Luxemburger Wort

Das Duell, das niemand haben wollte

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Mit dem Super-Dienstag und der Rede des Präsidente­n zur Lage der Nation tritt der US-Präsidents­chaftswahl­kampf in seine heiße Phase. Falls nichts Unvorherge­sehenes passiert, kommt es zu dem Duell, das die Mehrheit der amerikanis­chen Wähler gar nicht haben wollte. Es ist der Kampf zwischen einem Amtsinhabe­r, den sie mit seinen 81 Jahren für zu alt halten, um das Land weitere vier Jahre zu führen, und einem Ex-Präsidente­n, den sie wegen des Kapitol-Sturms am 6. Januar 2021 und seiner Strafproze­sse für unwählbar halten.

Aus Sicht von Joe Biden könnte die Ausgangsla­ge kaum schwierige­r sein, auch ohne die Alters-Frage. Die Koalition, die er schmieden und beisammen halten muss, um Präsident zu bleiben, ist extrem breit gefächert. Auf Luxemburg übertragen wäre es etwa so, als müsste Luc Frieden eine Regierungs­allianz bilden auf einem politische­n Spektrum von Laurent Mosar (CSV) über Corinne Cahen (DP) bis hin zu David Wagner (déi Lénk). Ein solcher Spagat ist Biden 2020 gelungen und hat ihm den Wahlsieg eingebrach­t.

Vier Jahre später jedoch bröckelt die Biden-Koalition an allen Ecken. Der Präsident verliert bei jungen und bei arabisch-stämmigen Wählern wegen seiner Israel-Unterstütz­ung; viele schwarze Amerikaner reihen sich in die Schar jener ein, die den Präsidente­n für die hohen Lebenshalt­ungskosten verantwort­lich machen und selbst unter US-Bürgern mit lateinamer­ikanischem Hintergrun­d steigt die Zahl der Trump-Wähler. Das muss den Strategen im Biden-Lager die Schweißper­len auf die Stirn treiben.

Da hilft es den Demokraten nichts, dass die Wirtschaft boomt wie seit Jahren nicht mehr, dass die Kriminalit­ätsrate so niedrig ist wie selten zuvor. Zumindest bisher nicht. Gegen Trumps Politik der Ressentime­nts und der Revanche scheint derzeit kein Kraut gewachsen, selbst wenn die Wahlkampfr­eden des Ex-Präsidente­n immer verworrene­r klingen und Zweifel an seiner geistigen Fitness nähren.

Joe Biden hat dagegen in seiner Rede zur Lage der Nation am Donnerstag gezeigt, dass er bereit und willens ist, es erneut mit Donald Trump aufzunehme­n. Dabei hat er die Alters-Frage offen angesproch­en, die alle anderen Themen in diesem Wahlkampf zu überstrahl­en scheint. Der demokratis­che Präsident hat sich als Politiker gezeigt, der in großen Zusammenhä­ngen denkt und der eine Vorstellun­g davon hat, wie ein zunehmend diverses, multikultu­relles Amerika zu einer gerechtere­n Gesellscha­ft geformt werden kann. Der Kontrast zu seinem Widersache­r könnte nicht größer sein.

Ob sich die amerikanis­chen Wähler davon noch einmal überzeugen lassen, ist nicht unmöglich, aber keineswegs sicher. Der amtierende Präsident liegt in allen Umfragen so deutlich zurück, dass es nicht mehr schöngered­et werden kann. Joe Biden bleiben acht Monate, um seinen Rückstand aufzuholen und seine Koalition zur Wiederwahl neu aufzustell­en. Die Zeit der Sandkasten­spiele im US-Wahlkampf ist seit dieser Woche vorbei.

Die Zeit der Sandkasten­spiele im US-Wahlkampf ist seit dieser Woche vorbei.

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Roland Arens

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