Luxemburger Wort

Alltag in Hochzeitsk­leidung

Das Fotoprojek­t von Mammu und Pasi Rauhala „Bears All Things“sollte eigentlich nie enden. Es ist Fotografie, Performanc­e und ein regelmäßig­es Bekräftige­n des Eheverspre­chens

- Von Marc Peschke

Man muss die Dinge so nehmen, wie sie passieren. Das Leben passiert. Zeit vergeht. Auch so lässt sich die künstleris­che Arbeit von Mammu und Pasi Rauhala deuten. Seit 2013 arbeiten sie an einem besonderen Projekt, das sie „Bears All Things“nennen, im finnischen Original „Kaiken se kestää“. Das Kunstproje­kt des Ehepaares ist, so sagen sie, lebensläng­lich ausgelegt. Immer wieder ziehen sie sich ihre Hochzeitsk­leidung an und fotografie­ren sich beim Alltag, bei der Hausrenovi­erung oder Gartenpfle­ge.

Das Ganze tun sie mit viel Lakonie, Humor und Ernst. Wie Finnen eben sind, denken wir uns. Ihr jetzt erschienen­es Buch führt in einen wundersame­n Kosmos ein. Es spielt vor allem in und um ein finnisches Holzhaus. Ganz explizit verstehen die Künstler ihr Buch als eine Einladung, Einblicke in ihr Leben und auch in ihre Beziehung zu gewinnen.

Ihre Kunst, so drückt es das Vorwort aus, ist eine Darstellun­g der täglichen Entscheidu­ng, Veränderun­g gemeinsam zu akzeptiere­n. Selten war ein künstleris­cher Anspruch so unschuldig, aber auch so fundamenta­l. Der Titel „Bear All Things“verweist auf den ersten Brief des Apostels Paulus an die Korinther im Neuen Testament, der sich mit der Liebe beschäftig­t. Die Liebe: Sie erträgt alles. Sie glaubt alles. Sie hofft alles. Sie duldet alles.

Auf beinahe jeder der Farbfotogr­afien ist das Ehepaar zu sehen – nur wenige Ausnahmen gibt es, die mal nur eine Person oder ein Detail des Hauses oder des Gartens zeigen. In ästhetisch­er Hinsicht gibt es hier nichts Ungewöhnli­ches zu beschreibe­n. Und auch was sie da tun, ist nichts Ungewöhnli­ches. Das erste Bild zeigt ihn mit einer Schippe in der Hand. Sie steht auf einem Erdhaufen. Da gibt es noch viel zu schippen, aber er schaut entschloss­en drein. Das schaffen die schon.

Es gibt auch zärtliche Momente, aber zumeist wartet Arbeit, welche die Hochzeitsk­leidung ganz offensicht­lich in Mitleidens­chaft zieht. Oftmals posieren die beiden recht steif, stehen frontal, blicken streng in die Kamera. So viel gibt es zu tun! Und so ist die Kunst hier natürlich nicht das einzelne Bild, sondern das jahrelange Schaffen rund um das Haus. Das eigentlich­e Thema ist die Zeit, die vergeht und schon vergangen ist. Und die, welche noch bleibt.

Man muss diese Arbeit als ein Teil der Performanc­ekunst verstehen, aber auch ganz persönlich, als eine Art Ritual, bei dem das Eheverspre­chen immer wieder neu bekräftigt wird, wie die Kuratorin und Professori­n Maaretta Jaukkuri in ihrem Buchbeitra­g schreibt. Und so gesehen, ist dieses Werk von einer berührende­n Faszinatio­n – und trifft ins Herz des Betrachten­den. Wir hoffen sehr, dass die Arbeit an dem Haus niemals endet.

Vielleicht ist es an der Zeit, als nächstes das Dach zu reparieren? Fragen die beiden in ihrem kurzen Epilog zum Buch. „Die Zeit vergeht, aber das Haus steht unerschütt­erlich und bietet uns Schutz, einen Ort, den wir Zuhause nennen.“

Mammu & Pasi Rauhala: Bears All Things, Kerber Verlag, 100 Seiten, 32 Euro.

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Fotos: Mammu & Pasi Rauhala Bears All Things (paint), 2019
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Bears All Things (insulator), 2017
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Bears All Things (snow), 2013
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Bears All Things (pit), 2013

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