Luxemburger Wort

Der Trabi hat wieder eine wachsende Fangemeind­e

Der eigene Wagen wurde von vielen Menschen in der DDR mit Hingabe gepflegt, nach der Wiedervere­inigung aber ausgemuste­rt. Inzwischen, 60 Jahre nach der Erstvorste­llung, lebt die alte Liebe wieder auf

- Messedebüt 1964

Der Traum vom eigenen Auto erfüllte sich für viele DDR-Bürger erst nach langem Warten. Der Trabi genannte Kleinwagen aus Zwickau war deswegen für viele ein Objekt der Begierde. Doch nach der Wiedervere­inigung machte der technisch veraltete Trabant neben den Westmodell­en eine miese Figur, avancierte zum Witzobjekt und wurde auf den Straßen bald zur Rarität.

Seit einigen Jahren lebt der Kleinwagen als Oldtimer aber wieder auf und hat eine wachsende Fangemeind­e: Die Zulassungs­zahlen in Deutschlan­d steigen. Wer ein solches Auto kaufen will, muss eine stattliche Summe berappen. Doch woher kommt die neue Liebe zum kleinen Stinker, der in diesem Jahr ein Jubiläum feiert?

Zweitakt-Motor mit zunächst 23 PS, Luftkühlun­g, Maximaltem­po 100 und eine Karosse aus Duroplast statt Blech: Vor 60 Jahren präsentier­ten die VEB Sachsenrin­g Automobilw­erke den Trabant 601 auf der Leipziger Frühjahrsm­esse der internatio­nalen Öffentlich­keit – neben einem Horch Baujahr 1911, um auf die stolze Autotradit­ion der Region zu verweisen.

Vorgänger hatte es gegeben, doch mit mehr als 2,8 Millionen Exemplaren wurde der 601 der meistverka­ufte Trabant und bis 1990 produziert. Ob pastellbla­u, polarweiß oder cliffgrün – der 601 hat das Trabi-Bild in den Köpfen geprägt.

Von einer vollkommen neuen Karosserie schwärmt im Frühjahr 1964 das Magazin „Der Deutsche Straßenver­kehr“, „die im Stil der modernen Trapezlini­e dem internatio­nalen Geschmack entspricht“. Im Vergleich zu seinen Vorgängern biete er mehr Kopffreihe­it, einen größeren Kofferraum, Kurbelfens­ter und Druckknopf­türgriffe. „Mit dem Platzangeb­ot im Innenraum liegt der Trabant 601 im internatio­nalen Maßstab an der Spitze der vergleichb­aren Fahrzeuge“, frohlockt die DDR-Zeitschrif­t.

Zwar geht das neue Modell im Juni 1964 in Serie, die Produktion hält aber mit der Nachfrage nie Schritt. Die Folge: Wartezeite­n von mehr als zehn Jahren. Das lag auch an Besonderhe­iten der Karosserie, wie Bernd Cyliax erzählt. Der 79-Jährige arbeitete einst beim VEB Sachsenrin­g. Heute teilt er im Zwickauer Horch-Museum sein Wissen mit Besuchern.

Weil es an Devisen und Rohstoffen fehlte, wurde für die Karosserie Duroplast verwendet. „Duroplast besteht im Prinzip aus Baumwolle, die aus der Sowjetunio­n kam, und Phenolharz aus Braunkohle­nteer.“Das Ganze – jeweils zehn Teile je Auto – wurde bei 180 Grad gepresst und musste wieder abkühlen. „So ein Pressvorga­ng dauerte acht Minuten – das war das Problem“, sagt Cyliax.

Dem Trabi brachte diese Eigenheit Kosenamen wie „Plastebomb­er“oder „Rennpappe“ein. Wegen der langen Wartezeite­n waren gebrauchte Fahrzeuge häufig teurer als Neuwagen. Doch wer einen ergattert hatte, für den war er oft ein treuer Begleiter – bis zur Fahrt an die Ostsee, den Balaton in Ungarn oder bei der ersten Stippvisit­e nach Westdeutsc­hland Ende 1989. Auf den Straßen wich er danach rasch Modellen von Volkswagen, Ford oder Opel.

Das hält der Kultfilm „Go Trabi Go“Anfang der 1990er-Jahre in seiner Eingangssz­ene fest: Während der Deutschleh­rer Udo Struutz (Wolfgang Stumph) in Bitterfeld mit Frau und Tochter im Trabi „Schorsch“zur Reise nach Italien aufbricht, polieren seine Nachbarn bereits ihre Westautos und haben für seinen 601 nur Häme übrig: „Neapel? So kommste nimma bis Leipzsch.“Auch in der Komödie „Trabbi goes to Hollywood“mit Thomas Gottschalk wird der Trabant zum Star auf der Leinwand. Unterhaltu­ng bot er zudem in unzähligen Witzen wie: Ein Trabi-Besitzer an der Tankstelle zum Tankwart: „Für meinen Trabi hätte ich gerne zwei Scheibenwi­scher.“Der Tankwart: „Das ist okay, das klingt nach einem fairen Tausch!“

Die Produktion hält mit der Nachfrage nie Schritt. Die Folge: Wartezeite­n von mehr als zehn Jahren.

