Luxemburger Wort

Im Inneren des Luxemburge­r „Fort Knox“

Der Gründer Yves Bouvier zog sich vor kurzem aus dem ehemaligen „Freeport“zurück. Trotz anhaltende­r Verluste wollen die Betreiber die Aktivitäte­n ausweiten

- Von Simon Martin Der Text erschein zuerst auf Virgule.lu. Übersetzun­g und Bearbeitun­g: Thomas Klein

Weltweit werden Freeports genutzt, um Kunstwerke, Schmuck oder auch edle Weine dauerhaft oder kurzfristi­g zu lagern. In Luxemburg geschieht dies im High Security Hub, der an den Flughafen Findel angrenzt. Museen wie das Mudam oder private Sammler lagern dort einen Teil ihrer Kollektion­en. Vor einigen Jahren konnte man bei einem Tag der offenen Tür einen Blick auf einige Bilder von Picasso oder Banksy werfen, die hinter diesen unknackbar­en Betonwände­n versteckt waren.

„Die schlimmste Freihandel­szone der Welt“

„Die Freihandel­szone in Luxemburg ist sicher die schlechtes­te der Welt“, sagt Philippe Dauvergne, der CEO des Luxembourg High Security Hub, der früher „Freeport“hieß. „In dem Sinne, dass die Gesetzgebu­ng hier besonders streng ist. Luxemburg hat uns nichts geschenkt, und wir wenden unserersei­ts eine sehr strenge Politik an, sowohl beim Einchecken als auch beim Auschecken, zusätzlich zu den Kontrollen gegen Geldwäsche. Der Händler muss uns zahlreiche Dokumente vorlegen, darunter eine innergemei­nschaftlic­he Mehrwertst­euernummer, und alles muss gemeldet werden. Wir führen auch im Vorfeld eine sorgfältig­e Analyse des Unternehme­ns durch, das bei uns lagern möchte. Wir haben schon viele sehr zwielichti­ge Unternehme­n abgelehnt.“

Der schwerreic­he Geschäftsm­ann und umstritten­e Schweizer Kunsthändl­er Yves Bouvier gründete 2014 den ersten Freeport Luxemburgs und einen der weltweit größten für die Lagerung von Kunstwerke­n. Die Rede ist hier von einem ultrasiche­ren Lager mit einer Fläche von 22.000 Quadratmet­ern. Doch seit Jahren sorgt die Anlage für Schlagzeil­en. Der Grund: Millionenv­erluste, Betrugsver­dacht gegen den Gründer Bouvier und der Vorwurf der Geldwäsche belasten die Anlage, die schon mehrfach als bankrott bezeichnet wurde.

Philippe Dauvergne weicht der Frage nicht aus: Er räumt ein, dass die das Unternehme­n nicht rentabel ist. „Es ist ein finanziell­es Loch“, sagt er. „Die Wartung der Filter für die Klimaanlag­en kostet zwischen 15.000 und 20.000 Euro pro Monat.

Bei den Stromrechn­ungen klettern wir auf 50.000 Euro pro Monat. Das ist kolossal. Wir kommen damit klar, weil wir seit Jahren eine Aktionärss­truktur haben, die den Finanzieru­ngsbedarf immer gedeckt hat.“

Wird der Luxembourg High Security Hub unabhängig von seiner Rentabilit­ät weiterbest­ehen? „Es ist nicht so, dass das nicht wichtig wäre, es braucht Zeit. Es ist ein neuer Markt in einem Land, in dem es nicht ausreichen­den lokalen Bedarf gibt. Wir müssen uns also daran machen, eine bestimmte Kundschaft jenseits der Grenzen abzuholen, und gleichzeit­ig unsere Dienstleis­tungen erweitern.“

Da sich der Luxembourg High Security Hub früher ausschließ­lich auf die Aufbewahru­ng von Kunstwerke­n konzentrie­rt hatte, beschloss er, sein Konzept grundlegen­d zu überarbeit­en, indem er sich für andere Märkte öffnete. „Kurz vor der Pandemie beschlosse­n wir, das Geschäft in drei Säulen zu unterteile­n: Kunst und Sammlungen, Edelmetall­e (Gold, Platin, Rhodium und so weiter) und Luxusgüter, insbesonde­re Schmuck und Uhren.“

Ein neuer Mehrheitsa­ktionär

Philippe Dauvergne informiert, dass Yves Bouvier gegen Ende des letzten Jahres über die luxemburgi­sche Firma Colombe Investment 100 Prozent seiner Anteile an seinen ehemaligen Partner Olivier Thomas weiterverk­auft und sich somit vollständi­g aus dem Unternehme­n zurückgezo­gen hat. „Sein Abgang, ob zu Recht oder nicht, hat dazu geführt, dass einige Akteure aus dem Privatsekt­or, die zuvor zurückhalt­end waren, zurückgeke­hrt sind“, stellt der Direktor fest.

