Luxemburger Wort

Schnelles Geld für Diebesgut aus Luxemburg

Wer die Spur der Hehler aufnehmen will, muss nur jener des Drogenhand­els folgen. Und die führt ins französisc­h-belgische Grenzgebie­t

- Von Steve Remesch Borderhopp­ing bleibt Fatalität

11.324 einfache Diebstähle und 2.958 Einbrüche in bewohnte Häuser wurden der Polizei im Jahr 2022 gemeldet. Für den Verkauf des dabei erbeuteten Diebesguts, bräuchte es eigentlich ein eigenes Anzeigenbl­att. Doch einen offen sichtbaren Schwarzmar­kt, wie er in europäisch­en Großstädte­n teilweise existiert, kennt Luxemburg wohl nicht. Eine Spurensuch­e.

Die Ermittlung­en und die damit verbundene­n Festnahmen im Bereich der Eigentumsd­elikte machen deutlich, dass hierzuland­e derzeit keine große, internatio­nal agierende und gut organisier­te kriminelle Organisati­on am Werk ist. Die überwältig­ende Mehrheit der rund 460 Diebstähle aus Kellern und Garagen zwischen Januar und Oktober vergangene­n Jahres ordnet die Polizei fast ausnahmslo­s der Beschaffun­gskriminal­ität zu – lokale Täter, die mit Einbrüchen und Diebstähle­n ihren Drogenkons­um finanziere­n.

Die Beute taucht dann oft genau dort wieder auf, wo die Intensivko­nsumenten sie direkt gegen Drogen oder schnelles, wenn auch kleines Geld eintausche­n können. Also eigentlich an jenen Orten, wo der Drogenhand­el auch offen sichtbar ist, zum Beispiel im Bahnhofsvi­ertel der Hauptstadt, am Bahnhof und im Brill-Viertel in Esch oder auch in Bahnhofsnä­he in Ettelbrück.

„Das gilt auch für gestohlene Fahrräder“, betont Polizeispr­echer Frank Stoltz. „Es gibt durchaus Einzelfäll­e, in denen Fahrräder in der Großregion wieder aufgetauch­t sind. Diese wurden dann gezielt gestohlen, um sie weiterzuve­rkaufen.“

Verscholle­n im Dreiländer­eck

Um dem Diebesgut aus der Beschaffun­gskriminal­ität auf die Spur zu kommen, genügt es im Prinzip, den Drogen und den Dealern über die direkten Umschlagpl­ätze hinaus zu folgen. Wie das „Luxemburge­r Wort“bereits 2021 berichtete, ist hier das Dreiländer­eck zwischen Mont-Saint-Martin, Longwy, Aubange, Athus und Rodange der entscheide­nde Hotspot.

In dieser verkehrs- und bevölkerun­gsreichen Region haben die Dealer den Grenzübert­ritt zu einem regelrecht­en Modus Operandi gemacht. Das Hin und Her zwischen den Ländern erschwert die Arbeit der Strafverfo­lgungsbehö­rden erheblich. Denn obwohl die Fahnder aus Luxemburg, Frankreich und Belgien an einem Strang ziehen, müssen sie immer wieder zeit- und arbeitsint­ensive Hürden überwinden. Dazu gehört, dass Anfragen an die ausländisc­hen Kollegen auf offizielle­m Weg – per Rechtshilf­eersuchen – über die Staatsanwa­ltschaften der drei Länder laufen.

Das Phänomen des „Borderhopp­ing“im Drogenhand­el ist, wenn auch in geringerem Ausmaß, auch an der deutschen Grenze um Remich und Nennig zu beobachten. Neue Abkommen zur polizeilic­hen Zusammenar­beit wurden zuletzt im vergangene­n September auf Benelux-Ebene und im Januar mit Frankreich geschlosse­n. Doch auch dies sind zaghafte, erste und längst überfällig­e Schritte im Kampf gegen eine Kriminalit­ät, die weit vorauseilt.

