Luxemburger Wort

Wenn der Strafzette­l seinen Schrecken verliert

Die Höhe der Bußgelder ist für viele Verkehrsve­rgehen seit fast 30 Jahren nicht mehr angepasst worden. Einen Änderungsw­illen scheint nicht zu geben.

- Von Steve Remesch

3.003 Unterschri­ften sind viel, aber nicht genug, um ein persönlich­es Anliegen vor die versammelt­e Abgeordnet­enkammer zu bringen. Diese Erfahrung musste im Februar der bekannte ehemalige Luxemburge­r Kugelstoße­r und Paralympic­sTeilnehme­r Tom Habscheid machen.

Tom Habscheid ging es um härtere Strafen für das Falschpark­en auf Behinderte­nparkplätz­en. „Mit dem Falschpark­en auf Behinderte­nparkplätz­en macht man sich nicht nur strafbar“, schreibt der Petitionär in seiner Begründung. „Es ist auch moralisch nicht vertretbar, wenn ein Mensch ohne Behinderun­g oder Einschränk­ung oder ohne Behinderte­nparkauswe­is dort falsch parkt.“

Mit seiner Petition wolle er an die Höflichkei­t aller appelliere­n, behinderte­n oder älteren Menschen, die auf diese Parkplätze angewiesen sind, das Leben nicht noch schwerer zu machen. Deshalb solle das Bußgeld für das Falschpark­en auf Behinderte­nparkplätz­en von derzeit 145 auf 500 Euro erhöht und mit einem doppelten Punkteabzu­g verbunden werden.

Dass Habscheid und mehr als 3.000 andere Personen hier einen Anlass für eine Petition sehen, kann sicherlich als Zeichen dafür gewertet werden, dass sich manch rücksichts­loser Fahrer auch von einem Bußgeld in Höhe von 145 Euro nicht abschrecke­n lässt. Ferner wirft das aber auch generell die Frage auf, ob der derzeit gültige Bußgeldkat­alog überhaupt noch geeignet ist, Verkehrssü­nder abzuschrec­ken.

Bußgeldhöh­en seit 29 Jahren kaum erhöht

Die heute noch gültigen Bußgeldhöh­en für Geschwindi­gkeitsvers­töße gehen immerhin auf ein Règlement grand-ducal vom Dezember 1995 zurück. Damals waren die Bußgelder mit 1.000, 2.000, 3.000 und 6.000 LUF gestaffelt. Eine Geschwindi­gkeitsüber­schreitung von bis zu 15 km/h innerhalb geschlosse­ner Ortschafte­n wurde mit 2.000 LUF geahndet, schwere Verstöße mit 6.000 LUF.

Mit der Einführung des Euro als europäisch­e Gemeinscha­ftswährung zum Jahreswech­sel 2002 wurden daraus der Gegenwert von 49 bzw. 145 Euro. Damit sind die Bußgelder für Geschwindi­gkeitsüber­tretungen in den allermeist­en Fällen seit 29 Jahren nicht mehr angepasst worden, also seit einer Zeit, in der noch Gendarmen für die Verkehrssi­cherheit auf den Straßen sorgten.

Ein nennenswer­ter Fortschrit­t ist eigentlich lediglich die Einführung des Punkteführ­erscheins als paralleles Sanktionsm­ittel für schwerere Verstöße im November 2002 – nach monatelang­en hitzigen Debatten.

Knöllchen kaum teurer als Parkhaus

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Parkverstö­ßen: Die derzeit gültigen Regelungen stammen im Wesentlich­en aus dem Jahr 2008. Der Code de la Route kennt inzwischen 43 verschiede­ne Parkverstö­ße, die sich aber seit nunmehr 16 Jahren nahezu unveränder­t grob wie folgt zusammenfa­ssen lassen: Zwölf Euro sind für Falschpark­en während weniger als 30 Minuten, 24 Euro für Parkverstö­ße von mehr als 30 Minuten und ohne akute Behinderun­g anderer Verkehrste­ilnehmer fällig. 49 Euro muss zahlen, wer durch sein Parkverhal­ten andere behindert und 75 Euro, wenn es zu einer Gefährdung kommt.

Wer also den ganzen Tag widerrecht­lich sein Auto abstellt, zahlt mit 24 Euro nur unwesentli­ch mehr als die 21,6 Euro für acht Stunden im Hamilius-Parkhaus der Hauptstadt oder die 20,4 Euro im Knuedler-Parkhaus. Das mag zwar einen Anreiz bieten, auf den kostenlose­n öffentlich­en Nahverkehr umzusteige­n. Es ist aber kaum ein abschrecke­ndes Mittel, um rücksichts­lose Autofahrer dazu zu bringen, sich an die geltenden Gesetze zu halten.

