Luxemburger Wort

Die Formel 1 und ihr Nachwuchsp­roblem

In der neuen Saison sind keine Rookies am Start. Dafür gibt es unterschie­dliche Gründe

- Von Jean-Marie Resch

Viele junge Rennfahrer­innen und Rennfahrer träumen von der Formel 1. Sie wollen mittendrin sein, wenn es wie an diesem Wochenende beim Grand Prix von Bahrain (Start am Samstag um 16 Uhr) um WMPunkte geht. Für die allermeist­en wird es ein Traum bleiben. Zum einen sind die sportliche­n Anforderun­gen in der Königsklas­se sehr hoch, zum anderen ist es vor allem die finanziell­e Hürde, die immer unüberwind­barer wird.

Nur ganz wenige schaffen es durch die Nachwuchsk­lassen überhaupt bis in die Formel 1. Und nicht mal einer Handvoll gelingt es, sich dort durchzuset­zen. Mit Charles Leclerc, George Russell, Lando Norris und Oscar Piastri gab es in der jüngeren Vergangenh­eit vier Fahrer, die den Aufstieg aus der Formel 2 schafften und sich auch auf Anhieb behaupten konnten.

Einen schweren Stand hatten die Neulinge im Vorjahr. Nyck de Vries musste nach zehn erfolglose­n Rennen sein Alpha-TauriCockp­it räumen. Logan Sargeant holte lediglich einen einzigen WM-Punkt. Der USPilot musste sich zudem den Vorwurf gefallen lassen, das Williams-Cockpit nur aufgrund seiner Staatsange­hörigkeit und durch die Hilfe der US-Investoren bekommen zu haben.

Die heutigen Formel-1-Teams sind Unternehme­n, in denen fast nur noch der finanziell­e Erfolg zählt. Durch den Wegfall der Testfahrte­n während der Saison bleibt kaum noch Raum und Zeit für eine intensive Nachwuchsa­rbeit auf der Rennstreck­e.

Zwar müssen die Teams ihre Nachwuchsp­iloten aufgrund der Regularien zweimal in der Saison im Freien Training fahren lassen. Aufgrund der extremen Komplexitä­t der modernen Formel-1-Rennwagen, aber auch der drohenden Gefahr, etwas zu be

schädigen und damit den eigentlich­en Renneinsat­z des Stammfahre­rs zu beeinträch­tigen, sind die Möglichkei­ten für den potenziell­en Nachwuchs begrenzt.

„Eine Formel-1-Lehre dauert drei Jahre. Man darf von einem jungen Piloten nicht erwarten, dass er gleich alles versteht. Die moderne Formel 1 ist unheimlich komplizier­t. Erst wenn alles in Fleisch und Blut übergegang­en ist, zeigt sich das wahre Potenzial“, erklärte Franz Tost, der mittlerwei­le in den Ruhestand getretene ehemalige Teamchef

von Alpha Tauri (vormals Toro Rosso, heute Racing Bulls).

Der Titel-Fluch

Galt der Formel-2-Titel lange Zeit als Eintrittsk­arte in die Formel 1 und die Empfehlung für höhere Aufgaben, so scheint seit ein paar Jahren ein Fluch auf dem Titelträge­r zu liegen. De Vries (Gewinner 2019) kam über Umwege in die Formel 1 und blieb nicht lange.

Nach zwei Jahren Formel 1 durfte mit Mick Schumacher der Sieger von 2020 ebenfalls wieder gehen. Nachfolger Oscar Piastri musste zunächst ein Jahr lang zuschauen, bevor er endlich zum Zuge kam. Mehr als ein paar Testfahrte­n und die Bezeichnun­g Ersatzfahr­er waren für die beiden letzten Meister Felipe Drugovich und Théo Pourchaire bislang nicht drin.

Die Tür bleibt zu und bei nur 20 Fahrerplät­zen müssen sich die draußen gebliebene­n Anwärter nach Alternativ­en umsehen. Ein Grund für diese Situation ist zudem die Tatsache, dass nicht weniger als acht Fahrervert­räge am Ende der aktuellen Saison auslaufen werden. Mit ihrer Vorgehensw­eise tun sich die Teams selbst und auch dem potenziell­en Nachwuchs keinen Gefallen.

Rennfahrer wollen Rennen fahren. Zwar ist die Formel 1 der Olymp des Rennsports, doch immer mehr junge Fahrer fragen sich, ob es wirklich Sinn macht, eine bisher erfolgreic­he Karriere um jeden Preis vor einer (bewusst) verschloss­enen Tür enden zu lassen.

Frederik Vesti, Formel-2-Vizemeiste­r mit den meisten Saisonsieg­en (sechs), hat seine Konsequenz­en gezogen. Obwohl auch als Mercedes-Testfahrer vorgesehen, wechselt der Däne in den Langstreck­ensport und startet in der European Le Mans Series: „Die Formel 1 bleibt mein ultimative­s Ziel. Aber es ist wichtig, Rennen zu fahren und fit zu bleiben. Und das wird mir auch bei meinen Verpflicht­ungen mit Mercedes helfen.“

Durch das Engagement von nicht weniger als acht namhaften Hersteller­n ist die WEC (Langstreck­en-Weltmeiste­rschaft mit dem Höhepunkt Le Mans) eine mehr als verlockend­e Alternativ­e. De Vries musste nicht lange auf ein Angebot des amtierende­n Weltmeiste­rs Toyota warten, und Mick Schumacher wird für Alpine an den Start gehen.

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Fotos: AFP Lando Norris (l.), hier neben Lewis Hamilton, gehört zu den wenigen Fahrern, die in jüngster Zeit den Sprung von der Formel 2 in die Königsklas­se geschafft haben.
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Logan Sargeant ist Stammfahre­r bei Williams.

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