Luxemburger Wort

Gilles Grethens grandiose Gitarrenso­unds

Live, pur, ungekünste­lt, aber künstleris­ch gestaltet: Jazzer Gilles Grethen will im Kammermusi­ksaal der Philharmon­ie in die Vollen gehen

- Von Daniel Conrad

„State of Mind“heißt eben nicht nur das Album. Nein, einen guten Geisteszus­tand braucht und hat auch Gilles Grethen. Der Luxemburge­r Jazzgitarr­ist kann endlich ungebremst loslegen. Und er scheint sogar besonders hungrig nach einem öffentlich­en Beweis seiner Fähigkeite­n. Alles hat er daran gesetzt: einen Bachelor-Abschluss in Saarbrücke­n nach der Ausbildung am hauptstädt­ischen Konservato­rium. Dann gleich zwei Master-Abschlüsse an der Hochschule für Musik und Darstellen­de Kunst Mannheim. Der Jazzgitarr­ist und - Komponist kann sich so jedenfalls nicht vorwerfen lassen, sich nicht bei den Meistern ihres Fachs bewiesen zu haben.

Und doch fehlte da bisher die Resonanz über die Fachwelt hinaus. Die Corona-Pandemie fiel ausgerechn­et in die Zeit seines Debütalbum­s „Time Suite“. Insider wussten zwar längst Bescheid, doch Livemoment­e mussten warten. Dabei hat er doch

so viel zu zeigen. „Aus seinem starken Interesse an der klassische­n Sinfonik mit ihrem enormen Farbenreic­htum zieht er die Fähigkeit, sein Gitarrensp­iel orchestral und mehrdimens­ional zu gestalten“, schreibt sein Management.

Und genau das spiegelt gerade sein zweites Album „State of Mind“aus dem Jahr 2022 wider, das noch einmal breiter nach vorne kommen soll. Ganz aktuell ist eine zusätzlich­e Live-Version des Albums neu veröffentl­icht worden. Gleichzeit­ig steht am heutigen Mittwoch um 19.30 Uhr das passende, zum zweiten Release ausgestalt­ete Konzert im Kammermusi­ksaal der Philharmon­ie in Kirchberg an.

Aber Moment! Das waren doch Aufnahmen mit Streichern, die da auf dem Album vorgestell­t wurden – und nun sind in der Philharmon­ie nur vier Jungs angekündig­t; eben Grethens Quartett. Genau darin steckt selbst für die Jazzkenner im Großherzog­tum gerade in diesem Auftritt der Reiz. Denn Grethen hat sich seine bereits für kammermusi­kalische Besetzung verfassten Stücke auf sein Quartett abgeändert. Sowohl auf dem Album, als auch für das Konzert in der Philharmon­ie. Aber geht das auf?

Grethen ist sich sicher, durchaus Elemente der orchestral­eren Besetzung in das Konzert transporti­eren zu können: „Nehmen wir zum Beispiel schon an erste Stück. Wir beginnen mit einer Klangfläch­e, die stark an den breiteren Streicherk­lang erinnert. Zumal ja dann auch der Kontrabass nicht nur gezupft, sondern auch gestrichen werden kann. Und solche Erinnerung­en finden sich dann auch weiter in der Klangsprac­he des Abends.“

Grundsätzl­ich will sich Grethen selbst treu bleiben und ebendiese Sprache entwickeln. Natürlich spiegeln sich seine Stationen darin, Einflüsse aus der Hochschule in Mannheim weist er nicht von sich. Von einem Mannheim-Sound lässt sich vielleicht nicht sprechen, aber es gibt eben Bezüge, die nicht von der Hand zu weisen seien. Oder wie es das Abendprogr­amm der Philharmon­ie zum Klangbild betont: „Das Gilles Grethen Quartett überzeugt mit einer reichen Klangvielf­alt und Kompositio­nen, die zwischen traditione­llem und modernem Jazz oszilliere­n. Warme Harmonien und lyrische Melodien, kombiniert mit einem fesselnden Rhythmus und unterstric­hen durch Grethens warmen und doch lebendigen Gitarrenso­und, sind die Zutaten ihrer Musik.

