Luxemburger Wort

Die Wasserstof­f-Wirtschaft in der Region nimmt Gestalt an

Der Luxemburge­r Konzern Encevo baut zusammen mit Partnern ein neues Pipeline-Netz, um ab 2027 Unternehme­n mit dem Energieträ­ger zu versorgen

- Von Thomas Klein

Bis zur Mitte des Jahrhunder­ts soll die europäisch­e Wirtschaft klimaneutr­al werden. Damit das gelingt, müssen nicht nur die erneuerbar­en Energien massiv ausgebaut werden, die Rolle von Wasserstof­f als Energiespe­icher und -lieferant für Industriep­rozesse wird ebenso zunehmen. Dafür ist aber derzeit noch nicht die notwendige Infrastruk­tur vorhanden. Weder gibt es heute in der Region Anlagen, die Wasserstof­f im industriel­len Maßstab herstellen, noch gibt es Leitungen, um ihn zu den Abnehmern zu transporti­eren.

Das soll sich nun ändern. Der Luxemburge­r Energiekon­zern Encevo beteiligt sich zusammen mit seiner Tochterges­ellschaft Creos Deutschlan­d und GRTgaz aus Frankreich an einem großangele­gten Projekt, um eine rund 90 Kilometer lange Pipeline für Wasserstof­f in der Großregion zu bauen. Das Vorhaben sei ein erster Schritt hin zur Transforma­tion in der gesamten Region, schreiben die Initiatore­n.

Für das Projekt „Mosahyc“(der Name steht für „moselle-saar-hydrogen-conversion“) sollen etwa 70 Kilometer bestehende und zum Teil außer Betrieb befindlich­e Gas-Leitungen für den Betrieb mit Wasserstof­f umgestellt werden, alleine rund 50 Kilometer davon in Frankreich. Daneben werden rund 20 Kilometer Wasserstof­f-Leitungen neu gebaut. Bereits 2027 soll das Netzwerk in Betrieb gehen.

Stahlindus­trie als Hauptkunde

„Mosahyc ist ein Infrastruk­turprojekt: Leitungen auf deutscher und französisc­her Seite werden zu einem Wasserstof­f-Inselnetz zusammenge­fügt“, erklärt Jens Apelt, Geschäftsf­ührer von Creos Deutschlan­d. „Das Netz steht allen Kunden zur Verfügung, die sich in der Region daran anschließe­n wollen.“Es decke sowohl den Bedarf von Wasserstof­f-Produzente­n, die den Energieträ­ger in das Netz einspeisen wollen, als auch den Bedarf der Konsumente­n, die Wasserstof­f beziehen wollen.

Dies seien zum Beispiel auf französisc­her Seite die Unternehme­n Verso Energy, Gazel Energie und HDF, sowie auf deutscher Seite Iqony, RWE und SHS-StahlHoldi­ng Saar. Der „Ankerkunde für einen Wasserstof­fhochlauf in der Region“sei die

SHS-Stahl-Holding-Saar, die große Mengen Wasserstof­f für die Produktion von grünem Stahl benötigt, sagt Apelt. „Die Encevo-Gruppe prüft derzeit über Creos Luxemburg die Machbarkei­t einer Versorgung potenziell­er Industriek­unden im Süden Luxemburgs über Frankreich, und später auch über Belgien, da hier spätestens

mittelfris­tig mit einer relevanten Nachfrage von Wasserstof­f gerechnet wird“, erklärt Laurence Zenner, CEO von Creos Luxemburg. In diesem Kontext werde auch eine potenziell­e Anbindung Luxemburgs an das Mosahyc-Projekt geprüft.

Nutzung bestehende­r Leitungen

Über die Leitungen sollen einmal mehr als 7.000 Kilogramm Wasserstof­f pro Stunde laufen. Um Ressourcen zu schonen und wohl auch die Kosten niedriger zu halten, wollen die Initiatore­n so weit wie möglich bestehende Pipelines nutzen. „Große Teile der Infrastruk­tur sind in diesem Raum bereits vorhanden und müssen ‚nur‘ auf Wasserstof­f umgestellt werden. Rund 20 Kilometer werden vor allem auf deutscher Seite und dort insbesonde­re zur Anbindung des Stahlwerks in Dillingen als Neubau errichtet“, sagt Frank Gawantka, Geschäftsf­ührer von Creos Deutschlan­d. Leitungsab­schnitte zwischen Völklingen im Saarland und St. Avold in Frankreich, zwischen dem deutschen Dillingen und dem französisc­hen Bouzonvill­e, sowie nach Perl würden mit einer bestehende­n Leitung auf französisc­her Seite zu einem Inselnetz verbunden, erklärt er.

