„Ich weiß nicht, ob jeder von uns fünf Kinder in die Welt setzen muss“
Der deutsche Schauspieler Florian David Fitz über seine Rolle in der neuen Science-Fiction-Miniserie „Das Signal“, irdische Probleme und vernetzte Küchengeräte
In der Netflix-Serie „Das Signal“verschwindet eine ISS-Astronautin kurz nach ihrer Rückkehr zur Erde. Ihr Partner Sven begibt sich auf Spurensuche und stößt dabei auf ein kosmisches Geheimnis von existenzieller Bedeutung. Die männliche Hauptrolle übernahm der beliebte deutsche Schauspieler Florian David Fitz, der auch maßgeblich an den Drehbüchern mitwirkte.
Florian David Fitz, sind Sie Team „Star Wars“oder Team „Star Trek“?
Ganz klar „Star Wars“! Das hat sich dadurch, dass es jetzt so ausgepresst wurde, für mich ein bisschen ausgeleiert. Aber die drei Originalfilme sind die Filme meiner Kindheit.
Das Publikum kennt Sie als Autor und Darsteller in erster Linie von Ihrer humorvollen Seite. In der Serie sieht man diese nur in den Szenen mit Katharina Thalbach. Hat es gutgetan, sich auf einem ungewohnten Feld zu bewegen?
Ich habe tatsächlich schon immer solche Sachen gemacht, auch im Fernsehen. Die erste Komödie habe ich gedreht, als ich schon fast zehn Jahre vor der Kamera stand. Dadurch wurde ich dann nur bekannt. Erste Themen sind mir nicht fremd. Diese Arbeit ist manchmal ein bisschen entspannter, weil man nicht nach den Pointen suchen, sondern einfach nur ehrlich in der Situation sein muss. Insofern war es für mich nicht neu. (lacht)
Wie in jeder guten Science-Fiction-Produktion geht es auch in „Das Signal“eigentlich um die irdischen Probleme im Hier und Jetzt, allen voran um die Angst vor dem Fremden, dem Unbekannten. Mit welchen Gefühlen beobachten Sie, dass sich die unterschiedlichen Kulturen so schwer miteinander tun?
Eine komplexe Frage! Vielleicht kann man sich zum Vorbild nehmen, was die Serie macht: einen Schritt zurück. Jeder Astronaut, der die Erde von oben gesehen hat, benennt es ähnlich. Es relativiert alles. Das ist doch die faktische Realität: mittelkleiner, wunderhübscher Planet, papierdünne, atembare Atmosphäre. Darauf eine dominante, intelligenzbegabte Spezies, die sich über beliebig festgelegte Grenzen, ausgedachtes Geld und Gottesmodelle die Köppe einschlägt, während sie wissentlich am eigenen Ast sägt. Aber vielleicht darf man nicht so streng mit uns sein. Wir sind halt immer noch biologische Wesen. Die Vernunft ist vielleicht eine wundersame Begabung, aber sie kann sich nur bedingt gegen unsere uralten Instinkte durchsetzen.
Es ist wahnsinnig frustrierend zu sehen, dass Erfahrung sich nicht ansammelt, sondern anscheinend immer wieder neu gemacht werden muss. Wir haben gedacht, wir hätten es nach der Aufklärung kapiert: Der Mensch muss diese Sachen über Vernunft lösen. Wir alle sind aber nicht gerne vernünftig. Jedes Kind sieht die Sachen aus seiner Emotion heraus. Da darf man auch nicht böse auf uns sein, das ist so. Wir können nur immer wieder versuchen, uns zurückzuerinnern. Früher gab es dauernd Kriege. Dann haben die Leute gemerkt: Ah, das ist nicht gut gelaufen. Das andere war dann doch besser. Das ist das, was einen manchmal so ein bisschen verzweifelt macht. Man möchte sagen: Hey, schau doch mal bitte zurück in die Geschichte. Hat das jemals funktioniert, was du gerade vorschlägst? (lacht)
Die Idee, Science-Fiction und eine Familiengeschichte zu verweben: Wurden Sie hier ein wenig von Regisseur Roland Emmerich inspiriert?
Die Idee ist nicht von mir, sondern von Nadine Gottmann und Sebastian Hilger. Ich habe diesen Aspekt zu dem Zeitpunkt noch nicht darin gesehen, aber vielleicht war er schon da. Ich habe dieses Originalbuch gelesen, das noch ein Film und keine Serie war, und gedacht: Ah, okay, krass, es ist ein wirkliches Drama über Verlust. Dann wurde es aber SciFi, etwas ganz anderes. Dadurch, dass wir jetzt eine Miniserie haben, verwandelt es sich nochmal.
Das wird ein riesengroßes Rätsel. Das mochte ich: dieses Kleine im Großen. Es ist ein Drama, dass jeder versteht. Jeder, der mal im Krankenhaus lag und nicht wusste, wie es weitergeht. Oder jemand, der jemanden verloren hat. Jeder kann es nachvollziehen. Diese kleine Familie, die ins Allergrößte rausgezwungen wird, finde ich toll. Aber vielleicht hat Roland Emmerich das auch gemacht, ich weiß es nicht. Warum sollen wir ihm nicht folgen?