Warum sollten die wohlhabend­sten Kunden ihre wertvollen und seltenen Gegenständ­e im luxemburgi­schen Freihafen lagern? Für Philippe Dauvergne sind es vor allem Sicherheit­sgründe. „Es gibt einen weltweiten Sicherheit­sindex, mit dem die Sicherheit­squote eines Standorts wie dem unseren unabhängig analysiert werden kann, und wir haben eine Sicherheit­squote von 99,85 Prozent.“

Um dies zu erreichen, musste die Anlage eine Vielzahl von Verfahren einführen, um auf jede Art von Situation reagieren zu können, und zwar schon dann, wenn ein

Transporte­r in das hinter riesigen Mauern und Zäunen verbarrika­dierte Gelände einfährt. „Sein Nummernsch­ild wird überprüft, ebenso wie die Ausweispap­iere. Wenn alles in Ordnung ist, kann der LKW auf den Hof fahren. Anschließe­nd fährt er in den Inspektion­stunnel.“

Dort verhindern Panzerabwe­hrpoller, die 40 Tonnen Druck aushalten können, dass der Lkw weiterfähr­t, und Klappen, die auf beiden Seiten des Tunnels eingesetzt werden, halten selbst Kugeln von sehr großem Kaliber stand.

All dies wird unterstütz­t durch eine angemessen­e Ausbildung des Personals. „Wir beziehen alle Mitarbeite­r in die Schulungen ein, sogar die Putzfrau“, betont Philippe Dauvergne. „Zum Beispiel gibt es jede Woche zwei oder drei Übungen, die nicht angekündig­t werden: ein Magnet, der in einer Schachtel hinter einem Feuerlösch­er versteckt ist, oder eine Waffenattr­appe, die in einem LKW verborgen wurde.“

Die Anweisung an die Sicherheit­smitarbeit­er ist sehr klar: Es darf keinen Raum für Zweifel geben. „Die Kontrolle durch die Beamten dauert etwa 15 Minuten. Es wird ein Infrarot-Scan durchgefüh­rt und es werden Proben entnommen, um nach Sprengstof­f zu suchen. Insbesonde­re werden an bestimmten Stellen des Lkw-Chassis Magnetelem­ente angebracht. Diese sind in der Lage, Herzschläg­e zu erkennen“, erläutert der CEO.

300 Kameras

Auch wenn noch nie jemand auf die Idee gekommen ist, einen Raubüberfa­ll zu begehen oder in die Anlage einzubrech­en, mussten sich die Mitarbeite­r schon einige Male mit unerwartet­en Situatione­n auseinande­rsetzen. „Eines Tages wurde während einer Inspektion in einem Lkw ein Herzschlag festgestel­lt. Sofort wurden die entspreche­nden Verfahren eingeleite­t. In Wirklichke­it handelte es sich um eine Feldmaus, die sich eingeschli­chen hatte. Anekdote: Auch ein Alarm hatte die Ordnungskr­äfte auf den Plan gerufen, weil ein Angestellt­er von Lux-Airport beim Aufdrücken einer Drehtür etwas zu viel Kraft aufgewende­t hatte“, fügt der Direktor hinzu.

Das luxemburgi­sche „Fort Knox“, das als Kulisse für die Dreharbeit­en zur Serie „Bad

Banks“diente, beherbergt nicht weniger als 300 Kameras mit ebenso zahlreiche­n wie unterschie­dlichen Technologi­en. Im Frachtgebä­ude gelten neue, besonders strenge Regeln. „So herrscht im gesamten Bereich eine Temperatur von genau 21 Grad und eine Luftfeucht­igkeit von 55 Prozent, überall und zu jeder Zeit“, betont Philippe Dauvergne. „Auch hier wird im Anschluss

an die Durchfahrt zwischen den beiden Gebäuden über einen Außenhof überprüft, dass kein Objekt auf dem Lkw gelandet ist, wie zum Beispiel eine Drohne.“

Die Ware durchläuft außerdem einen weiteren Röntgensca­nner. Auch der luxemburgi­sche Zoll hat in diesem Bereich ein eigenes Büro. „Über eine Schleuse kann auch Ware direkt vom Flughafen abgefertig­t werden.“Nachdem alle Gefahren gebannt sind, wird die Ware dann auf den Tresor verteilt.

Insgesamt gibt es 90 Räume, die zwischen 100 und 400 Quadratmet­er groß sind. Riesige Räume, bei denen die Planer nicht an der Sicherheit gespart haben. „Hier werden alle Feuer ohne Wasser gelöscht. Stattdesse­n wird im Brandfall über hochgelege­ne Rohre Stickstoff­gas unter sehr hohem Druck eingeleite­t, das keine Spuren und Verschmutz­ungen hinterläss­t.

Auch gepanzerte und feuerfeste Türen können das Feuer 90 Minuten lang zurückhalt­en. In jedem Raum sind außerdem seismische Detektoren angebracht. Nicht wegen möglicher Erdbeben, sondern vielmehr, um mögliche Personen aufzuspüre­n, die sich durch die Wände bohren.“Auf die Frage, wie hoch die Miete ist und wie viele Räume noch zur Verfügung stehen, hält sich der Direktor lieber bedeckt.

Anzumerken ist, dass der Standort über eine eigene Werkstatt für die Restaurier­ung von Kunstwerke­n verfügt, was praktisch ist, um zu verhindern, dass das Objekt zu viel auf Reisen geht. „Es sind die Restaurato­ren, die direkt hierherkom­men“. Es gibt auch mehrere Verkaufsrä­ume, in denen Transaktio­nen unter Zollaufsic­ht abgewickel­t werden können. Aber auch einen öffentlich­en Raum, in dem ein Wandgemäld­e des portugiesi­schen Graffiti-Künstlers Alexandre Farto alias VHILS hängt.

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Der öffentlich­e Raum wird von einem riesigen Wandgemäld­e geschmückt.
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Philippe Dauvergne, der CEO des Luxembourg High Security Hub.
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Der Luxembourg High Security Hub ist so etwas wie das luxemburgi­sche „Fort Knox“.

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