Was bringt das „Observatoire de l’égalité entre les genres“?
Vor fünf Jahren wurde die Beobachtungsstelle für Geschlechtergleichstellung geschaffen. Yuriko Backes und Taina Bofferding verteidigen das Projekt
Manches, was von der Politik auf den Weg gebracht wird, stößt zunächst auf Ablehnung – aus Prinzip oder aus Unverständnis. „Wir haben wichtigere Probleme“, heißt es schnell. Ein gutes Beispiel dafür ist das „Observatoire de l’égalité entre les genres“. Das „Luxemburger Wort“fragte bei der Ministerin für Gleichstellung und Diversität, Yuriko Backes (DP), und ihrer Vorgängerin, Taina Bofferding (LSAP), nach. Während ihrer Amtszeit wurde die Beobachtungsstelle eingerichtet. Nun soll sie eine gesetzliche Grundlage erhalten.
Fragen 5 Antworten Warum war die Schaffung dieser Beobachtungsstelle nötig?
„Es ist immer wieder kritisiert worden, dass wir in Luxemburg zu wenig oder gar keine verlässlichen Zahlen zu verschiedenen Phänomenen haben, insbesondere im Bereich der Geschlechtergleichstellung“, erklärt Taina Bofferding. Wohl gibt es Studien und Statistiken, zum Beispiel über Lohn- oder Rentenunterschiede, aber man muss erst einmal danach suchen. „Daraus entstand die Idee, eine Datenbank zu schaffen, in der alle Zahlen, die es gibt, zentralisiert und ausgewertet werden. Das erleichtert den Überblick.“
Warum sind Daten überhaupt so wichtig?
„Um eine effiziente Politik zu machen, brauchen wir Daten“, unterstreicht Yuriko Backes. „Gerade um die Entwicklung in Problembereichen im Auge zu behalten. Hat sich die Situation verbessert oder verschlechtert? Diese Angaben dienen dann als Basis, um aktiv zu werden und bestehende Maßnahmen zu evaluieren“, erklärt die Ministerin für Gleichstellung und Diversität.
Taina Bofferding verdeutlicht: „Daten sind gerade in der Gleichstellungspolitik wichtig, um herauszufinden, wo es noch Ungleichgewichte gibt.
Nur, wenn man das misst, kann man Maßnahmen ergreifen. Man kann nicht einfach ins Blaue hinein entscheiden, sondern muss faktenbasiert arbeiten.“Langfristig soll die Evaluierung von Statistiken dabei helfen, politische Prioritäten zu setzen.
Welche Bereiche werden vom Observatoire berücksichtigt?
Das „Observatoire de l‘égalité entre les genres“spiegelt derzeit die Situation der Gleichstellung von Frauen und Männern in sieben Bereichen wider: häusliche Gewalt, Beschäftigung, Entscheidungsfindung, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Bildung, Einkommen und Gesundheit. „Das wollen wir ausbauen, also weitere Indikatoren berücksichtigen, die für die Regierung wichtig sind, wie zum Beispiel Armut, Finanzen, Sport oder Kultur“, sagt Backes. Das sei „viel Arbeit“, müsse aber „die Grundlage für eine gute Politik sein“. Letztlich sollen objektive Daten den politischen Entscheidungsträgern also helfen, die richtigen Entscheidungen für mehr Chancengleichheit zu treffen.
Welche Änderungen bringt eine gesetzliche Basis?
Die Beobachtungsstelle soll ausgebaut und deshalb gesetzlich verankert werden. Das sieht auch der Koalitionsvertrag vor. „Mir war es wichtig, noch in der letzten Legislaturperiode einen Gesetzesentwurf zu erarbeiten, damit der Fortbestand nicht vom jeweiligen politischen Willen abhängt“, betont Taina Bofferding.
Zu diesem „Ausbau“gehören auch mehr Personal und mehr Mittel. Und das alles „zeitnah“, wie Backes versichert: „Im Moment kümmert sich nur eine Person um die Datensammlung, eine weitere wird jetzt ganz schnell eingestellt. Ich gehe davon aus, oder hoffe, dass das Gesetz noch in diesem Jahr in Kraft treten kann“. Vor rund zwei Wochen wurde das Gesetzesprojekt in der zuständigen Chamberkommission vorgestellt.
Da die Beobachtungsstelle nicht nur eine Datenplattform sein soll, sondern auch die Aufgabe hat, die Entwicklung der Zahlen zu interpretieren und Empfehlungen zu formulieren, sieht der Gesetzesentwurf auch die Einrichtung eines Begleitausschusses vor. „Dieses Gremium soll nicht mit Politikern besetzt werden“, stellt Taina Bofferding klar, „wir brauchen einen wissenschaftlicheren Blick“. Deshalb soll das Begleitkomitee mit Expertinnen und Experten besetzt werden, die über die notwendigen analytischen und/oder wissenschaftlichen Kompetenzen im Bereich der Geschlechtergleichstellung verfügen.
Welche Erkenntnisse wurden bisher aus den gesammelten Daten gewonnen?
„Zuerst musste die Beobachtungsstelle aufgebaut werden. Das geschah unter meiner Leitung. Alle Zahlen mussten eingespeist und eine Website erstellt werden. Das war eine Herkulesaufgabe. Bis heute wird alles inhouse von einer Person gemacht“, versucht Bofferding die bisherige Kritik zu relativieren. Vom ursprünglichen Versprechen, das Observatoire zu einem „Referenzzentrum für Gleichstellungsstatistik in Luxemburg“zu machen, sei man noch weit entfernt, urteilte „Le Quotidien“im Februar in einem Artikel.
Dass es bislang zu keinen Erkenntnissen gekommen sei, will die LSAPPolitikerin aber nicht so stehen lassen, gerade im Kontext der häuslichen Gewalt. „Die Zahl der Fälle ist gestiegen, ebenso die Zahl der Polizeieinsätze und der Wegweisungen. Aber die Polizei wurde auch öfter gerufen und ist der Sache nachgegangen, was zum Beispiel in der Vergangenheit nicht immer der Fall war. Es gibt also eine Korrelation, die möglicherweise darauf zurückzuführen ist, dass eine stärkere Sensibilisierung stattgefunden hat. Das muss natürlich noch genauer analysiert werden“, bemerkt sie. Das alles brauche Zeit.
: Um eine effiziente Politik zu machen, brauchen wir Daten. Yuriko Backes, Ministerin für Gleichstellung und Diversität