Jeder und jede als Abbild Gottes geschaffen
Es ist (gar nicht so) erstaunlich, aber die plausibelste Erklärung der Verknüpfung des Internationalen Frauentags mit dem Datum des 8. März geht auf die Ereignisse ab dem 8. März 1917 zurück, als Frauen auf die Straßen von St. Petersburg gingen, um gegen Lebensmittelknappheit,
Krieg und Autokratie zu protestieren, was schlussendlich in einer Revolution mündete. Frauen erweisen sich gerade in Krisenzeiten, also
wenn es wirklich darauf ankommt, als wahrhaft ‚starkes Geschlecht‘: sei es in Russland, Ukraine, Israel oder Palästina. Und während sich unsere Regierungen und NGOs wie Gewerkschaften und Verbände um die praktische Umsetzung der Geschlechtergerechtigkeit bemühen (sollten), müssen wir Theologen es als unsere Aufgabe begreifen, unsere Erzählungen, Rituale und Ämter so zu entwickeln, dass die Chancen und die Würde jedes Menschen tatsächlich von der Überzeugung geprägt sind, dass jede und jeder von uns als Abbild Gottes geschaffen ist. Die Bibel und die jüdische Tradition werden oft zurecht für fehlende Inklusion oder sogar frauenfeindliche Aussagen kritisiert. Nehmen wir, zum Beispiel, die Zehn Gebote, die kulturell oft als universell angesehen werden. Ihrer Sprache und ihrem Inhalt nach sind sie in Bezug auf Geschlecht und sozialen Status alles andere als egalitär. Sie akzeptieren die Sklaverei und fördern die Diskriminierung der Geschlechter. Darauf hat schon die bedeutende Theologin Judith Plaskow hingewiesen. Wir sollten den Mut haben zuzugeben, dass die Bibel aktualisiert werden kann und muss, und zwar nicht, indem wir sie durch eine geschlechtergerechte Übersetzung und Auslegung neu schreiben, sondern indem wir sie betrachten und sagen: So waren die Dinge damals, aber so wollen wir sie heute und morgen haben. Die Bibel spricht nicht mit einer einheitlichen Stimme und sie ist nicht das A und O des Judentums, sondern ein Beginn der jahrtausendelang fortlaufenden Auseinandersetzung mit den essenziellen Fragen des menschlichen Lebens und der Rolle Gottes darin.