Wenn der Strafzettel seinen Schrecken verliert
Die Höhe der Bußgelder ist für viele Verkehrsvergehen seit fast 30 Jahren nicht mehr angepasst worden. Einen Änderungswillen scheint nicht zu geben.
3.003 Unterschriften sind viel, aber nicht genug, um ein persönliches Anliegen vor die versammelte Abgeordnetenkammer zu bringen. Diese Erfahrung musste im Februar der bekannte ehemalige Luxemburger Kugelstoßer und ParalympicsTeilnehmer Tom Habscheid machen.
Tom Habscheid ging es um härtere Strafen für das Falschparken auf Behindertenparkplätzen. „Mit dem Falschparken auf Behindertenparkplätzen macht man sich nicht nur strafbar“, schreibt der Petitionär in seiner Begründung. „Es ist auch moralisch nicht vertretbar, wenn ein Mensch ohne Behinderung oder Einschränkung oder ohne Behindertenparkausweis dort falsch parkt.“
Mit seiner Petition wolle er an die Höflichkeit aller appellieren, behinderten oder älteren Menschen, die auf diese Parkplätze angewiesen sind, das Leben nicht noch schwerer zu machen. Deshalb solle das Bußgeld für das Falschparken auf Behindertenparkplätzen von derzeit 145 auf 500 Euro erhöht und mit einem doppelten Punkteabzug verbunden werden.
Dass Habscheid und mehr als 3.000 andere Personen hier einen Anlass für eine Petition sehen, kann sicherlich als Zeichen dafür gewertet werden, dass sich manch rücksichtsloser Fahrer auch von einem Bußgeld in Höhe von 145 Euro nicht abschrecken lässt. Ferner wirft das aber auch generell die Frage auf, ob der derzeit gültige Bußgeldkatalog überhaupt noch geeignet ist, Verkehrssünder abzuschrecken.
Bußgeldhöhen seit 29 Jahren kaum erhöht
Die heute noch gültigen Bußgeldhöhen für Geschwindigkeitsverstöße gehen immerhin auf ein Règlement grand-ducal vom Dezember 1995 zurück. Damals waren die Bußgelder mit 1.000, 2.000, 3.000 und 6.000 LUF gestaffelt. Eine Geschwindigkeitsüberschreitung von bis zu 15 km/h innerhalb geschlossener Ortschaften wurde mit 2.000 LUF geahndet, schwere Verstöße mit 6.000 LUF.
Mit der Einführung des Euro als europäische Gemeinschaftswährung zum Jahreswechsel 2002 wurden daraus der Gegenwert von 49 bzw. 145 Euro. Damit sind die Bußgelder für Geschwindigkeitsübertretungen in den allermeisten Fällen seit 29 Jahren nicht mehr angepasst worden, also seit einer Zeit, in der noch Gendarmen für die Verkehrssicherheit auf den Straßen sorgten.
Ein nennenswerter Fortschritt ist eigentlich lediglich die Einführung des Punkteführerscheins als paralleles Sanktionsmittel für schwerere Verstöße im November 2002 – nach monatelangen hitzigen Debatten.
Knöllchen kaum teurer als Parkhaus
Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Parkverstößen: Die derzeit gültigen Regelungen stammen im Wesentlichen aus dem Jahr 2008. Der Code de la Route kennt inzwischen 43 verschiedene Parkverstöße, die sich aber seit nunmehr 16 Jahren nahezu unverändert grob wie folgt zusammenfassen lassen: Zwölf Euro sind für Falschparken während weniger als 30 Minuten, 24 Euro für Parkverstöße von mehr als 30 Minuten und ohne akute Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer fällig. 49 Euro muss zahlen, wer durch sein Parkverhalten andere behindert und 75 Euro, wenn es zu einer Gefährdung kommt.
Wer also den ganzen Tag widerrechtlich sein Auto abstellt, zahlt mit 24 Euro nur unwesentlich mehr als die 21,6 Euro für acht Stunden im Hamilius-Parkhaus der Hauptstadt oder die 20,4 Euro im Knuedler-Parkhaus. Das mag zwar einen Anreiz bieten, auf den kostenlosen öffentlichen Nahverkehr umzusteigen. Es ist aber kaum ein abschreckendes Mittel, um rücksichtslose Autofahrer dazu zu bringen, sich an die geltenden Gesetze zu halten.
