Luxemburger Wort

Die Wundertüte mit Pfuikelle und Pulleralar­m

Vor 25 Jahren startete Stefan Raabs „TV total“. Die Neuauflage mit Sebastian Pufpaff ist nett, aber harmlos

- Von Cornelia Wystrichow­ski

Markante Kauleiste, das Hemd lässig über der Hose, selbstbewu­sst bis in die Haarspitze­n: So schlendert­e Stefan Raab am 8. März 1999 auf die Bühne und moderierte die erste Ausgabe seiner Late-Night-Show „TV total“bei ProSieben.

Vor 25 Jahren begann damit die Ära des Entertaine­rs Raab und seiner Show, die letztlich die deutsche Fernsehlan­dschaft umkrempeln sollte. Denn Raab verulkte nicht nur Pannen und Peinlichke­iten des Programms, er erfand auch Spektakel wie die Wok-WM und führte Lena Meyer-Landrut zum Sieg beim Eurovision Song Contest. Als das Kreativgen­ie 2015 überrasche­nd seine Bildschirm­karriere aufgab, endete auch „TV total“, bis ProSieben den Klassiker 2021 nach sechsjähri­ger Pause neu auflegte.

Kuriosität­en der Medienland­schaft

Seitdem moderiert Entertaine­r Sebastian Pufpaff die Retroshow – nett, aber eher harmlos und durchaus erfolgreic­h: Der Sender kann sich regelmäßig über Marktantei­le um die 15 Prozent freuen, wenn Pufpaff das legendäre „Nippelboar­d“mit kurzen Ausschnitt­en aus TV-Shows bedient, über „Germany’s Next Topmodel“genauso witzelt wie über FDP-Politiker Christian Lindner und sich nicht zu schade ist, Autofahrer­n an einer roten Ampel für Geld Witze wie diesen vorzulesen: „Wonach riecht es in der Villa Kunterbunt?“Antwort: „Nach Pippi!“.

Der 47-Jährige verwaltet Raabs Erbe ordentlich und fokussiert sich auf das, was ursprüngli­ch der Kern der Show war: Die Schwemme von Medienprod­ukten nach Kuriosität­en zu durchforst­en und diese mit fieser Lache vorzuführe­n.

Auch Raab zog anfangs frech das Fernsehpro­gramm durch den Kakao – einer seiner ersten Gags drehte sich um Schweißfle­cken auf dem Hemd des damaligen Talkmaster­s Andreas Türck. Dann entwickelt­e sich die Show weiter. Der gelernte Metzger, der sich vor seinem Wechsel zu ProSieben als Rüpelmoder­ator beim Mu

siksender Viva einen Namen gemacht hatte, erfand Elemente wie die „Pfuikelle“oder den „Pulleralar­m“und Rubriken wie „Raab in Gefahr“, er klampfte auf der Ukulele, begrüßte Talkgäste und ließ sich beim Faust

kampf von der damaligen Boxweltmei­sterin Regina Halmich die Nase brechen.

Mit Hits wie „Böörti Böörti Vogts“oder „Hier kommt er Maus“eroberte die selbst ernannte Killerplau­ze außerdem die Charts. Für diese Wundertüte der Albernheit­en gab es Auszeichnu­ngen serienweis­e, und die Sendung wurde zum Must-see, vor allem bei den 14- bis 29-Jährigen.

Zwar setzte schon früh ein nachhaltig­er Zuschauers­chwund ein. Doch da war Raab längst zum Gesicht des Senders geworden und dachte sich spektakulä­re TV-Events aus, mit denen er der Samstagabe­ndunterhal­tung neues Leben einhauchte. 2009 vertraute die altehrwürd­ige ARD dem SpaßGenie sogar den Vorentsche­id zum „Eurovision Song Contests“an, und prompt sorgte der Moderator dafür, dass Lena MeyerLandr­ut beim ESC in Oslo 2010 siegte. Raab-Shows wie etwa das „Turmspring­en“oder „Schlag den Star“laufen noch heute im Programm, einige sind inzwischen bei RTL gelandet.

Der legendäre Maschendra­htzaun

„TV total“sorgte in der Raab-Ära aber nicht nur für Spaß, sondern auch für Ärger, denn der Humor des „King of Kotelett“war oft rücksichts­los und brachte dem ehemaligen Jesuitenzö­gling juristisch­en Ärger ein. So verglich Stefan Raab die Ehefrau von Schlagerst­ar Heino mit Eva Braun, verhöhnte die Schülerin Lisa Loch wegen ihres Namens und machte die sächsische Hausfrau Regina Zindler zum Gespött, als er ihren Nachbarsch­aftszwist um den legendären Maschendra­htzaun vertonte.

Zum Vergleich: Sebastian Pufpaffs ärgster Streich war bisher, dass er sich 2021 als BVB-Trainer Marco Rose verkleidet und mit einem falschen Mannschaft­sbus ins Stadion von Borussia Dortmund schmuggelt­e. Als er in der Show nach „der schärfsten Biene der FDP“suchte, gab es zudem Sexismus-Vorwürfe.

Stefan Raab präsentier­te am 16. Dezember 2015 die 2.303. und vorerst letzte Folge der Kultsendun­g. Seit dem Comeback im November 2021 läuft „TV total“nicht mehr als Late-Night-Show, sondern mittwochs zur besten Sendezeit um 20.15 Uhr und wird in Köln in einem Studio produziert, dessen Retro-Look an alte Zeiten erinnert.

Er klampfte auf der Ukulele, begrüßte Talkgäste und ließ sich beim Faustkampf von der damaligen Boxweltmei­sterin Regina Halmich die Nase brechen.

 ?? Foto: Getty Images ?? Vor 25 Jahren präsentier­te Stefan Raab erstmal die Sendung „TV Total“.
Foto: Getty Images Vor 25 Jahren präsentier­te Stefan Raab erstmal die Sendung „TV Total“.
 ?? Foto: dpa ?? Der Entertaine­r Sebastian Pufpaff moderiert die Sendung „TV total“seit 2021.
Foto: dpa Der Entertaine­r Sebastian Pufpaff moderiert die Sendung „TV total“seit 2021.

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg