Tiny Houses in Bereldingen sorgen für dicke Luft
Bezahlbarer Wohnraum für junge Menschen klingt nach einem überzeugenden Projekt. Doch damit stößt die Gemeinde nicht bei allen Bürgern auf Verständnis
Wo sich einst Fuchs und Hase zwischen Büschen und Bäumen im Herzen von Bereldingen gute Nacht sagten, liegt heute ein karges Baugrundstück. Ein paar japanische Kirschbäume säumen noch den Weg, der die Rue Michel Rodange mit der Rue des Jardins verbindet. Ansonsten stehen nur noch ein paar Obstbäume und eine alte Linde auf dem Gelände der Gemeinde.
Die Kommune plant hier ein neues Projekt mit acht Tiny Houses, die sich in fußläufiger Entfernung zu öffentlichen Verkehrsmitteln und Einkaufsmöglichkeiten befinden. Jedes Tiny House soll sich über eine Größe von 40 Quadratmetern auf zwei Etagen erstrecken. Um lange Baustellen zu vermeiden, werden die Häuser in vorgefertigten Modulen angeliefert und innerhalb weniger Tage vor Ort aufgebaut. Inmitten der Tiny Houses wird ein Gemeinschaftshaus errichtet, in dem die Zentralheizung, eine gemeinsame Waschküche und ein Gemeinschaftsraum untergebracht sind. Damit soll die soziale Komponente des Projektes gestärkt werden.
Wie Bürgermeister François Sauber (CSV) im Gespräch mit dem Luxemburger Wort betont, sei das Projekt nur ein Puzzleteil in der Vision der Gemeinde, um der Wohnungsnot im Land entgegenzutreten. „Wir sind auf verschiedenen Fronten aktiv, und zwar mit einer Vielzahl an Projekten“, unterstreicht der Bürgermeister. Bei den Tiny Houses habe sich die Gemeinde verpflichtet, sie mindestens die nächsten 40 Jahre als bezahlbaren Wohnraum anzubieten.
Grundstück effizient genutzt
Neben 13 weiteren Wohnprojekten richtet sich dieses konkret an junge Menschen zwischen 18 und 32 Jahren, die in die Berufswelt einsteigen. Die Miete wird an das Gehalt angepasst, um den Auszug aus dem Elternhaus ohne finanziellen Ruin zu ermöglichen.
„Diese Wohninsel mit Doppelhäusern zu versiegeln, war nicht in unserem Interesse“, so Bürgermeister Sauber. Die Gemeinde habe einen Kompromiss gesucht, um möglichst viel Natur zu erhalten und gleichzeitig ihrer Verantwortung als Gemeinde zur Schaffung von Wohnraum gerecht zu werden, so die Erste Schöffin Jessie Thill (Déi Gréng).
Emotionales Thema in der Nachbarschaft
Ende Januar rückten Gemeinde- und Forstarbeiter in Bereldingen an, um das Gelände zu säubern und für das kommende Projekt vorzubereiten. Es scheint ein emotionales Thema zu sein, die Gemüter sind erhitzt, vor allem in der Nachbarschaft. „Wir haben um jeden Baum gekämpft“, sagt Marianna Astapova, deren Garten direkt an das Grundstück der Gemeinde grenzt. „Aber wir haben den Kampf verloren“, sagt derweil Barbara Nagel resigniert und zeigt auf die freie Fläche hinter dem Haus. Seit fünf Jahren wohnt sie in der Rue Michel Rodange.
Ihr Kampf begann, lange bevor die ersten Motorsägen auf dem Gelände zu sehen waren. Kaum hatten die Nachbarn von dem Projekt erfahren, schlossen sie sich zusammen und wandten sich an die Gemeinde. Im Juni und im Oktober fanden Treffen zwischen Gemeindevertretern und Bürgern statt. „Sie hatten Fragen und bekamen Antworten“, sagt François Sauber.
„Wir waren nicht gegen das Projekt an sich, wir waren nur nicht davon überzeugt, dass dies der richtige Ort dafür ist“, sagt Barbara Nagel. Obwohl die Nachbarn über 200 Unterschriften sammelten, mussten die Bäume weichen. „Das ist die Abholzung eines Wäldchens“, fasst Barbara Nagel die Situation zusammen. Für sie war das Wäldchen die grüne Lunge des Viertels. Dort, wo die Kinder von Marianna As
tapova laufen und die von Barbara Nagel Fahrrad fahren gelernt haben. Jetzt sorgen sie sich um die Sicherheit ihrer Kinder. Doch François Sauber betont, dass der gepflasterte Weg nur im Notfall von Rettungsdiensten benutzt wird.
Die Nachbarn stellen auch den ökologischen Aspekt des Projekts infrage. Ein Leben im Einklang mit der Natur sei nicht mehr möglich. „Wir haben alle geweint, als die Bäume gefällt wurden“, sagt Barbara Nagel. Auch in der Kommunikation mit der Gemeinde fühlen sich die drei Nachbarinnen alleingelassen. Sie würden es begrüßen, wenn sie in Zukunft besser informiert und in den Prozess eingebunden würden.
Flora und Fauna nicht schützenswert
„Nicht alles, was grün ist, ist gut“, so Jessie Thill und verweist auf eine Umweltstudie, die 2023 von einem unabhängigen Büro für das Grundstück erstellt wurde. Laut die
sem gibt es dort außer einer alten Linde und zwei Obstbäumen keine schützenswerte Vegetation.
Außerdem habe sich über die Jahre eine zur Hälfte undurchdringliche Vegetation gebildet, die sich unter anderem aus invasiven Arten zusammensetzte. „Dort hat sich keine Natur entwickelt, die die Biodiversität fördert“, so Jessie Thill. Verschiedene Vogelarten seien zwar nachgewiesen worden, allerdings wurde der kleine Wald nicht als Brutort genutzt. Gleiches gilt für Fledermäuse. Die Gemeinde werde zwischen Tiny Häuser und angrenzende Gärten heimische Bäume und Sträucher pflanzen, um einen ökologischen Sichtschutz zu gewährleisten und die Biodiversität zu fördern.
Noch ist nichts in Stein gemeißelt: Größe und Lage der Unterkünfte auf dem Gelände können sich noch ändern, da das Projekt noch nicht ausgeschrieben ist. Frühestens in einem Jahr soll es losgehen. Bis dahin müssen wohl auch die japanischen Kirschbäume weichen.
Nicht alles, was grün ist, ist gut. Jessie Thill, Erste Schöffin der Gemeinde Walferdingen