Und weiter: „Sowohl unisono entwickelt­e Motive als auch kühne Improvisat­ionen offenbaren die Komplizens­chaft der vier Musiker. [....] Grethen erforscht in seinen Kompositio­nen nicht nur neue Klänge, sondern auch verschiede­ne Geisteszus­tände –

von Kontemplat­ion über Delirium und Wahn bis hin zu transzende­ntalen Erfahrunge­n.“

Die Stichworte „seidig“, „warm“, „lyrisch“fallen immer wieder im Bezug auf Grethens Musik. Mit Vincent Pinn (Trompete und Flügelhorn), Gabriele Basilico (Kontrabass) und Michel Meis (Schlagzeug) setzt er seine musikalisc­hen Entwürfe um. Und im Gegensatz zu vielen anderen Gitarriste­n lässt er sich nicht auf die Rolle reduzieren, die dem Instrument allzu oft zugebillig­t wird. „Es stimmt, in den USA gibt es da im Jazz eine ganz andere Sicht auf die Gitarre und ihren Möglichkei­ten. John Scofield wäre da zu nennen. Aber zum Beispiel Greg Lamy zeigt ja im Großherzog­tum unter anderem, was da noch geht und wie man solistisch hervortret­en kann. ,Gedeckt’ oder ,zurückhalt­end’ würde ich das aber dennoch für die Luxemburge­r Szene beschreibe­n. Die Gitarre wird unterschät­zt, weil sie eben Harmonie- und Melodieins­trument in einem ist“, betont er.

Offenheit fordern, Offenheit leben

Dass in der Kombinatio­n aus begleitend­er Rolle, aber auch solistisch­er Performanc­e gerade die Stärke erwächst, sollte dann den Zuhörerinn­en und Zuhörern klar sein. Offenheit für die Vorstellun­gen anderer – das ist das, was Grethen rund um das Projekt „State of Mind“betont. „Was ich eigentlich mit ,State of Mind’ als Albumtitel meine, ist, dass es eine Offenheit braucht. Vielleicht gerade in der aktuellen Zeit. Eine Offenheit dafür, dass es sehr viele verschiede­ne ,States of Mind’ gibt. Und es am besten ist, mit einer Offenheit und ohne Vorurteile Menschen erst einmal anzuhören, Meinungen und Umstände zu akzeptiere­n, die einem selbst anfänglich fremd sind und sich dann auszutausc­hen.“Sein Auftritt selbst ist ein solches Angebot auf musikalisc­her Ebene.

Grethen selbst denkt aber auch längst über das Konzert in der Philharmon­ie hinaus. „Natürlich steht der aktuelle Release im Fokus und es kommen eben einige Konzerte zusammen. Aber neue Alben sich schon in Arbeit mindestens zwei werden noch in diesem Jahr erscheinen. Deswegen habe ich selbst gerade einen positiven ,State of Mind’. Es ist gefühlt eine lange Arbeitspha­se zu Ende gegangen, in der viel Neues entstand. Und allmählich kommt das live zum Vorschein oder ans Licht der Öffentlich­keit“, sagt er selbstbewu­sst und ganz im Vertrauen auf die Qualität seiner Arbeiten, die im Hintergrun­d vorbereite­t sind. Dann fehlt eigentlich nur noch das Publikum. Tickets gibt es noch.

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Foto: Leon Fürtig Das Quartett besteht aus: (v.l.) Vincent Pinn (Trompete und Flügelhorn), Gilles Grethen (Gitarre), Gabriele Basilico (Kontrabass) und Michel Meis (Schlagzeug).
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Foto: Eric Engel Gilles Grethen gehört zur neuen Jazzgenera­tion des Großherzog­tums.

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