Luxemburger Wort

So sehr hat Gott die Welt geliebt ...

- P. Jean-Jacques Flammang SCJ

Das katholisch­e Glaubensbe­kenntnis beginnt mit den Worten: Ich glaube an Gott den Vater, den Allmächtig­en, den Schöpfer des Himmels und der Erde.

Dass Gott Vater ist, wird hier an erster Stelle erwähnt vor seiner Allmacht und Schöpferkr­aft. Vater verweist nämlich auf Gottes Liebe, und nur in der Liebe kann Gott allmächtig schöpferis­ch sein.

„Freuen können wir uns also, und uns satt trinken an der Quelle göttlicher Tröstung!“So der Aufruf des Propheten Jesaja zum 4. Fastensonn­tag „Laetare“(Freu dich!). Denn wir Menschen sind nicht zufällige und sinnlose Produkte einer Evolution, sondern Himmel und Erde und alles Sein, auch wir Menschen, entstammen der Liebe Gottes. Ferdinand Ulrich, einer der großen Philosophe­n der Gegenwart, fasst diese Glaubenswa­hrheit in die kurze, aber tiefgründi­ge Aussage: „Sein ist Liebe“.

Mit der neuzeitlic­hen Wende hatte das moderne Denken diese grundlegen­de Wahrheit vergessen. Das Sein ward immer mehr missdeutet als bloßes Material, das dem Menschen zur Verfügung steht. Bewunderns­werte wissenscha­ftlich-technische Produkte sind so entstanden, aber Folgen dieser Seinsauffa­ssung waren Ausbeutung und Zerstörung der natürliche­n Umwelt, sowie eine immer größer werdende Missachtun­g der menschlich­en Würde.

Die moderne Seinsmissd­eutung ging einher mit einer sich immer weiter ausbreiten­den Gottesverg­essenheit und einer Freiheitsa­uffassung, deren gefährlich­e Folgen wir erst jetzt genauer begreifen. Denn wo Freiheit nicht mehr als liebende Gabe Gottes, sondern nur als Konstrukt politisch handelnder Menschen verstanden wird, öffnen sich leicht Wege zur Ausbeutung und Zerstörung, zu Krieg und Menschenve­rachtung. Die Gefahr ist dann groß, dass die ganze Menschheit Schaden erleidet.

Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch. So sah es der Dichter, der den Weg aus einer verhängnis­vollen Moderne

zu öffnen wagte. Er ahnte: „Nah ist, und schwer zu fassen der Gott. Besonders der Gott, der die Welt so sehr geliebt hat, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verlorenge­ht, sondern gerettet wird.“

Nah ist dieser Gott: sein Licht kam in die Welt unter uns Menschen. Doch schwer ist er zu fassen: die Menschen lieben die Finsternis mehr als das Licht. Warum dem so ist, bleibt ein tiefes Geheimnis, das nur in der gegenseiti­gen Liebe zwischen Gott Vater und Gott Sohn erfasst und eröffnet werden kann. Denn Gott konnte seinen eigenen Sohn nur in die Welt senden, weil dieser in Liebe dem Willen des Vaters zugestimmt hat.

Der französisc­he Philosoph Emmanuel Tourpe, der den Weg zu einer neuen Philosophi­e der Liebe eröffnet, stellt in seinem Buch „À l'amour que vous aurez les uns pour les autres... Le dernier mot de

Dieu“die Gegenseiti­gkeit der Liebe neu in die Mitte der christlich­en Botschaft. Hingabe allein ist nicht die ganze christlich­e Liebe: christlich­e Liebe erwartet, fordert und fördert immer auch Gegenliebe.

Die eherne Schlange in der Wüste, wie später das Kreuz Christi stehen für Gottes barmherzig­e Zuwendung zum Menschen, insofern dieser bereit ist ans Licht zu treten und die Wahrheit zu tun. Ihm wird das ermöglicht durch die zuvorkomme­nde Liebe Gottes, bejaht von seiner Freiheit, die eben nicht nur Produkt einer Evolution oder eines menschlich­en Konfliktes ist, sondern Gabe und Bild der Liebe Gottes.

Papst Franziskus kann so Kirche und Welt aufrufen, neu über Synodalitä­t nachzudenk­en, um gemeinsame Wege zu gehen, die Welt auf Gott hin zu begreifen, das Sein als Liebe zu erfahren und durch gegenseiti­ge Liebe die Welt näher ans göttliche Licht zu rücken.

 ?? Foto: LW-Archiv ?? Im Evangelium fordert Jesus die Menschen auf: Tretet ins Licht und steht für die Wahrheit ein!
Foto: LW-Archiv Im Evangelium fordert Jesus die Menschen auf: Tretet ins Licht und steht für die Wahrheit ein!
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg