Im Inneren des Luxemburger „Fort Knox“
Der Gründer Yves Bouvier zog sich vor kurzem aus dem ehemaligen „Freeport“zurück. Trotz anhaltender Verluste wollen die Betreiber die Aktivitäten ausweiten
Weltweit werden Freeports genutzt, um Kunstwerke, Schmuck oder auch edle Weine dauerhaft oder kurzfristig zu lagern. In Luxemburg geschieht dies im High Security Hub, der an den Flughafen Findel angrenzt. Museen wie das Mudam oder private Sammler lagern dort einen Teil ihrer Kollektionen. Vor einigen Jahren konnte man bei einem Tag der offenen Tür einen Blick auf einige Bilder von Picasso oder Banksy werfen, die hinter diesen unknackbaren Betonwänden versteckt waren.
„Die schlimmste Freihandelszone der Welt“
„Die Freihandelszone in Luxemburg ist sicher die schlechteste der Welt“, sagt Philippe Dauvergne, der CEO des Luxembourg High Security Hub, der früher „Freeport“hieß. „In dem Sinne, dass die Gesetzgebung hier besonders streng ist. Luxemburg hat uns nichts geschenkt, und wir wenden unsererseits eine sehr strenge Politik an, sowohl beim Einchecken als auch beim Auschecken, zusätzlich zu den Kontrollen gegen Geldwäsche. Der Händler muss uns zahlreiche Dokumente vorlegen, darunter eine innergemeinschaftliche Mehrwertsteuernummer, und alles muss gemeldet werden. Wir führen auch im Vorfeld eine sorgfältige Analyse des Unternehmens durch, das bei uns lagern möchte. Wir haben schon viele sehr zwielichtige Unternehmen abgelehnt.“
Der schwerreiche Geschäftsmann und umstrittene Schweizer Kunsthändler Yves Bouvier gründete 2014 den ersten Freeport Luxemburgs und einen der weltweit größten für die Lagerung von Kunstwerken. Die Rede ist hier von einem ultrasicheren Lager mit einer Fläche von 22.000 Quadratmetern. Doch seit Jahren sorgt die Anlage für Schlagzeilen. Der Grund: Millionenverluste, Betrugsverdacht gegen den Gründer Bouvier und der Vorwurf der Geldwäsche belasten die Anlage, die schon mehrfach als bankrott bezeichnet wurde.
Philippe Dauvergne weicht der Frage nicht aus: Er räumt ein, dass die das Unternehmen nicht rentabel ist. „Es ist ein finanzielles Loch“, sagt er. „Die Wartung der Filter für die Klimaanlagen kostet zwischen 15.000 und 20.000 Euro pro Monat.
Bei den Stromrechnungen klettern wir auf 50.000 Euro pro Monat. Das ist kolossal. Wir kommen damit klar, weil wir seit Jahren eine Aktionärsstruktur haben, die den Finanzierungsbedarf immer gedeckt hat.“
Wird der Luxembourg High Security Hub unabhängig von seiner Rentabilität weiterbestehen? „Es ist nicht so, dass das nicht wichtig wäre, es braucht Zeit. Es ist ein neuer Markt in einem Land, in dem es nicht ausreichenden lokalen Bedarf gibt. Wir müssen uns also daran machen, eine bestimmte Kundschaft jenseits der Grenzen abzuholen, und gleichzeitig unsere Dienstleistungen erweitern.“
Da sich der Luxembourg High Security Hub früher ausschließlich auf die Aufbewahrung von Kunstwerken konzentriert hatte, beschloss er, sein Konzept grundlegend zu überarbeiten, indem er sich für andere Märkte öffnete. „Kurz vor der Pandemie beschlossen wir, das Geschäft in drei Säulen zu unterteilen: Kunst und Sammlungen, Edelmetalle (Gold, Platin, Rhodium und so weiter) und Luxusgüter, insbesondere Schmuck und Uhren.“
Ein neuer Mehrheitsaktionär
Philippe Dauvergne informiert, dass Yves Bouvier gegen Ende des letzten Jahres über die luxemburgische Firma Colombe Investment 100 Prozent seiner Anteile an seinen ehemaligen Partner Olivier Thomas weiterverkauft und sich somit vollständig aus dem Unternehmen zurückgezogen hat. „Sein Abgang, ob zu Recht oder nicht, hat dazu geführt, dass einige Akteure aus dem Privatsektor, die zuvor zurückhaltend waren, zurückgekehrt sind“, stellt der Direktor fest.