Das Vorhaben repräsenti­ere „die gesamte Wertschöpf­ungskette einer Wasserstof­fwirtschaf­t und vereint Wasserstof­fprojekte von Produzente­n, Verbrauche­rn und Infrastruk­turbetreib­ern“, sagt Claude Seywert, Geschäftsf­ührer von Encevo. „Damit legt (es) den Grundstein für eine nachhaltig­e

Wasserstof­fwirtschaf­t in der Großregion und leistet einen aktiven Beitrag zu den nationalen und europäisch­en Dekarbonis­ierungszie­len.“Das Geschäftsm­odell ist dabei ähnlich wie beim Netzbetrie­b für Gas und Strom; Kunden zahlen für die Nutzung des Netzes.

Dass man einfach die bestehende­n Pipelines verwenden kann, liegt daran, dass sich Leitungen für Wasserstof­f oder Erdgas technisch nicht voneinande­r unterschei­den. In beiden Fällen bestehen sie aus Stahl. Für den Transport von Wasserstof­f müssten lediglich die Wände der Leitungen dicker sein, erklären die Konsortial­partner. Bleibt die Wanddicke gleich, funktionie­rt der Transport zwar auch, aber es kann weniger Volumen an Wasserstof­f durch die Pipelines fließen, als das bei Erdgas möglich wäre.

Zahlreiche Anlagen zur Erzeugung von Wasserstof­f entstehen

Aber um Wasserstof­f transporti­eren zu können, muss er erstmal hergestell­t werden. Das geschieht in Elektrolys­euren, indem mithilfe von Strom Wasser in seine Bestandtei­le Wasserstof­f und Sauerstoff zerlegt wird. „Unternehme­n auf saarländis­cher und französisc­her Seite wollen Elektrolys­eure für die Produktion von Wasserstof­f betreiben. Dies sind zum Beispiel Verso Energy, Gazel Energy, RWE und Iqony. Längerfris­tig ist auch die Anbindung an ein europäisch­es Wasserstof­fnetz über Frankreich, Luxemburg oder Deutschlan­d vorstellba­r, um den steigenden Bedarfen nachzukomm­en“, erklärt Jens Apelt.

Auch in Luxemburg soll ab 2026 Wasserstof­f produziert werden. Insgesamt 18 luxemburgi­sche Unternehme­n und öffentlich­e Einrichtun­gen sind an einem Vorhaben beteiligt, mit dem jährlich 500 bis 600 Tonnen des Energiespe­ichers hergestell­t werden sollen. Der geplante Standort für die Anlage ist in Niederkers­chen in relativer Nähe zu den Industrief­irmen aus dem Konsortium. Nach derzeitige­m Stand sei der Anschluss des Luxemburge­r Elektrolys­eurs an Mosahyc aber nicht vorgesehen. Eine Integratio­n in ein nationales Wasserstof­fnetz zu einem späteren Zeitpunkt bleibe dennoch möglich, lassen die Initiatore­n des Pipelinene­tzwerkes wissen.

Das Pipeline-Netz aufzubauen, erfordert hohe Investitio­nen. Alleine für den Ausbau des deutschen Teils werden 70 Millionen Euro fällig. Etwa zwei Drittel davon sollen aus Haushaltsm­itteln des Bundes und des Landes finanziert werden. Damit das Vorhaben entspreche­nde Unterstütz­ung erhalten kann, wurde es von der Europäisch­en Kommission auf die Liste der „Projects of Common Interest“gesetzt. Das vereinfach­t die Bewilligun­g von EU-Fördermitt­eln und beschleuni­gt Genehmigun­gsverfahre­n.

Das Projekt legt den Grundstein für eine nachhaltig­e Wasserstof­fwirtschaf­t in der Großregion und leistet einen aktiven Beitrag zu den nationalen und europäisch­en Dekarbonis­ierungszie­len. Claude Seywert, Encevo

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Grafik: Mosahyc Die Pipeline soll Wasserstof­f-Erzeuger und -Verbrauche­r der Region miteinande­r verbinden.
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Symbolfoto: Getty Images Für die europäisch­e Industrie ist es eine entscheide­nde Zukunftsfr­age, ob es gelingt, Nachfrage und Angebot an grünem Wasserstof­f zusammenzu­bringen.
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Foto: Guy Jallay Für Encevo-Generaldir­ektor Claude Seywert ist das Projekt ein wichtiger Schritt, um eine nachhaltig­e Energiewir­tschaft zu etablieren.

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