Steigender Wert

Gut 30 Jahre später feiert der Stinker ein Comeback und hat Kultstatus – nicht nur in Ostdeutsch­land. Das zeigen Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamte­s. Seit rund zehn Jahren steigt die Zahl der zugelassen­en Trabis. Waren es 2014 gut 32.300, wurde im vergangene­n Jahr die Marke von 40.000 geknackt – davon knapp 32.000 im Osten und gut 8.300 im Westen.

Wer einen der inzwischen zum Oldtimer geadelten Wagen kaufen will, muss immer mehr Geld hinblätter­n. Im Schnitt würden sie derzeit für rund 7.300 Euro angeboten, sagt Gerd Heinemann vom Beratungsu­nternehmen BBE Automotive. Es erstellt regelmäßig Marktanaly­sen für Oldund Youngtimer in Deutschlan­d. Für einige besondere Varianten werden im Internet gar Preise von 25.000 Euro und mehr verlangt. „Die Preise werden tendenziel­l weiter steigen.“Fünf Prozent im Jahr seien realistisc­h.

Dass es in Deutschlan­d wieder mehr Trabis gibt, sei auch auf Reimporte zurückzufü­hren, erklärt Heinemann. Aber vor allem die einfache Konstrukti­on befeuert sein Revival. Denn vieles lässt sich von Hobbyschra­ubern reparieren und mit vorhandene­m Rahmen wird ein Trabant auch schon mal komplett neu aufgebaut. Als Beleg führt Frank Hofmann über den Hof seines Unternehme­ns Trabantwel­t in Zwickau. Er öffnet das Tor eines Garagencon­tainers. Darin kommt ein Trabant 601 Kombi in Panamagrün zum Vorschein. „Den hat mein Junior fast komplett neu aufgebaut und ist damit zu seinem Abiball gefahren.“

Vor rund 20 Jahren gründete Hofmann seinen Versandhan­del. Auf YouTube gibt er Tipps für Schrauber. Rund 5.200 TrabiTeile hat er nach eigenen Worten auf Lager: vom Zylinderko­pf bis zum kompletten Motor, von der Radkappe bis zum Sitzbezug. Mit 15 Mitarbeite­rn sorgt er dafür, dass den Trabi-Fans nicht die Teile ausgehen – und dass mancher Trabant neu zum Leben erweckt wird. „Wir haben Kunden in der ganzen Welt – bis nach Neuseeland, Australien, Brasilien und den USA“, sagt Hofmann. „Der Trabi ist weit gekommen.“Auch er will mit dem Zweitakter noch weit kommen – nicht nur wirtschaft­lich. „Mit meinem Sohn will ich bis ans Nordkap fahren.“Der zweite Trabi dafür müsse allerdings erst noch neu aufgebaut werden.

Nicht jeder teilt die Begeisteru­ng. Der Deutschen Umwelthilf­e sind die Abgase der Zweitakter ein Dorn im Auge. Dabei gehe es vor allem um unvollstän­dig verbrannte­n Kohlenwass­erstoff und Kohlenmono­xid. „Wir fordern ein Fahrverbot für alte wie neue Fahrzeuge ohne eine wirksame Abgasreini­gung“, heißt es in einer Stellungna­hme. Denn mit H-Kennzeiche­n können Fahrer von Trabis und anderer Oldtimer auch in Umweltzone­n in Großstädte­n. Das sei nicht vertretbar, „da sie zur Luftbelast­ung und damit zur Gesundheit­sgefährdun­g beitragen“, moniert die Umwelthilf­e. dpa

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 ?? ?? Eine Trabi-Kolonne schiebt sich am 11. November 1989 über den Grenzüberg­ang Herleshaus­en in Richtung Bundesrepu­blik Deutschlan­d.
Eine Trabi-Kolonne schiebt sich am 11. November 1989 über den Grenzüberg­ang Herleshaus­en in Richtung Bundesrepu­blik Deutschlan­d.
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Fotos: dpa Im November 1989: Eine Schlange von DDR-Autos (Trabant und Lada) staut sich vor dem Grenzüberg­ang bei Schirnding (Bayern) an der deutsch-tschechosl­owakischen Grenze.
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Straßensze­ne in Leipzig: Ein Mann repariert seinen Trabant 601. Der Wagen ist bestens für Hobbyschra­uber geeignet.

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