Die einzigartige Geschichte einer ungewöhnlichen Freundschaft
„Kensuke‘s Kingdom“der Luxemburger Melusine Productions ist emotional und berührend – ein wichtiger Film
Ein starker Film, aber vor allem auch ein starkes Buch: „Kensuke‘s Kingdom“von Michael Morpurgo gibt es nun auch als Animationsfilm. Die Luxemburger Produktionsfirma Melusine Productions von Stéphan Roelants sowie die britische Filmgesellschaft Lupus Films haben in ihren Zeichentrickstudios den Jugendroman aus dem Jahr 1999 in einen spannenden und berührenden 2D-Animationsfilm verwandelt.
Film und Buch erzählen von der Freundschaft zwischen dem älteren japanischen Ex-Soldaten Kensuke, dem einzigen Bewohner einer Insel im Indischen Ozean, und dem elfjährigen Jungen Michael, der mit seinem Hund Stella an den Strand gespült wird. Beide waren während eines Familiensegeltörns bei Sturm über Bord gegangen.
Die Möwen, die bereits beim Vorspann des Films über dem Boot tanzen, machen deutlich, dass die Animatoren, die an diesem Streifen gearbeitet haben, einiges drauf haben. Denn so einfach lassen sich diese Bewegungen der Möwen nicht nachzeichnen. Die Geschichte aber wirkt zunächst etwas flach und rudimentär, gewinnt dann allerdings in der zweiten Hälfte an emotionaler Kraft.
Zusammen mit Kirk Hendry führt Neil Boyle die Regie in diesem Film. Der Animationsveteran Boyle hat unter anderem in „Ethel & Ernest“(2016), auch eine Koproduktion von Melusine Productions, und in „Who framed Roger Rabbit“(1988) die Figuren animiert. Das Filmszenario hat derweil Frank Cottrell-Boyce zusammen mit dem Buchautor geschrieben. Die Musik kommt vom Komponisten Stuart Hancock, gespielt wird sie vom Sinfonieorchester Bratislava. Mit Oppenheimer-Darsteller Cillian Murphy
Farbpalette als Gefühlsbarometer
Neil Boyle hat je nach Gefühlslage des gestrandeten Michael die Farbtöne verändert. Dieser ästhetische Griff ist besonders wirkungsvoll, wenn der Hauptprotagonist und sein Border Collie zum ersten Mal auf der Insel erwachen. Es ist ein karger Streifen Sand, flankiert von gewaltigen Klippen und überragt von einem Gewirr aus Dschungel, also eine wirklich beängstigende Landmasse, gehüllt in einen dichten Nebel.
Diese amorphen Formen und gedämpften und gespenstischen Grautöne spiegeln die Angst und Unsicherheit wider, die Michael an diesem fremden Ort, weit weg vom Rest seiner Familie, empfindet. Aber je mehr er sich dort einlebt, desto mehr offenbart auch die Insel ihre Schönheit. Die Farbpalette ist plötzlich ganz gesättigt, saftige Grüntöne, bunte Tieren, etwa Papageien und Käfer, deren Farben unter der Sonne des Pazifiks ganz beson
Kensuke‘s Kingdom“ist eine Mischung aus Robinsonade und der wahren Geschichte japanischer Soldaten, die aus Scham für den verlorenen Krieg nicht mehr nach Hause kehren wollten.
ders hell strahlen. Der Autor geht in seiner Adaptation der Buchvorlage auch ganz geschickt mit der Tatsache um, dass die Kommunikation zwischen dem älteren Mann, einem Japaner, und dem englischen Jungen nonverbal erfolgen muss. Die Körpersprache sagt dabei so manches. Die Beziehung zwischen den beiden ist anfangs gereizt, aber es entwickelt sich eine Verbindung zwischen Jung und Alt, wenn beide ihre Lebensgeschichten mithilfe von Zeichnungen austauschen. Kensuke malt mit handgefertigten Pinseln und Tinte, die er aus den Blütenblättern einer Blume presst.
Dabei vermischen sich asiatische Tuschemalerei mit europäischem Zeichentrick, ein Clin d‘Oeil, der sich auch schon an den Felsenformationen der Insel angedeutet hat, als Michael dort gestrandet ist. Man spürt die Anleihen an die japanische Kunstmalerei deutlich.
Auch auf diese Weise wird Kensukes Geschichte – er war Matrose auf einem torpedierten japanischen Kriegsschiff, dessen Frau und Kind in Nagasaki lebten – erzählt. Nur leider wird dieser historische Kontext lediglich am Rande dargestellt, und auch den philosophischen Aspekt hätte man bestimmt noch etwas vertiefen können.
Kensuke als ehemaliger Soldat, tut alles, um nie mehr mit der Menschheit in Kontakt zu treten; auch um nicht nochmals mit Krieg und Gewalt konfrontiert zu werden. Er ist ein Pazifist, was Morpurgo im Buch betont, und ist gewissermaßen auch ein Alter Ego des Schriftstellers, der selbst Soldat werden sollte, sich dann aber der Jugendliteratur hingewandt hat. Sein Buch „War Horse“über den Ersten Weltkrieg, das als Bühnenschauspiel und als Film von Steven Spielberg adaptiert wurde, ist ein weiteres Beispiel für das Thema Krieg und Pazifismus im Werk von Morpurgo.
„Kensuke‘s Kingdom“ist insofern eine Mischung aus Robinsonade und der wahren Geschichte japanischer Soldaten, die aus Scham für den verlorenen Krieg nicht mehr nach Hause kehren wollten. So harrte Onada Hiro, ein Nachrichtenoffizier, bis 1974 auf einer philippinischen Insel aus. Seine Geschichte wurde in „Onoda, 10.000 nuits dans la jungle“ganz rezent verfilmt.
Dieser Film ist ebenso wie das Buch sehr emotional gestrickt. Manche werden bestimmt eine Träne unterdrücken müssen. Und die Botschaft, dass wir trotz kultureller Unterschiede zusammenarbeiten sollten, um die Welt zu schützen, ist aktueller denn je. Die Zeichnungen sind sehr detailverliebt, die Ästhetik ansprechend.