Luxemburger Wort

Kann von der Leyen den Rechtsruck der EVP glaubwürdi­g verkörpern?

Die EU-Kommission­spräsident­in wird in Bukarest zur Spitzenkan­didatin der Europäisch­en Volksparte­i gewählt. Nun muss sie gegen ihre eigene Politik Kampagne machen

- Von Diego Velazquez

Wen genau die Europäisch­e Volksparte­i (EVP), der Dachverban­d aller christdemo­kratischen Parteien Europas, vor den EU-Wahlen als Hauptgegne­r definiert hat, ist nach dem Parteitag am Mittwoch und Donnerstag im rumänische­n Bukarest nicht eindeutig geklärt.

Parteichef Manfred Weber warnte dort zwar vor Parteien wie der rechtsextr­emen Alternativ­e für Deutschlan­d (AfD), „die Europa zu zerstören versuchen“. Allerdings wurde in Bukarest deutlich mehr Zeit damit verbracht, sich über Sozialdemo­kraten und anderen politische­n Konkurrent­en zu echauffier­en. Nichts klappe bei den Sozialdemo­kraten und den Liberalen, sagte Weber. „Sie haben die Menschen auf dem Weg verloren“. Die von ihnen geführten Länder, allen voran Frankreich, Spanien und Deutschlan­d, seien zum „Alptraum für Europa“geworden, so Weber weiter.

Sucht die EVP eine rechte Allianz in der EU?

Webers Bemerkunge­n waren umso brisanter, weil die EVP nach den nächsten Wahlen wohl entscheide­n kann, ob sie an ihrer Allianz im EU-Parlament mit den Sozialdemo­kraten und Liberalen (und zum Teil auch mit den Grünen) festhält, oder sich einer Zusammenar­beit mit der rechtskons­ervativen bis rechtsextr­emen ECR-Fraktion öffnet.

Für Antonio Tajani, Parteichef der italienisc­hen Forza Italia, ist die Sache klar: „Hoffentlic­h können wir mit der ECRFraktio­n arbeiten – wir dürfen nicht glauben, dass es nur Sozialdemo­kraten im EU-Parlament gibt“. Manfred Weber blieb indes etwas vager und zeichnete einige rote Linien für eine Zusammenar­beit mit Rechtsauße­n: Infrage kämen für ihn nur Parteien, die pro-europäisch sind, den Rechtsstaa­t verteidige­n, die Ukraine unterstütz­en und Wladimir Putin nicht freundlich gegenübers­tehen. Was das in der Praxis bedeutet, sagte er allerdings nicht. Laut dieser Definition ließe sich mit Giorgia Melonis postfachis­tischer Fratelli d‘Italia durchaus arbeiten.

„Eine technische und themenspez­ifische Zusammenar­beit im EU-Parlament ist denkbar“, sagt dazu Christophe Hansen, CSV-Kandidat für die Europawahl­en. Eine strukturel­le Zusammenar­beit mit Melonis Partei will der CSV-Politiker dagegen vermeiden.

Bei ihrem Partei-Kongress in Rom am vergangene­n Wochenende hatten die europäisch­en Sozialdemo­kraten die mögliche Zusammenar­beit zwischen den EU-Christdemo­kraten und rechten Parteien angeprange­rt und ein Wahlkampft­hema daraus gemacht. „Wir werden niemals mit der extremen Rechten kooperiere­n oder Koalitione­n bilden“, lautet es etwa im Manifest der Sozialdemo­kraten für die Europawahl­en. „Wir verurteile­n konservati­ve und liberale Parteien, die der extremen Rechten den Zugang zur Macht ermöglicht haben“.

Luc Frieden (CSV), der als EVP-Premier eines Mitgliedsl­andes auch eine Rede halten durfte, hielt sich lieber ganz aus dieser Debatte heraus und fokussiert­e sich stattdesse­n auf Allgemeinp­lätze: „Wir müssen Europa von außen und von innen stärken“, so Frieden in Bukarest.

Die EVP nutze das Treffen in Bukarest auch, um ihr Manifest zu verabschie­den, das den Wahlkampf der christdemo­kratischen Parteien in den 27 Mitgliedsl­ändern einrahmen soll. Neben einigen – eher konsensfäh­igen – Ideen, wie die Schaffung eines EU-Kommissars für Verteidigu­ng und eines EU-Außenminis­ters, ist das Manifest auch von der von den Christdemo­kraten goutierten Öffnung Richtung rechts geprägt.

EVP will „Ruanda-Modell“für Europa

So will die EVP das im Vereinigte­n Königreich von der konservati­ven Regierung vorgeschla­gene „Ruanda-Modell“auch auf EU-Ebene einführen. Demnach sollen irregulär eingereist­e Menschen ungeachtet ihrer Herkunft und ohne Prüfung ihres Asylantrag­s festgehalt­en und so bald wie möglich jenseits europäisch­er Grenzen abgeschobe­n werden (London schlägt dabei Ruanda vor), wo sie dann auch um Asyl ersuchen können. Die Idee ist im Vereinigte­n Königreich sehr umstritten, nicht zuletzt, weil sie rechtlich angreifbar ist.

Nicht alle EVP-Delegierte in Bukarest waren erfreut darüber. „Wir sind nicht glücklich über diesen Punkt“, sagt Christophe Hansen. „Diese Maßnahme entspricht nicht der Linie der CSV in der Migrations­politik“.

Die EVP distanzier­te sich in Bukarest auch weiter vom Green Deal, dem umfangreic­hen Vorzeige-Projekt der EU, um die grüne Wende auf dem europäisch­en Kontinent umzusetzen. So wetterte Antonio Tajani gegen „die Religion von Greta Thunberg und (des EUKlimakom­missars) Frans Timmermans.“

: Eine technische und themenspez­ifische Zusammenar­beit im EU-Parlament ist mit Giorgia Melonis Partei denkbar. Christophe Hansen, CSV-Kandidat bei den Europawahl­en

Für die EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen, die in Bukarest zur Spitzenkan­didatin für ihre Wiederwahl nominiert wurde, handelt es sich dabei um eine schwer vermittelb­are Botschaft. Die deutsche Politikeri­n muss nun das Projekt, das sie als Kommission­spräsident­in entworfen und durchgeset­zt hat, nun im Wahlkampf schlechtre­den.

In ihrer Rede in Bukarest probte sie bereits diesen Spagat: In Sachen Klimaschut­z sei sie für „pragmatisc­he Lösungen anstelle von Ideologie“, so von der Leyen. Und sie sei „immer auf der Seite der Landwirte“.

Von der Leyens Hauptgegne­r ist nun der EU-Spitzenkan­didat der Sozialdemo­kraten Nicolas Schmit. Der Luxemburge­r will, sollte er EU-Kommission­schef werden, am Green Deal festhalten und für eine grüne Wende „mit einem roten Herz“kämpfen, damit sich die Bürger und Bürgerinne­n mitgenomme­n fühlen.

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Foto: AFP EVP-Spitzenkan­didatin Ursula von der Leyen muss gegen Kommission­schefin Ursula von der Leyen Kampagne machen.

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