Was wirklich am Weltfrauentag nervt
Weltfrauentag. Schon das Wort lässt manche in die Offensive gehen. Andere lesen gar nicht weiter oder reagieren mit einem spöttischen Kommentar. Jedes Jahr am 8. März wiederholt sich dieses Szenario. Warum löst Gleichstellung nur so viele Kontroversen aus?
Die Flut von Statistiken, die herangezogen werden, um zu zeigen, wo es noch Ungleichheiten gibt, die jährliche Bestandsaufnahme von Diskriminierung, Gewalt und Sexismus – all das ist wohl einfach zu viel für einen Tag. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass wir auch in Luxemburg noch nicht in einer gleichberechtigten Gesellschaft leben. Und das darf, ja das muss sogar gesagt werden. Auch wenn es nervt.
Sobald sich eine Frau beschwert, weil sie sich benachteiligt fühlt, bricht entweder Geschrei oder Gelächter aus. In der subjektiven Wahrnehmung gibt es diese Unterschiede nämlich oft nicht. Oder es folgt der Hinweis auf die Verbesserungen zugunsten der Frauen, die ja in der ferneren Vergangenheit überhaupt keine Rechte hatten. Sie durften nicht wählen, nicht arbeiten, nicht einmal ein eigenes Konto eröffnen.
In der Tat wurde viel erreicht. Daran besteht kein Zweifel. Sollen die Frauen deshalb jetzt schweigen und keine Gleichberechtigung auf allen Ebenen einfordern? Dürfen sie keinen Anspruch auf Führungspositionen in Politik und Wirtschaft erheben? Müssen sie den Haushalt allein schmeißen? Sollen sie für weniger Geld arbeiten als Männer?
Apropos Lohngleichheit. Man kann noch so oft darauf hinweisen, dass es in Luxemburg scheinbar keinen Gender Pay Gap mehr gibt, ja dass der durchschnittliche Stundenlohn der Frauen sogar leicht über dem der Männer liegt, wenn man diese Daten nicht in den richtigen Kontext stellt. Die starke Präsenz von Frauen im öffentlichen Dienst mit relativ hohen Löhnen, in der Erziehung, Gesundheit oder Justiz, erklärt zwar den höheren Stundenlohn, aber beim Jahreseinkommen bleibt der Unterschied bestehen: Frauen verdienen zwischen zehn und zwölf Prozent weniger, weil sie in vielen anderen Branchen nicht zu den Spitzenverdienern gehören, weil ihre Jahresendprämien niedriger sind als die der Männer und weil sie häufiger Teilzeit arbeiten.
Dass die Gleichberechtigung längst erreicht sei und es daher keiner weiteren Maßnahmen bedürfe, ist deshalb schlichtweg falsch. Angesichts der Tatsache, dass Frauen auch heute noch häufig Gewalt und Sexismus ausgesetzt sind, mit Vorurteilen zu kämpfen haben und in alte Rollenmuster gedrängt werden, sind Kommentare wie „Gestëppels géint d’Männerwelt“oder „Gleichstellungswahn“umso herabwürdigender.
Das wirklich Ärgerliche am Weltfrauentag ist also, dass es ihn immer noch braucht. Denn die Themen, die am 8. März im Mittelpunkt stehen, scheinen zeitlos zu sein, wenngleich an 364 Tagen im Jahr das Bewusstsein dafür fehlt. Und letztlich auch der Wille, konsequent gegen die strukturelle Benachteiligung von Frauen in allen Bereichen vorzugehen.
Warum sollten Frauen mit weniger zufrieden sein als Männer?