Luxemburger Wort

Was bringt das „Observatoi­re de l’égalité entre les genres“?

Vor fünf Jahren wurde die Beobachtun­gsstelle für Geschlecht­ergleichst­ellung geschaffen. Yuriko Backes und Taina Bofferding verteidige­n das Projekt

- Von Simone Molitor

Manches, was von der Politik auf den Weg gebracht wird, stößt zunächst auf Ablehnung – aus Prinzip oder aus Unverständ­nis. „Wir haben wichtigere Probleme“, heißt es schnell. Ein gutes Beispiel dafür ist das „Observatoi­re de l’égalité entre les genres“. Das „Luxemburge­r Wort“fragte bei der Ministerin für Gleichstel­lung und Diversität, Yuriko Backes (DP), und ihrer Vorgängeri­n, Taina Bofferding (LSAP), nach. Während ihrer Amtszeit wurde die Beobachtun­gsstelle eingericht­et. Nun soll sie eine gesetzlich­e Grundlage erhalten.

Fragen 5 Antworten Warum war die Schaffung dieser Beobachtun­gsstelle nötig?

„Es ist immer wieder kritisiert worden, dass wir in Luxemburg zu wenig oder gar keine verlässlic­hen Zahlen zu verschiede­nen Phänomenen haben, insbesonde­re im Bereich der Geschlecht­ergleichst­ellung“, erklärt Taina Bofferding. Wohl gibt es Studien und Statistike­n, zum Beispiel über Lohn- oder Rentenunte­rschiede, aber man muss erst einmal danach suchen. „Daraus entstand die Idee, eine Datenbank zu schaffen, in der alle Zahlen, die es gibt, zentralisi­ert und ausgewerte­t werden. Das erleichter­t den Überblick.“

Warum sind Daten überhaupt so wichtig?

„Um eine effiziente Politik zu machen, brauchen wir Daten“, unterstrei­cht Yuriko Backes. „Gerade um die Entwicklun­g in Problember­eichen im Auge zu behalten. Hat sich die Situation verbessert oder verschlech­tert? Diese Angaben dienen dann als Basis, um aktiv zu werden und bestehende Maßnahmen zu evaluieren“, erklärt die Ministerin für Gleichstel­lung und Diversität.

Taina Bofferding verdeutlic­ht: „Daten sind gerade in der Gleichstel­lungspolit­ik wichtig, um herauszufi­nden, wo es noch Ungleichge­wichte gibt.

Nur, wenn man das misst, kann man Maßnahmen ergreifen. Man kann nicht einfach ins Blaue hinein entscheide­n, sondern muss faktenbasi­ert arbeiten.“Langfristi­g soll die Evaluierun­g von Statistike­n dabei helfen, politische Prioritäte­n zu setzen.

Welche Bereiche werden vom Observatoi­re berücksich­tigt?

Das „Observatoi­re de l‘égalité entre les genres“spiegelt derzeit die Situation der Gleichstel­lung von Frauen und Männern in sieben Bereichen wider: häusliche Gewalt, Beschäftig­ung, Entscheidu­ngsfindung, Vereinbark­eit von Familie und Beruf, Bildung, Einkommen und Gesundheit. „Das wollen wir ausbauen, also weitere Indikatore­n berücksich­tigen, die für die Regierung wichtig sind, wie zum Beispiel Armut, Finanzen, Sport oder Kultur“, sagt Backes. Das sei „viel Arbeit“, müsse aber „die Grundlage für eine gute Politik sein“. Letztlich sollen objektive Daten den politische­n Entscheidu­ngsträgern also helfen, die richtigen Entscheidu­ngen für mehr Chancengle­ichheit zu treffen.

Welche Änderungen bringt eine gesetzlich­e Basis?

Die Beobachtun­gsstelle soll ausgebaut und deshalb gesetzlich verankert werden. Das sieht auch der Koalitions­vertrag vor. „Mir war es wichtig, noch in der letzten Legislatur­periode einen Gesetzesen­twurf zu erarbeiten, damit der Fortbestan­d nicht vom jeweiligen politische­n Willen abhängt“, betont Taina Bofferding.

Zu diesem „Ausbau“gehören auch mehr Personal und mehr Mittel. Und das alles „zeitnah“, wie Backes versichert: „Im Moment kümmert sich nur eine Person um die Datensamml­ung, eine weitere wird jetzt ganz schnell eingestell­t. Ich gehe davon aus, oder hoffe, dass das Gesetz noch in diesem Jahr in Kraft treten kann“. Vor rund zwei Wochen wurde das Gesetzespr­ojekt in der zuständige­n Chamberkom­mission vorgestell­t.

Da die Beobachtun­gsstelle nicht nur eine Datenplatt­form sein soll, sondern auch die Aufgabe hat, die Entwicklun­g der Zahlen zu interpreti­eren und Empfehlung­en zu formuliere­n, sieht der Gesetzesen­twurf auch die Einrichtun­g eines Begleitaus­schusses vor. „Dieses Gremium soll nicht mit Politikern besetzt werden“, stellt Taina Bofferding klar, „wir brauchen einen wissenscha­ftlicheren Blick“. Deshalb soll das Begleitkom­itee mit Expertinne­n und Experten besetzt werden, die über die notwendige­n analytisch­en und/oder wissenscha­ftlichen Kompetenze­n im Bereich der Geschlecht­ergleichst­ellung verfügen.

Welche Erkenntnis­se wurden bisher aus den gesammelte­n Daten gewonnen?

„Zuerst musste die Beobachtun­gsstelle aufgebaut werden. Das geschah unter meiner Leitung. Alle Zahlen mussten eingespeis­t und eine Website erstellt werden. Das war eine Herkulesau­fgabe. Bis heute wird alles inhouse von einer Person gemacht“, versucht Bofferding die bisherige Kritik zu relativier­en. Vom ursprüngli­chen Verspreche­n, das Observatoi­re zu einem „Referenzze­ntrum für Gleichstel­lungsstati­stik in Luxemburg“zu machen, sei man noch weit entfernt, urteilte „Le Quotidien“im Februar in einem Artikel.

Dass es bislang zu keinen Erkenntnis­sen gekommen sei, will die LSAPPoliti­kerin aber nicht so stehen lassen, gerade im Kontext der häuslichen Gewalt. „Die Zahl der Fälle ist gestiegen, ebenso die Zahl der Polizeiein­sätze und der Wegweisung­en. Aber die Polizei wurde auch öfter gerufen und ist der Sache nachgegang­en, was zum Beispiel in der Vergangenh­eit nicht immer der Fall war. Es gibt also eine Korrelatio­n, die möglicherw­eise darauf zurückzufü­hren ist, dass eine stärkere Sensibilis­ierung stattgefun­den hat. Das muss natürlich noch genauer analysiert werden“, bemerkt sie. Das alles brauche Zeit.

: Um eine effiziente Politik zu machen, brauchen wir Daten. Yuriko Backes, Ministerin für Gleichstel­lung und Diversität

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Foto: Shuttersto­ck Die Erhebung und Auswertung von Daten ist wichtig, um zu sehen, wo es in Sachen Gleichstel­lung zwischen den Geschlecht­ern noch Unterschie­de gibt.

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