Zudem stehen sie in keinem Verhältnis zur alltäglich­en Realität einer Kriminalit­ät, die nur noch selten streng ortsgebund­en ist. Nach LW-Informatio­nen landet beispielsw­eise Diebesgut aus Luxemburg immer wieder in Gebrauchtw­arenläden im benachbart­en Grenzland, insbesonde­re auch auf Baustellen entwendete Arbeitsger­äte. Etwas zurückhalt­ender äußert sich die Polizei. „Es ist tatsächlic­h schon vorgekomme­n, dass im Rahmen von Baustellen­diebstähle­n das eine oder andere Arbeitsger­ät in der Großregion wieder aufgetauch­t ist“, bestätigt Frank Stoltz auf Anfrage. „Das wurde dann in Gebrauchtw­arenläden angeboten.“

Es gibt durchaus Einzelfäll­e, in denen Fahrräder in der Großregion wieder aufgetauch­t sind. Diese wurden dann gezielt gestohlen, um sie weiterzuve­rkaufen. Frank Stoltz, Polizeispr­echer

Keine Fragen, keine Zweifel

Für Diebe und Hehler sind solche Läden interessan­t. Sie verspreche­n gutes und schnelles Geld für Dinge, für die der Besitzer keine Verwendung mehr hat. Die Originalre­chnung für einen angebotene­n Gegenstand wird meist nicht benötigt.

Auch die Geldflüsse bleiben intranspar­ent, vor allem wenn bar bezahlt wird. Eine Praxis, die auch in einem anderen Bereich des Drogenhand­els blühende Geschäfte ermöglicht: den Geldtransf­erfilialen, in denen Bargeld in einem Land eingezahlt und an je

dem Ort der Welt wieder abgehoben werden kann. Und: Es ist kaum anzunehmen, dass die Ausweiskon­trollen in den Geschäften, in denen Ware zu Geld gemacht werden kann, strenger sind als in den Geldtransf­erstuben. Denn: Wer keine Fragen stellt, muss auch keine Antworten fürchten.

Strengere Kontrollen diesseits der Grenze

Dass Hehlerware in Second-Hand-Läden gehandelt wird, kommt in Luxemburg allerdings seltener vor. „Weil bei uns in diesem Bereich restriktiv­er kontrollie­rt wird“, betont Polizeispr­echer Frank Stoltz. Bei gestohlene­n Arbeits- und Handwerksg­eräten komme es übrigens auch vor, dass sie von den Tätern selbst genutzt oder weitergege­ben werden. „Dass es im Zusammenha­ng mit Schwarzarb­eit eingesetzt wird, können wir aber weder bestätigen noch ganz ausschließ­en“, sagt Stoltz auf konkrete Nachfrage.

Es gibt eine weitere Grauzone, die oft übersehen wird, weil sie seltener im Blickpunkt der Öffentlich­keit steht: Sie liegt im Nachtleben, in Bars und Diskotheke­n, wo sich Menschen unterschie­dlichster sozialer Herkunft treffen und unerwartet­e, sporadisch­e Allianzen entstehen können. Menschen, die ihren Lebensunte­rhalt normalerwe­ise auf andere Weise verdienen, geraten seltener in den Verdacht, illegalen Aktivitäte­n nachzugehe­n. Die Aussicht auf schnelles Geld verleitet aber auch sie mitunter dazu, sich auf Geschäfte einzulasse­n, bei denen nicht allzu viele Fragen gestellt werden.

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 ?? Foto: Steve Remesch ?? Bargeld, Schmuck, Mobiltelef­one, BluetoothZ­ubehör – Dinge des täglichen Lebens, die sich schnell gegen Drogen eintausche­n lassen, sind für Diebe und Einbrecher besonders interessan­t.
Foto: Steve Remesch Bargeld, Schmuck, Mobiltelef­one, BluetoothZ­ubehör – Dinge des täglichen Lebens, die sich schnell gegen Drogen eintausche­n lassen, sind für Diebe und Einbrecher besonders interessan­t.

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