Warum sollten die wohlhabendsten Kunden ihre wertvollen und seltenen Gegenstände im luxemburgischen Freihafen lagern? Für Philippe Dauvergne sind es vor allem Sicherheitsgründe. „Es gibt einen weltweiten Sicherheitsindex, mit dem die Sicherheitsquote eines Standorts wie dem unseren unabhängig analysiert werden kann, und wir haben eine Sicherheitsquote von 99,85 Prozent.“
Um dies zu erreichen, musste die Anlage eine Vielzahl von Verfahren einführen, um auf jede Art von Situation reagieren zu können, und zwar schon dann, wenn ein
Transporter in das hinter riesigen Mauern und Zäunen verbarrikadierte Gelände einfährt. „Sein Nummernschild wird überprüft, ebenso wie die Ausweispapiere. Wenn alles in Ordnung ist, kann der LKW auf den Hof fahren. Anschließend fährt er in den Inspektionstunnel.“
Dort verhindern Panzerabwehrpoller, die 40 Tonnen Druck aushalten können, dass der Lkw weiterfährt, und Klappen, die auf beiden Seiten des Tunnels eingesetzt werden, halten selbst Kugeln von sehr großem Kaliber stand.
All dies wird unterstützt durch eine angemessene Ausbildung des Personals. „Wir beziehen alle Mitarbeiter in die Schulungen ein, sogar die Putzfrau“, betont Philippe Dauvergne. „Zum Beispiel gibt es jede Woche zwei oder drei Übungen, die nicht angekündigt werden: ein Magnet, der in einer Schachtel hinter einem Feuerlöscher versteckt ist, oder eine Waffenattrappe, die in einem LKW verborgen wurde.“
Die Anweisung an die Sicherheitsmitarbeiter ist sehr klar: Es darf keinen Raum für Zweifel geben. „Die Kontrolle durch die Beamten dauert etwa 15 Minuten. Es wird ein Infrarot-Scan durchgeführt und es werden Proben entnommen, um nach Sprengstoff zu suchen. Insbesondere werden an bestimmten Stellen des Lkw-Chassis Magnetelemente angebracht. Diese sind in der Lage, Herzschläge zu erkennen“, erläutert der CEO.
300 Kameras
Auch wenn noch nie jemand auf die Idee gekommen ist, einen Raubüberfall zu begehen oder in die Anlage einzubrechen, mussten sich die Mitarbeiter schon einige Male mit unerwarteten Situationen auseinandersetzen. „Eines Tages wurde während einer Inspektion in einem Lkw ein Herzschlag festgestellt. Sofort wurden die entsprechenden Verfahren eingeleitet. In Wirklichkeit handelte es sich um eine Feldmaus, die sich eingeschlichen hatte. Anekdote: Auch ein Alarm hatte die Ordnungskräfte auf den Plan gerufen, weil ein Angestellter von Lux-Airport beim Aufdrücken einer Drehtür etwas zu viel Kraft aufgewendet hatte“, fügt der Direktor hinzu.
Das luxemburgische „Fort Knox“, das als Kulisse für die Dreharbeiten zur Serie „Bad
Banks“diente, beherbergt nicht weniger als 300 Kameras mit ebenso zahlreichen wie unterschiedlichen Technologien. Im Frachtgebäude gelten neue, besonders strenge Regeln. „So herrscht im gesamten Bereich eine Temperatur von genau 21 Grad und eine Luftfeuchtigkeit von 55 Prozent, überall und zu jeder Zeit“, betont Philippe Dauvergne. „Auch hier wird im Anschluss
an die Durchfahrt zwischen den beiden Gebäuden über einen Außenhof überprüft, dass kein Objekt auf dem Lkw gelandet ist, wie zum Beispiel eine Drohne.“
Die Ware durchläuft außerdem einen weiteren Röntgenscanner. Auch der luxemburgische Zoll hat in diesem Bereich ein eigenes Büro. „Über eine Schleuse kann auch Ware direkt vom Flughafen abgefertigt werden.“Nachdem alle Gefahren gebannt sind, wird die Ware dann auf den Tresor verteilt.
Insgesamt gibt es 90 Räume, die zwischen 100 und 400 Quadratmeter groß sind. Riesige Räume, bei denen die Planer nicht an der Sicherheit gespart haben. „Hier werden alle Feuer ohne Wasser gelöscht. Stattdessen wird im Brandfall über hochgelegene Rohre Stickstoffgas unter sehr hohem Druck eingeleitet, das keine Spuren und Verschmutzungen hinterlässt.
Auch gepanzerte und feuerfeste Türen können das Feuer 90 Minuten lang zurückhalten. In jedem Raum sind außerdem seismische Detektoren angebracht. Nicht wegen möglicher Erdbeben, sondern vielmehr, um mögliche Personen aufzuspüren, die sich durch die Wände bohren.“Auf die Frage, wie hoch die Miete ist und wie viele Räume noch zur Verfügung stehen, hält sich der Direktor lieber bedeckt.
Anzumerken ist, dass der Standort über eine eigene Werkstatt für die Restaurierung von Kunstwerken verfügt, was praktisch ist, um zu verhindern, dass das Objekt zu viel auf Reisen geht. „Es sind die Restauratoren, die direkt hierherkommen“. Es gibt auch mehrere Verkaufsräume, in denen Transaktionen unter Zollaufsicht abgewickelt werden können. Aber auch einen öffentlichen Raum, in dem ein Wandgemälde des portugiesischen Graffiti-Künstlers Alexandre Farto alias VHILS hängt.