Kann von der Leyen den Rechtsruck der EVP glaubwürdig verkörpern?
Die EU-Kommissionspräsidentin wird in Bukarest zur Spitzenkandidatin der Europäischen Volkspartei gewählt. Nun muss sie gegen ihre eigene Politik Kampagne machen
Wen genau die Europäische Volkspartei (EVP), der Dachverband aller christdemokratischen Parteien Europas, vor den EU-Wahlen als Hauptgegner definiert hat, ist nach dem Parteitag am Mittwoch und Donnerstag im rumänischen Bukarest nicht eindeutig geklärt.
Parteichef Manfred Weber warnte dort zwar vor Parteien wie der rechtsextremen Alternative für Deutschland (AfD), „die Europa zu zerstören versuchen“. Allerdings wurde in Bukarest deutlich mehr Zeit damit verbracht, sich über Sozialdemokraten und anderen politischen Konkurrenten zu echauffieren. Nichts klappe bei den Sozialdemokraten und den Liberalen, sagte Weber. „Sie haben die Menschen auf dem Weg verloren“. Die von ihnen geführten Länder, allen voran Frankreich, Spanien und Deutschland, seien zum „Alptraum für Europa“geworden, so Weber weiter.
Sucht die EVP eine rechte Allianz in der EU?
Webers Bemerkungen waren umso brisanter, weil die EVP nach den nächsten Wahlen wohl entscheiden kann, ob sie an ihrer Allianz im EU-Parlament mit den Sozialdemokraten und Liberalen (und zum Teil auch mit den Grünen) festhält, oder sich einer Zusammenarbeit mit der rechtskonservativen bis rechtsextremen ECR-Fraktion öffnet.
Für Antonio Tajani, Parteichef der italienischen Forza Italia, ist die Sache klar: „Hoffentlich können wir mit der ECRFraktion arbeiten – wir dürfen nicht glauben, dass es nur Sozialdemokraten im EU-Parlament gibt“. Manfred Weber blieb indes etwas vager und zeichnete einige rote Linien für eine Zusammenarbeit mit Rechtsaußen: Infrage kämen für ihn nur Parteien, die pro-europäisch sind, den Rechtsstaat verteidigen, die Ukraine unterstützen und Wladimir Putin nicht freundlich gegenüberstehen. Was das in der Praxis bedeutet, sagte er allerdings nicht. Laut dieser Definition ließe sich mit Giorgia Melonis postfachistischer Fratelli d‘Italia durchaus arbeiten.
„Eine technische und themenspezifische Zusammenarbeit im EU-Parlament ist denkbar“, sagt dazu Christophe Hansen, CSV-Kandidat für die Europawahlen. Eine strukturelle Zusammenarbeit mit Melonis Partei will der CSV-Politiker dagegen vermeiden.
Bei ihrem Partei-Kongress in Rom am vergangenen Wochenende hatten die europäischen Sozialdemokraten die mögliche Zusammenarbeit zwischen den EU-Christdemokraten und rechten Parteien angeprangert und ein Wahlkampfthema daraus gemacht. „Wir werden niemals mit der extremen Rechten kooperieren oder Koalitionen bilden“, lautet es etwa im Manifest der Sozialdemokraten für die Europawahlen. „Wir verurteilen konservative und liberale Parteien, die der extremen Rechten den Zugang zur Macht ermöglicht haben“.
Luc Frieden (CSV), der als EVP-Premier eines Mitgliedslandes auch eine Rede halten durfte, hielt sich lieber ganz aus dieser Debatte heraus und fokussierte sich stattdessen auf Allgemeinplätze: „Wir müssen Europa von außen und von innen stärken“, so Frieden in Bukarest.
Die EVP nutze das Treffen in Bukarest auch, um ihr Manifest zu verabschieden, das den Wahlkampf der christdemokratischen Parteien in den 27 Mitgliedsländern einrahmen soll. Neben einigen – eher konsensfähigen – Ideen, wie die Schaffung eines EU-Kommissars für Verteidigung und eines EU-Außenministers, ist das Manifest auch von der von den Christdemokraten goutierten Öffnung Richtung rechts geprägt.
EVP will „Ruanda-Modell“für Europa
So will die EVP das im Vereinigten Königreich von der konservativen Regierung vorgeschlagene „Ruanda-Modell“auch auf EU-Ebene einführen. Demnach sollen irregulär eingereiste Menschen ungeachtet ihrer Herkunft und ohne Prüfung ihres Asylantrags festgehalten und so bald wie möglich jenseits europäischer Grenzen abgeschoben werden (London schlägt dabei Ruanda vor), wo sie dann auch um Asyl ersuchen können. Die Idee ist im Vereinigten Königreich sehr umstritten, nicht zuletzt, weil sie rechtlich angreifbar ist.
Nicht alle EVP-Delegierte in Bukarest waren erfreut darüber. „Wir sind nicht glücklich über diesen Punkt“, sagt Christophe Hansen. „Diese Maßnahme entspricht nicht der Linie der CSV in der Migrationspolitik“.
Die EVP distanzierte sich in Bukarest auch weiter vom Green Deal, dem umfangreichen Vorzeige-Projekt der EU, um die grüne Wende auf dem europäischen Kontinent umzusetzen. So wetterte Antonio Tajani gegen „die Religion von Greta Thunberg und (des EUKlimakommissars) Frans Timmermans.“
: Eine technische und themenspezifische Zusammenarbeit im EU-Parlament ist mit Giorgia Melonis Partei denkbar. Christophe Hansen, CSV-Kandidat bei den Europawahlen
Für die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die in Bukarest zur Spitzenkandidatin für ihre Wiederwahl nominiert wurde, handelt es sich dabei um eine schwer vermittelbare Botschaft. Die deutsche Politikerin muss nun das Projekt, das sie als Kommissionspräsidentin entworfen und durchgesetzt hat, nun im Wahlkampf schlechtreden.
In ihrer Rede in Bukarest probte sie bereits diesen Spagat: In Sachen Klimaschutz sei sie für „pragmatische Lösungen anstelle von Ideologie“, so von der Leyen. Und sie sei „immer auf der Seite der Landwirte“.
Von der Leyens Hauptgegner ist nun der EU-Spitzenkandidat der Sozialdemokraten Nicolas Schmit. Der Luxemburger will, sollte er EU-Kommissionschef werden, am Green Deal festhalten und für eine grüne Wende „mit einem roten Herz“kämpfen, damit sich die Bürger und Bürgerinnen mitgenommen fühlen.