Den Briten droht der Schwarztee auszugehen
Der jüngste Engpass im Lebensmittelregal macht die Engländer nervös, betrifft es doch jenes Getränk, das den Inselbewohnern so lieb ist, dass jeder Zweite sicherheitshalber eine Packung in den Urlaub mitnimmt
Gähnende Leere im Supermarktregal bringt die Briten eigentlich nicht mehr aus der Ruhe. Zu gewohnt sind fehlendes Gemüse, Begrenzungen beim Eierkauf oder ausstehende Fleischlieferungen seit Pandemie und Brexit. Doch der jüngste Engpass schlägt den Engländern nun doch etwas schwerer aufs Gemüt. Jenes Getränk, das laut dem früherem Premierminister Winston Churchill wichtiger sei als Munition und deshalb zur Moral der Matrosen in unlimitierter Menge auf seinen Schiffsflotten vorhanden sein sollte, wird zunehmend knapper.
„Wir erleben derzeit Lieferprobleme bei der landesweiten Versorgung von Schwarztee“, stand vergangene Woche auf kleinen Informationsschildern in den Teeregalen der Supermarktkette Sainsbury’s. Und der britische Teeproduzent Tetley, der rund 41. Tonnen Teebeutel im Jahr produziert, erklärte gegenüber der BBC: „Im Moment ist es viel knapper, als wir es gerne hätten. Wir sind ziemlich zuversichtlich, dass wir das Versorgungsniveau halten können, sind uns aber bewusst, dass dies eine kritische Phase ist, die unsere ständige Aufmerksamkeit erfordert.“Und auch Yorkshire Tea, der Tetley vor ein paar Jahren produktionstechnisch überholte und nach PG Tips nun Englands zweitgrößter Teeproduzent ist, habe „die Situation genau im Auge“.
Einheimische Produktion verschwindend gering
Denn obwohl Tee, vor allem Schwarztee, im Vereinigten Königreich mit 61 Milliarden Tassen im Jahr nach Wasser das meistkonsumierte Getränk ist und durch Traditionen wie Cream Tea oder in Sorten wie English Breakfast Tea eng mit britischer Kultur verbunden ist, gab es bis zur Jahrtausendwende – als das kornische Anwesen Tregothnan mit seinen günstig gelegenen Gärten in den Teekonsum einstieg – keinen tatsächlich englischen Tee.
Die Pflanze benötigt (sub-)tropisches Klima: heiß und feucht. Und so wird der meiste Tee heutzutage in China, in den Provinzen Yunnan, Guangdong und Zhejiang, oder Indien, Kenia und Sri Lanka gewonnen. Die englische Firma Tregothnan produziert in ihren Teegärten in Cornwall zwar mittlerweile drei Millionen Teebeutel im Jahr, doch das kann nur 0,02 Prozent der weltweiten Nachfrage abdecken. Und so bleibt Großbritannien fünftgrößter Importeur von unverarbeitetem Tee, der im Land gemischt und verpackt wird. Transportiert werden die Teefuhren aus Asien auf Containerschiffen durch das Rote Meer.
Doch das Gebiet zwischen der arabischen Halbinsel und Afrika, das als Zugang zum Suezkanal dient und durch das rund zwölf Prozent des weltweiten Handels geschifft wird, erlebt derzeit Behinderungen. Im November haben jemenitische Huthi-Rebellen begonnen, Schiffe im und um das Rote Meer anzugreifen. Als Vergeltung für die israelische Offensive in Gaza, die eine Folge der Hamas-Attacke am 7. Oktober 2023 war. Mittlerweile vermeiden rund 55 Prozent aller Contai
Die englische Firma Tregothnan produziert in ihren Teegärten in Cornwall zwar drei Millionen Teebeutel im Jahr, doch das kann nur 0,02 Prozent der weltweiten Nachfrage abdecken.
nerschiffe dieses Gewässer und nehmen lieber die Route über das südafrikanische Cap der guten Hoffnung. Durch den 6.400 Kilometer langen Umweg dauert die Reise von Asien nach Europa aber nicht nur bis zu zwei Wochen länger, sondern wird wohl auch um ein bis zwei Millionen Euro teurer.
Durch den 6.400 Kilometer langen Umweg über Südafrika dauert die Reise des Tees von Asien nach Europa bis zu zwei Wochen länger.
Angst vor Hamsterkäufen
Auch wenn die besuchten Sainsbury’s-Filialen um London alle noch Tee-Packungen führten, waren die Regale doch deutlich dünner bestückt als gewohnt. Und so sorgen sich die Briten bereits, ob Engpässe zu Panikkäufen und – wie es die „Daily Mail“ausdrückt – „Verwüstung“führen könnten. Der 61-jährige Kevin Ashton meinte etwa zu „Mail Online“, er wäre „am Boden zerstört“, sollte in den Supermärkten die Teebeutel ausgehen. „Ich trinke Tee, seit ich ein Baby bin – meine Mutter hat ihn mir sogar schon in einer Flasche gegeben.“Er trinke ja auch weder Kaffee noch sonst etwas – nur Tee; und davon zwölf Tassen am Tag.
Die „passionierte Teetrinkerin“Christina war sogar gewillt, 230 Pfund für 15 Packungen ihrer Lieblingssorte Tetley samt Versandkosten zu bezahlen, berichtet der „Express“. „Ich trinke sechs bis acht Tassen Tee pro Tag und mein Teevorrat neigt sich zur Neige“, schrieb sie auf der Plattform „Airtasker“. In der Community scheint vorerst aber auch noch ausreichend Tee vorhanden zu sein. Ein Nutzer antwortete prompt, er könne 6.600 Teebeutel in einer Woche liefern.
Andrew Opie, Direktor für Lebensmittel und Nachhaltigkeit beim British Retail Consortium, versucht noch zu kalmieren: „Die Auswirkungen auf die Verbraucher werden minimal sein. Die Einzelhändler erwarten keine größeren Probleme.“Doch Marco Forgione, Generaldirektor des The Institute of Export and International Trade (IEIT), teilt diese Meinung nicht. Tee, meinte er zu Reuters, ist wohl nur „der erste“von vielen Artikeln, „der von dieser Krise in der Lieferkette betroffen ist“. Mehrere große britische Bekleidungshändler, darunter Next, Primark und Matalan, haben vor den möglichen Auswirkungen einer Unterbrechung der Lieferungen über das Rote Meer bereits gewarnt.