Eine kurzfristige Änderung bleibt indes fraglich. „Das Thema wird in den nächsten Monaten noch genauer unter die Lupe genommen“, sagt Tanja Jungbluth, Sprecherin des Mobilitätsministeriums, auf Anfrage des „Luxemburger Wort“. „Um zu sehen, welche Anpassungen sinnvoll sein könnten.“Konkrete Planung klingt anders.
Die Sécurité Routière sieht sich nicht als Bittsteller
Und auch anderweitig sieht man eine Erhöhung der Bußgelder nicht unbedingt
als zwingend notwendig an. „Grundsätzlich ist die Sécurité Routière der Meinung, dass die Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden, wichtiger ist als die Höhe des Bußgeldes“, sagt deren Direktorin Isabelle Medinger auf Anfrage des „Luxemburger Wort“. Auch der Punkteverlust sei abschreckender als eine Geldstrafe.
Sicherlich könne man darüber nachdenken, die Bußgelder einmal zu erhöhen, so Medinger weiter, aber: „D‘Sécurité Routière ass elo net direkt Demandeur“. Beim Parken sollte man sich darauf konzentrieren, ob die Verstöße sicherheitsrelevant sind. Zum Beispiel, wenn Fahrer zu nah an einem Zebrastreifen parken und so die Sicht behindern oder so parken, dass Fußgänger und Radfahrer ausweichen müssen und gefährdet werden.
„Was Geschwindigkeitsübertretungen betrifft, sind wir überzeugt, dass die Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden, nicht hoch genug ist“, fügt Isabelle Medinger hinzu. „Das gilt auch für Alkohol am Steuer. Hier gibt es noch viel Potenzial.“
Polizei verweist auf Punkteabzüge
Bei der Polizei verweist man darauf, dass es in jüngster Zeit sehr wohl wichtige Anpassungen im Straßenverkehrsgesetz gegeben habe. Seit Herbst 2023 wurde beispielsweise das Bußgeld für die Nutzung eines Mobiltelefons am Steuer auf 250 Euro und den Abzug von vier Punkten erhöht. Zuletzt traten im Februar Änderungen in Kraft, die verschiedene Delikte, die früher vor Gericht verhandelt wurden, nun per Bußgeldbescheid klären– so etwa diverse Verstöße im Schwerverkehr, die nun mit bis zu 500 Euro geahndet werden.
„Diese Änderungen sind auch im Zusammenhang mit einer Vereinfachung der Prozeduren zu sehen“, betont Pressesprecher Frank Stoltz. „Es ist nicht auszuschließen, dass verschiedene Bußgeldhöhen angepasst werden können.“Ohnehin müsse man insgesamt die Sanktionen, insbesondere im Bereich der Geschwindigkeitsüberschreitungen, im Zusammenspiel mit den Punkteabzügen se
Die Bußgelder für Geschwindigkeitsübertretungen sind seit 1995 unverändert. Im Jahr 2002 wurde lediglich der Punkteabzug für die schwersten Verstöße eingeführt.
hen. Speziell im Zusammenhang mit Behindertenparkplätzen habe der Gesetzgeber zudem bereits 2016 das Bußgeld auf 145 Euro angehoben, was einer Contravention grave im Straßenverkehrsgesetz entspreche.
Eine Erhöhung der Bußgelder scheint in Luxemburg also nicht wirklich angedacht zu sein – auch wenn diese sicherlich nicht mehr im Verhältnis zu ihrer abschreckenden Wirkung von 1995 oder 2008 stehen. In Österreich ist man derweil einen Schritt weiter: Seit dem 1. März, letzten Freitag, müssen extreme Raser nicht nur mit dem Verlust des Führerscheins, sondern auch des Autos rechnen. Außerdem werden die Bußgelder auf bis zu 7.500 Euro angehoben.