So sehr hat Gott die Welt geliebt ...
Das katholische Glaubensbekenntnis beginnt mit den Worten: Ich glaube an Gott den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde.
Dass Gott Vater ist, wird hier an erster Stelle erwähnt vor seiner Allmacht und Schöpferkraft. Vater verweist nämlich auf Gottes Liebe, und nur in der Liebe kann Gott allmächtig schöpferisch sein.
„Freuen können wir uns also, und uns satt trinken an der Quelle göttlicher Tröstung!“So der Aufruf des Propheten Jesaja zum 4. Fastensonntag „Laetare“(Freu dich!). Denn wir Menschen sind nicht zufällige und sinnlose Produkte einer Evolution, sondern Himmel und Erde und alles Sein, auch wir Menschen, entstammen der Liebe Gottes. Ferdinand Ulrich, einer der großen Philosophen der Gegenwart, fasst diese Glaubenswahrheit in die kurze, aber tiefgründige Aussage: „Sein ist Liebe“.
Mit der neuzeitlichen Wende hatte das moderne Denken diese grundlegende Wahrheit vergessen. Das Sein ward immer mehr missdeutet als bloßes Material, das dem Menschen zur Verfügung steht. Bewundernswerte wissenschaftlich-technische Produkte sind so entstanden, aber Folgen dieser Seinsauffassung waren Ausbeutung und Zerstörung der natürlichen Umwelt, sowie eine immer größer werdende Missachtung der menschlichen Würde.
Die moderne Seinsmissdeutung ging einher mit einer sich immer weiter ausbreitenden Gottesvergessenheit und einer Freiheitsauffassung, deren gefährliche Folgen wir erst jetzt genauer begreifen. Denn wo Freiheit nicht mehr als liebende Gabe Gottes, sondern nur als Konstrukt politisch handelnder Menschen verstanden wird, öffnen sich leicht Wege zur Ausbeutung und Zerstörung, zu Krieg und Menschenverachtung. Die Gefahr ist dann groß, dass die ganze Menschheit Schaden erleidet.
Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch. So sah es der Dichter, der den Weg aus einer verhängnisvollen Moderne
zu öffnen wagte. Er ahnte: „Nah ist, und schwer zu fassen der Gott. Besonders der Gott, der die Welt so sehr geliebt hat, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verlorengeht, sondern gerettet wird.“
Nah ist dieser Gott: sein Licht kam in die Welt unter uns Menschen. Doch schwer ist er zu fassen: die Menschen lieben die Finsternis mehr als das Licht. Warum dem so ist, bleibt ein tiefes Geheimnis, das nur in der gegenseitigen Liebe zwischen Gott Vater und Gott Sohn erfasst und eröffnet werden kann. Denn Gott konnte seinen eigenen Sohn nur in die Welt senden, weil dieser in Liebe dem Willen des Vaters zugestimmt hat.
Der französische Philosoph Emmanuel Tourpe, der den Weg zu einer neuen Philosophie der Liebe eröffnet, stellt in seinem Buch „À l'amour que vous aurez les uns pour les autres... Le dernier mot de
Dieu“die Gegenseitigkeit der Liebe neu in die Mitte der christlichen Botschaft. Hingabe allein ist nicht die ganze christliche Liebe: christliche Liebe erwartet, fordert und fördert immer auch Gegenliebe.
Die eherne Schlange in der Wüste, wie später das Kreuz Christi stehen für Gottes barmherzige Zuwendung zum Menschen, insofern dieser bereit ist ans Licht zu treten und die Wahrheit zu tun. Ihm wird das ermöglicht durch die zuvorkommende Liebe Gottes, bejaht von seiner Freiheit, die eben nicht nur Produkt einer Evolution oder eines menschlichen Konfliktes ist, sondern Gabe und Bild der Liebe Gottes.
Papst Franziskus kann so Kirche und Welt aufrufen, neu über Synodalität nachzudenken, um gemeinsame Wege zu gehen, die Welt auf Gott hin zu begreifen, das Sein als Liebe zu erfahren und durch gegenseitige Liebe die Welt näher ans göttliche Licht zu rücken.