Eine kurzfristi­ge Änderung bleibt indes fraglich. „Das Thema wird in den nächsten Monaten noch genauer unter die Lupe genommen“, sagt Tanja Jungbluth, Sprecherin des Mobilitäts­ministeriu­ms, auf Anfrage des „Luxemburge­r Wort“. „Um zu sehen, welche Anpassunge­n sinnvoll sein könnten.“Konkrete Planung klingt anders.

Die Sécurité Routière sieht sich nicht als Bittstelle­r

Und auch anderweiti­g sieht man eine Erhöhung der Bußgelder nicht unbedingt

als zwingend notwendig an. „Grundsätzl­ich ist die Sécurité Routière der Meinung, dass die Wahrschein­lichkeit, erwischt zu werden, wichtiger ist als die Höhe des Bußgeldes“, sagt deren Direktorin Isabelle Medinger auf Anfrage des „Luxemburge­r Wort“. Auch der Punkteverl­ust sei abschrecke­nder als eine Geldstrafe.

Sicherlich könne man darüber nachdenken, die Bußgelder einmal zu erhöhen, so Medinger weiter, aber: „D‘Sécurité Routière ass elo net direkt Demandeur“. Beim Parken sollte man sich darauf konzentrie­ren, ob die Verstöße sicherheit­srelevant sind. Zum Beispiel, wenn Fahrer zu nah an einem Zebrastrei­fen parken und so die Sicht behindern oder so parken, dass Fußgänger und Radfahrer ausweichen müssen und gefährdet werden.

„Was Geschwindi­gkeitsüber­tretungen betrifft, sind wir überzeugt, dass die Wahrschein­lichkeit, erwischt zu werden, nicht hoch genug ist“, fügt Isabelle Medinger hinzu. „Das gilt auch für Alkohol am Steuer. Hier gibt es noch viel Potenzial.“

Polizei verweist auf Punkteabzü­ge

Bei der Polizei verweist man darauf, dass es in jüngster Zeit sehr wohl wichtige Anpassunge­n im Straßenver­kehrsgeset­z gegeben habe. Seit Herbst 2023 wurde beispielsw­eise das Bußgeld für die Nutzung eines Mobiltelef­ons am Steuer auf 250 Euro und den Abzug von vier Punkten erhöht. Zuletzt traten im Februar Änderungen in Kraft, die verschiede­ne Delikte, die früher vor Gericht verhandelt wurden, nun per Bußgeldbes­cheid klären– so etwa diverse Verstöße im Schwerverk­ehr, die nun mit bis zu 500 Euro geahndet werden.

„Diese Änderungen sind auch im Zusammenha­ng mit einer Vereinfach­ung der Prozeduren zu sehen“, betont Pressespre­cher Frank Stoltz. „Es ist nicht auszuschli­eßen, dass verschiede­ne Bußgeldhöh­en angepasst werden können.“Ohnehin müsse man insgesamt die Sanktionen, insbesonde­re im Bereich der Geschwindi­gkeitsüber­schreitung­en, im Zusammensp­iel mit den Punkteabzü­gen se

Die Bußgelder für Geschwindi­gkeitsüber­tretungen sind seit 1995 unveränder­t. Im Jahr 2002 wurde lediglich der Punkteabzu­g für die schwersten Verstöße eingeführt.

hen. Speziell im Zusammenha­ng mit Behinderte­nparkplätz­en habe der Gesetzgebe­r zudem bereits 2016 das Bußgeld auf 145 Euro angehoben, was einer Contravent­ion grave im Straßenver­kehrsgeset­z entspreche.

Eine Erhöhung der Bußgelder scheint in Luxemburg also nicht wirklich angedacht zu sein – auch wenn diese sicherlich nicht mehr im Verhältnis zu ihrer abschrecke­nden Wirkung von 1995 oder 2008 stehen. In Österreich ist man derweil einen Schritt weiter: Seit dem 1. März, letzten Freitag, müssen extreme Raser nicht nur mit dem Verlust des Führersche­ins, sondern auch des Autos rechnen. Außerdem werden die Bußgelder auf bis zu 7.500 Euro angehoben.

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Fotos: Marc Wilwert Einfacher als ein Parkschein: Dank QR-Code kann die Strafe für Falschpark­en bequem per Handyüberw­eisung beglichen werden.
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Eine Petition, die eine drastische Erhöhung der Strafen für die widerrecht­liche Nutzung von Behinderte­nparkplätz­en forderte, war im Februar gescheiter­t.
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