Luxemburger Wort

Die Bäume in der Manternach­er Fiels leiden

Vier Firmen fällen Bäume, die eine Gefahr für die Menschen darstellen. Förster Luc Roeder wird die Stämme nicht verkaufen, sie sollen Totholz bilden

- Von Volker Bingenheim­er

Die Rotbuche ist schön gerade gewachsen und hat einen mächtigen Stamm, aber sie ist krank. Heute muss sie weichen: Mit der Kettensäge schneidet ein Waldarbeit­er einen Keil aus dem Stamm, dann sichern seine Kollegen den Baum mit einem Stahlseil, das an einem Forsttrakt­or befestigt ist.

Dann fällt der 20 Meter hohe Baum den Hang hinunter, fast bis zu Syr, die sich hier durch den Schluchtwa­ld Manternach­er Fiels zieht. Das enge Tal, wo die Luft das ganze Jahr über feucht und kühl ist, steht unter Naturschut­z und deshalb überlässt die Natur- und Forstverwa­ltung (ANF) eigentlich den Wald so weit wie möglich sich selbst. Doch die stattliche Rotbuche stand nur ein paar Schritte von der Landstraße zwischen Mertert und Manternach entfernt – und hätte deshalb quer über die Fahrbahn fallen können.

Krankheit breitet sich von der Krone aus

„Wir können hier die Auswirkung­en des Klimawande­ls jeden Tag beobachten“, sagt Jörg Wilhelm, Forstwirt der ANF im Revier Manternach. „Wenn die Durchschni­ttstempera­tur nur um ein Grad steigt, macht das den Bäumen schon etwas aus.“Die gerade gefällte Rotbuche litt zum Beispiel unter Kronendürr­e – eine Reaktion auf die trockenen Sommer 2020 und 2022.

„Hier in der Manternach­er Fiels ist es oft feucht und neblig, aber der Boden besteht dicht unter der Oberfläche aus Fels und kann nur wenig Wasser speichern“, erklärt Förster Luc Roeder. Er beaufsicht­igt die Baumfällun­gen zur Verkehrssi­cherung, die diese ganze Woche über in der Manternach­er Fiels ablaufen. Außer der Natur- und Forstverwa­ltung sind das Wasserwirt­schaftsamt und zwei Privatfirm­en mit eigenen Mitarbeite­rn im Einsatz. Eine davon sichert im Auftrag der CFL die Bereiche links und rechts der Gleise, damit bei einem Sturm kein Baum auf die Schienen fällt.

Obwohl der Wald zwischen Manternach und Mertert Naturschut­zgebiet ist, ziehen sich Verkehrswe­ge durch die enge Schlucht. Da ist zum Beispiel die Landstraße, die wegen der Arbeiten diese Woche gesperrt ist, die Eisenbahns­trecke nach Wasserbill­ig und die beliebte Traumschle­ife Manternach­er Fiels, auf der im Rekordjahr 2020 während der Pandemie 12.000 Wanderer gezählt wurden.

Würden kranke Bäume auf Wege, Schienen oder Straße stürzen, wären wohl Unfälle die Folge. Auch in der Syr sind Baumstämme nicht erwünscht: Durch angeschwem­mte Äste könnte sich schnell ein natürliche­r Staudamm entwickeln und zu Überschwem­mungen führen. „Im Grunde machen wir die Arbeiten diese Woche nicht für die Natur, sondern für die Menschen“, fasst Förster Luc Roeder zusammen.

Bäume verrotten an Ort und Stelle

Der Grundsatz lautet: Überall dort, wo keine Wege verlaufen oder Gebäude wie die historisch­e Holzmühle im Weg sind, bleiben die kranken Bäume so lange stehen, bis sie irgendwann von selbst umfallen.

An der gerade gefällten Rotbuche mit ihrem schönen Stamm wird noch eine weitere Besonderhe­it deutlich: Das Stammholz ist in gutem Zustand und der Förster könnte es zu einem ordentlich­en Preis verkaufen. Weil der Baum aber in einem Naturschut­zgebiet stand, ist keine kommerziel­le Verwertung erlaubt.

Die Waldarbeit­er werden den Baum in kürzere Stücke zerteilen und vor Ort liegen lassen. Äste und einzelne Stämme am Hang werden Autofahrer und Wanderer ab kommender Woche häufig in der Manternach­er Fiels sehen. Sie werden nicht abtranspor­tiert und sollen vor Ort verrotten – was wohl Jahrzehnte dauern wird.

Im Totholz steckt allerdings Leben, es ist ein wichtiges Milieu für viele kleine Tierarten. „Ich habe hier schon mehrere Echsenarte­n an toten Bäumen gesehen, Amphibien und eine Gottesanbe­terin“, sagt Forstwirt Jörg Wilhelm. An den morschen Baumstümpf­en könnte sich etwa der Hirschkäfe­r ansiedeln, der aus Luxemburg fast verschwund­en ist. Außerdem saugt sich das morsche Holz voll mit Wasser und wirkt an trockenen Tagen wie eine natürliche Klimaanlag­e.

Die Stellen rund um den gefällten Baum werden nicht lange kahl bleiben. Weil dort mehr Licht hinfällt, werden in den kommenden Jahren junge Bäume wachsen.

In den kommenden Wochen wollen Förster Luc Roeder und seine Mitarbeite­r außerdem das Ufer der Syr rund um einen Aussichtsp­unkt säubern. Dort hat der Fluss während des Hochwasser­s Plastik angeschwem­mt. Anschließe­nd wäre das Naturschut­zgebiet Manternach­er Fiels dann wieder in einem sicheren und vorzeigbar­en Zustand – und die vielen Wanderer können kommen.

Wir können hier die Auswirkung­en des Klimawande­ls jeden Tag beobachten. Jörg Wilhelm, Forstwirt

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Die Waldarbeit­er der ANF bringen ein Drahtseil an der Rotbuche an.

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