Die Serie beäugt Weltraumprogramme von Milliardären kritisch. Welchen Blick haben Sie auf diese Unternehmungen?
Die Staaten haben sich nach dem Wettlauf der Systeme weitgehend aus dem Weltraum zurückgezogen und ihn der Privatwirtschaft überlassen. Das ist das, was insgesamt passiert, und das hat Vor- und Nachteile. Die Privatwirtschaft ist vielleicht deutlich kreativer, verfolgt natürlich aber ganz eigene Gründe. Man kann sich nicht immer darauf verlassen, dass sie der ganzen Gemeinschaft hilft. Das Weltraumprogramm ist das eine. Aber allein die Tatsache, dass mehr oder weniger alle sozialen Medien amerikanischen Privatfirmen gehören, stellt mich vor größere Herausforderungen.
Würden Sie trotzdem gerne ins All reisen, wenn es für den normalen Menschen erschwinglich wird?
Ich glaube, dass der CO2-Fußabdruck so mittelgut ist. (lacht) Ich würde den Ausblick wahnsinnig gerne genießen, aber aus diversen Gründen nicht machen wollen, nein. Aber ich glaube wirklich, dass ich mich da hineinversetzen kann. Wenn ich das sehe, auch in dieser Serie sehe, trifft mich das Gefühl und ich verstehe es. Ich habe mit Astronauten gesprochen, die gesagt haben, sie wünschten sich einfach, dass jeder Mensch diesen Anblick einmal selbst verinnerlichen kann, weil das ganz viele Probleme relativiert, die auf der Erde sind. Nicht alles, aber ganz vieles wird dann ins Verhältnis gesetzt. Auch, wie sehr man aufpassen muss. Es gibt wahrscheinlich keinen Astronauten, der danach nicht Umweltschützer wird.
Die deutsche und die EU-Politik bekommen in „Das Signal“ihr Fett weg. Ihnen ginge es hauptsächlich darum, die nächste Wahl zu gewinnen. Sehen Sie das ähnlich?
Nein. Ich glaube nicht, dass es darum geht, die nächste Wahl zu gewinnen, sondern dass sie einfach den Bedingungen der Demokratie folgen müssen. Sie müssen gewählt werden und können deswegen nur auf Sicht fahren, das ist einfach eine Tatsache. Es ist eine wahnsinnig komplexe Welt und die Politik muss mit der Macht, die ihr gegeben wurde, und mit begrenzten Möglichkeiten das machen, was wir machen würden. Sie müssen die „Titanic“durch den Nebel ohne Echolot fahren. Und wir schimpfen auf sie. Insofern schimpfe ich garantiert nicht auf die Politik ... da schimpfe ich eher auf uns.
Die Serienfigur Sven ist wenig technikaffin und möchte keine Datenschleuder sein. Wie gehen Sie mit diesen Dingen um?
Ich bin auf jeden Fall jemand, der, wenn beim Ofen schon draufsteht, dass er mit dem WLAN verbunden ist, ihn definitiv nicht haben möchte. Ich möchte auch kein Lichtsystem haben. Als ich mein Haus gebaut habe, habe ich einfach klassische, alte Lichtschalter eingebaut. Ich möchte nicht, dass alles internetfähig ist, weil ich mir denke, dass ich immer jemanden die Möglichkeit eröffne, Zugriff auf mein Haus zu haben. Warum sollte ich das tun? Damit ich dann auf der App schauen kann, ob mein Backofen an ist? Die Vorteile erschließen sich mir nicht und die Gefahren sehe ich dann doch. Ich glaube nicht, dass jemand sich direkt einloggen würde. Aber es ist meine Erfahrung, dass die Dinge, bei denen das nicht geht – wie ein Lichtschalter – mich weniger nerven und dass alle Sachen, die übertechnisiert sind, mehr Aufmerksamkeit brauchen. (lacht)
Kennen Sie Svens Bedenken, ob man in diese Welt noch Kinder setzen sollte? Ist die Welt noch zu retten?
Als Kind der Achtziger bin ich mit diesen Gedanken aufgewachsen. Als ich Teenager war, gab es schon mal diese Frage. Da gab es sauren Regen und das Ozonloch und man hat sich genau diese Frage gestellt. Ich beantworte sie mit ja. Ich weiß nicht, ob jeder von uns fünf Kinder in die Welt setzen muss. Ob wir damit die Welt verbessern? Ich bin da nicht so krass negativ. Ich finde, dieser distanzierte Blick auf uns bedeutet auch, dass wir nur ein Experiment der Evolution sind. Wir tun halt das, was uns möglich ist. Wenn wir zu kurzsichtig und zu dumm sind, um es zu schaffen, dann ist das auch eine Aussage. Der Welt ist es wurscht. Den Sternen ist es wurscht. Das Leben wird auch ohne uns existieren, es hat schon ganz krasse Sachen erlebt. Die Erde hat sich tausendmal verändert. Dann ist es halt anders und nicht mehr so, wie wir es kennen. Und wir hätten es natürlich gerne so, wie wir es kennen. (lacht)
Sie übernehmen immer mehr Aufgaben hinter der Kamera. Stehen Sie noch genauso gern davor?
Ja, ich bin immer noch primär Schauspieler. Und ich erzähle einfach auch gerne Geschichten. Das ist ein schöner Ausgleich.