Schnelles Geld für Diebesgut aus Luxemburg
Wer die Spur der Hehler aufnehmen will, muss nur jener des Drogenhandels folgen. Und die führt ins französisch-belgische Grenzgebiet
11.324 einfache Diebstähle und 2.958 Einbrüche in bewohnte Häuser wurden der Polizei im Jahr 2022 gemeldet. Für den Verkauf des dabei erbeuteten Diebesguts, bräuchte es eigentlich ein eigenes Anzeigenblatt. Doch einen offen sichtbaren Schwarzmarkt, wie er in europäischen Großstädten teilweise existiert, kennt Luxemburg wohl nicht. Eine Spurensuche.
Die Ermittlungen und die damit verbundenen Festnahmen im Bereich der Eigentumsdelikte machen deutlich, dass hierzulande derzeit keine große, international agierende und gut organisierte kriminelle Organisation am Werk ist. Die überwältigende Mehrheit der rund 460 Diebstähle aus Kellern und Garagen zwischen Januar und Oktober vergangenen Jahres ordnet die Polizei fast ausnahmslos der Beschaffungskriminalität zu – lokale Täter, die mit Einbrüchen und Diebstählen ihren Drogenkonsum finanzieren.
Die Beute taucht dann oft genau dort wieder auf, wo die Intensivkonsumenten sie direkt gegen Drogen oder schnelles, wenn auch kleines Geld eintauschen können. Also eigentlich an jenen Orten, wo der Drogenhandel auch offen sichtbar ist, zum Beispiel im Bahnhofsviertel der Hauptstadt, am Bahnhof und im Brill-Viertel in Esch oder auch in Bahnhofsnähe in Ettelbrück.
„Das gilt auch für gestohlene Fahrräder“, betont Polizeisprecher Frank Stoltz. „Es gibt durchaus Einzelfälle, in denen Fahrräder in der Großregion wieder aufgetaucht sind. Diese wurden dann gezielt gestohlen, um sie weiterzuverkaufen.“
Verschollen im Dreiländereck
Um dem Diebesgut aus der Beschaffungskriminalität auf die Spur zu kommen, genügt es im Prinzip, den Drogen und den Dealern über die direkten Umschlagplätze hinaus zu folgen. Wie das „Luxemburger Wort“bereits 2021 berichtete, ist hier das Dreiländereck zwischen Mont-Saint-Martin, Longwy, Aubange, Athus und Rodange der entscheidende Hotspot.
In dieser verkehrs- und bevölkerungsreichen Region haben die Dealer den Grenzübertritt zu einem regelrechten Modus Operandi gemacht. Das Hin und Her zwischen den Ländern erschwert die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden erheblich. Denn obwohl die Fahnder aus Luxemburg, Frankreich und Belgien an einem Strang ziehen, müssen sie immer wieder zeit- und arbeitsintensive Hürden überwinden. Dazu gehört, dass Anfragen an die ausländischen Kollegen auf offiziellem Weg – per Rechtshilfeersuchen – über die Staatsanwaltschaften der drei Länder laufen.
Das Phänomen des „Borderhopping“im Drogenhandel ist, wenn auch in geringerem Ausmaß, auch an der deutschen Grenze um Remich und Nennig zu beobachten. Neue Abkommen zur polizeilichen Zusammenarbeit wurden zuletzt im vergangenen September auf Benelux-Ebene und im Januar mit Frankreich geschlossen. Doch auch dies sind zaghafte, erste und längst überfällige Schritte im Kampf gegen eine Kriminalität, die weit vorauseilt.
Zudem stehen sie in keinem Verhältnis zur alltäglichen Realität einer Kriminalität, die nur noch selten streng ortsgebunden ist. Nach LW-Informationen landet beispielsweise Diebesgut aus Luxemburg immer wieder in Gebrauchtwarenläden im benachbarten Grenzland, insbesondere auch auf Baustellen entwendete Arbeitsgeräte. Etwas zurückhaltender äußert sich die Polizei. „Es ist tatsächlich schon vorgekommen, dass im Rahmen von Baustellendiebstählen das eine oder andere Arbeitsgerät in der Großregion wieder aufgetaucht ist“, bestätigt Frank Stoltz auf Anfrage. „Das wurde dann in Gebrauchtwarenläden angeboten.“
Es gibt durchaus Einzelfälle, in denen Fahrräder in der Großregion wieder aufgetaucht sind. Diese wurden dann gezielt gestohlen, um sie weiterzuverkaufen. Frank Stoltz, Polizeisprecher
Keine Fragen, keine Zweifel
Für Diebe und Hehler sind solche Läden interessant. Sie versprechen gutes und schnelles Geld für Dinge, für die der Besitzer keine Verwendung mehr hat. Die Originalrechnung für einen angebotenen Gegenstand wird meist nicht benötigt.
Auch die Geldflüsse bleiben intransparent, vor allem wenn bar bezahlt wird. Eine Praxis, die auch in einem anderen Bereich des Drogenhandels blühende Geschäfte ermöglicht: den Geldtransferfilialen, in denen Bargeld in einem Land eingezahlt und an je
dem Ort der Welt wieder abgehoben werden kann. Und: Es ist kaum anzunehmen, dass die Ausweiskontrollen in den Geschäften, in denen Ware zu Geld gemacht werden kann, strenger sind als in den Geldtransferstuben. Denn: Wer keine Fragen stellt, muss auch keine Antworten fürchten.
Strengere Kontrollen diesseits der Grenze
Dass Hehlerware in Second-Hand-Läden gehandelt wird, kommt in Luxemburg allerdings seltener vor. „Weil bei uns in diesem Bereich restriktiver kontrolliert wird“, betont Polizeisprecher Frank Stoltz. Bei gestohlenen Arbeits- und Handwerksgeräten komme es übrigens auch vor, dass sie von den Tätern selbst genutzt oder weitergegeben werden. „Dass es im Zusammenhang mit Schwarzarbeit eingesetzt wird, können wir aber weder bestätigen noch ganz ausschließen“, sagt Stoltz auf konkrete Nachfrage.
Es gibt eine weitere Grauzone, die oft übersehen wird, weil sie seltener im Blickpunkt der Öffentlichkeit steht: Sie liegt im Nachtleben, in Bars und Diskotheken, wo sich Menschen unterschiedlichster sozialer Herkunft treffen und unerwartete, sporadische Allianzen entstehen können. Menschen, die ihren Lebensunterhalt normalerweise auf andere Weise verdienen, geraten seltener in den Verdacht, illegalen Aktivitäten nachzugehen. Die Aussicht auf schnelles Geld verleitet aber auch sie mitunter dazu, sich auf Geschäfte einzulassen, bei denen nicht allzu viele Fragen gestellt werden.