er hat die Wahlen in den ersten Staaten gewonnen, aber 40 Prozent der Stimmen nicht bekommen“, legt die ehemalige UNBotschafterin vor dem Super-Dienstag den Finger in die Wunde. Realistisch gesehen lässt das „Winner takes All“-System der meisten Vorwahlen der Republikaner ihr selbst mit Unterstützung von Unabhängigen keine Chance.
Die Unzufriedenheit der Amerikaner mit beiden Spitzenkandidaten der großen Parteien schafft ein Vakuum, in das im Herbst unabhängige Kandidaten hineinstoßen können. Die Organisation „NoLabels“hatte angekündigt, nach dem SuperDienstag eine Entscheidung treffen zu wollen, ob sie mit eigenen Kandidaten ins Rennen um das Weiße Haus einsteigt.
Schon jetzt ziehen die bereits erklärten Bewerber, der Umweltanwalt, Impfgegner und Anhänger verschiedener Verschwörungserzählungen Robert F. Kennedy Junior, die Grüne Jill Stein und der progressive Intellektuelle Cornel West, das Interesse der Wähler an. Nichts davon spiegelt sich in den Vorwahlen wider, weil dies parteiinterne Auswahlverfahren sind.