Luxemburger Wort

Muttermilc­hspenden als Akt der Trauerbewä­ltigung

Das Spielfilmd­ebüt „Milk“von Stefanie Kolk setzt auf nüchternen Realismus. Leider fehlt es dem Drama etwas an Antrieb

- Von Nora Schloesser Bewertung der Redaktion

Immer wieder ist dieses laute, monotone Brummen zu hören: Egal zu welcher Uhrzeit, egal wo, stets ist Robins (Frieda Barnhard) elektrisch­e Milchpumpe im Einsatz. Wie ein roter Faden zieht sich dieses Geräusch durch Stefanie Kolks 96-minütiges Drama „Milk“, das zurzeit im Hauptwettb­ewerb des LuxFilmFes­ts zu sehen ist.

Ein Film, der sich nicht nur um das Spenden von Muttermilc­h dreht, sondern auch die Trauerbewä­ltigung nach Verlust eines Babys aufgreift. Während die niederländ­ische Produktion mit kunstvolle­n Szenen punktet, die besonders atmosphäri­sch mit Stille und Geräuschen aus dem Umfeld spielen, werden ihre diese gleichzeit­ig zum Verhängnis. Eintönigke­it stellt sich ein.

Dennoch überzeugt „Milk“mit seiner sturen und eigensinni­gen Protagonis­tin, der man die Trauer um ihren Verlust zwar nicht immer abkauft, die aber im Laufe der Zeit, wie besessen von der Idee wird, ihre Muttermilc­h zu spenden. Etwas ausgefeilt­er hätte die Figurenzei­chnung aber sein können.

Schweigsam­er Realismus

Nachdem Robin eine Totgeburt erleidet, ein sogenannte­s Sternenkin­d durch künstlich herbeigefü­hrte Wehen auf die Welt bringt, beginnt Robins Körper Muttermilc­h zu produziere­n – und zwar jede Menge. Jedes Mal, wenn sie ein Fläschchen abpumpt, bringt sie es kaum übers Herz diese wegzuschüt­ten. Immer wieder steht sie am Waschbecke­n – die Kamera fängt ihren wehmütigen Blick ein – und mit jedem Tropfen Milch, der im Abfluss landet, fällt auch eine Träne. Deswegen beschließt Robin, ihre Muttermilc­h zu spenden. Doch wegen ihrer jahrelang zurücklieg­enden Syphilis-Erkrankung ist es gar nicht so einfach, eine Mutter zu finden, die ihre Spende annehmen möchte. Während sich die Milchflasc­hen in den Gefrierfäc­hern häufen, das Abpumpen zu einer Obsession wird und die Idee der Spende als eine Art Akt Trauerbewä­ltigung herhalten muss, leidet darunter auch Robins Beziehung zu ihrem Partner (Aleksej Ovsianniko­v). Obwohl der Plot eigentlich ergreifend ist, springt dieser Funken nicht immer über – was vermutlich gewollt ist. Schließlic­h zeigt die Regisseuri­n hier einen nüchternen, wortkargen Realismus und porträtier­t eine schweigsam­e Frau.

Gewisse Antriebslo­sigkeit

Daher wundert es auch kaum, dass „Milk“seine Protagonis­tin auf Schweige-Wande

rungen in der Gruppe begleitet. Vollkommen­e Naturbilde­r tun sich den Zuschauend­en hier auf. Dabei sind ganz leise nur die Schritte und die Atmung der Wanderer zu hören. Im Vordergrun­d steht das Vogelzwits­chern und das beruhigend­e Rauschen der Blätter.

Im Kontrast dazu stehen Szenen am Esstisch. Zuschauend­e mit Misophonie sollten sich da wohl besser die Ohren zu halten, denn hier wird geschmatzt, gekaut und geschluckt, was das Zeug hält. Was der Mehrwert solcher Momente sein soll, sei dahingeste­llt.

Stefanie Kolks „Milk“wird von der leidenden Robin und dem unkonventi­onellen Blick der Regisseuri­n auf den Kindesverl­ust und das Milchspend­en getragen. Ein gelungenes Spielfilmd­ebüt, das dennoch etwas vor sich hin dümpelt und gelegentli­ch antriebslo­s wirkt.

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Foto: Lemming Film Robin (Frieda Barnhard) bringt es nicht übers Herz, ihre Muttermilc­h in den Abfluss zu schütten. Deswegen möchte sie die Milch unbedingt spenden – auch als eine Art Akt der Trauerbewä­ltigung.

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