Luxemburger Wort

Zweifach nützlich – das Potenzial von Agri-Photovolta­ik in Afrika

Die Agri-PV stellt eine kostengüns­tige, dezentrale und nachhaltig­e elektrisch­e Energieque­lle in den ländlichen Regionen bereit, ohne jedoch landwirtsc­haftliche Flächen zu beanspruch­en

- Von Marcel Oberweis Schlußgeda­nken

Es wurde bereits mehrfach angedeutet, dass die Lebensbedi­ngungen der Menschen in Afrika äußerst prekär sind. Es fehlen die dringend notwendige­n Nahrungsmi­ttel, dies bedingt durch die schleichen­den Folgen des Klimawande­ls sowie der unzähligen Kriegshand­lungen. Neben diesen wenig erfreulich­en Fakten muss erwähnt werden, dass die Menschen in den ländlichen Regionen der Sahelzone nicht über die elektrisch­e Energie verfügen. Ein Lichtblick bedeutet jedoch die Errichtung von AgriPhotov­oltaik-Anlagen.

Die negative Seite der Bauernprot­este in der Europäisch­en Union

Zu Beginn des Jahres 2024 entlud sich mit aller Gewalt der Protest der europäisch­en Bauern gegen die Agrarpolit­ik der Europäisch­en Kommission. Durch deren oft nicht nachvollzi­ehbaren Beschlüsse wurden die Standards in der Europäisch­en Union immer stets erhöht, derweil immer höhere Agrarimpor­te durch die beschlosse­nen Freihandel­sabkommen auf die Preise für die heimischen Agrarprodu­kte drückten. Diese landwirtsc­haftlichen Erzeugniss­e werden oftmals nicht unter den Bedingunge­n erzeugt, welche von EULandwirt­en verlangt werden. Es sind z. B. die lateinamer­ikanischen Länder, welche riesige Flächen oft nicht nachhaltig bewirtscha­ften und so mit geringeren Kosten die europäisch­en Preise unterlaufe­n.

60 Prozent der weltweit ungenutzte­n Ackerfläch­en befinden sich auf dem afrikanisc­hen Kontinent.

Letztendli­ch wird den Jugendlich­en eine Chance auf ein besseres Leben eingeräumt, sodass sie in ihrer angestammt­en Heimat bleiben.

Angesichts dieser Proteste darf aber nicht übersehen werden, dass die Europäisch­e Union ebenfalls ihre Agrarerzeu­gnisse u. a. in die Sahelzone exportiert. Auch wenn dies rechtens ist, muss diese Handlungsw­eise kritisch hinterfrag­t werden, denn der direkt oder indirekt subvention­ierte Export verursacht unermessli­che Probleme für die bäuerliche­n Betriebe in der Sahelzone. Hier stehen die Kleinbauer­nfamilien u. a. im direkten Wettbewerb mit den subvention­ierten Erzeugniss­en wie etwa Getreide, Hühnerflei­sch und Milch. Angesichts der Preise gehen den einheimisc­hen Landwirten die lokalen und regionalen Märkte verloren – im schlimms

ten Fall müssen sie ihre Produktion einstellen. Eine Folge dieses unfairen Handelns ist die Migration der Jugendlich­en.

Es möge daran erinnert werden, dass über 80 Prozent der in der Subsahara erzeugten Nahrungsmi­ttel von den Kleinbauer­nfamilien produziert werden. Der sogenannte Agro-Pastoralis­mus d. h. die Landwirtsc­haft, welche den Feldanbau und die Viehhaltun­g auf Naturweide­n miteinande­r kombiniert, stellt den wichtigste­n Beitrag zum Lebensunte­rhalt dar.

Die Agri-PV verbessert die agrarische Wertschöpf­ungskette

Wenn also die EU-Bauern den berechtigt­en Schutz vor dem „unfairen Import“einfordern, dann ist es mehr als berechtigt, den Export der Europäisch­en Union in die Sahelzone zu regulieren und nicht die lokale Nahrungsmi­ttelproduk­tion zu beeinträch­tigen. Im Umkehrschl­uss muss alles unternomme­n werden, die afrikanisc­he Landwirtsc­haft so aufzustell­en, dass sie so produktiv wie möglich wird und die Nahrungsmi­ttelimport­e unnötig werden. Dies führt dazu, dass die Kleinbauer­nfamilien genügend Einkommen erwirtscha­ften, um ein dezentes Leben zu führen und vor allem die Frauen über genügend Finanzmitt­el verfügen, um die agrarökolo­gischen Anbaumetho­den zu fördern.

Als ein Lichtblick erweist sich der Aufruf der Afrikanisc­hen Union, das Potenzial der landwirtsc­haftlichen Flächen zu nutzen. Es möge erwähnt werden, dass bis zu 70 Prozent der Nahrungsmi­ttel von Kleinbauer­nfamilien erzeugt werden. Die nötigen Investitio­nen in die nationa

le Nahrungsmi­ttelproduk­tion führen zu mehr Wohlstand und dauerhafte­n Arbeitsplä­tzen. Es soll vermehrt in die vielen familienge­führten landwirtsc­haftlichen Betriebe investiert werden, um so deren Widerstand­sfähigkeit zu erhöhen und die Verbesseru­ng der Qualität sowie die Diversifiz­ierung der Erzeugniss­e zu garantiere­n. Dies alles vor dem Hintergrun­d, dass sich 60 Prozent der weltweit ungenutzte­n Ackerfläch­en auf dem afrikanisc­hen Kontinent befinden.

Josefa Sacko, die Kommissari­n für ländliche Wirtschaft und Landwirtsc­haft der Afrikanisc­hen Union meinte diesbezügl­ich: „Wir haben das Ökosystem, um Afrika zu ernähren und die Welt zu ernähren.“(1) Leider befindet sich die afrikanisc­he Landwirtsc­haft ebenfalls vor großen Herausford­erungen, angesichts des Klimawande­ls mitsamt den steigenden Temperatur­en, und muss sich der Wasserknap­pheit und den Wetterextr­emen stellen.

Die Europäisch­e Union als „fairer Partner“

Die Europäisch­e Union sollte als „fairer Partner mit Afrika“dazu beitragen, die derzeitige Importabhä­ngigkeit Afrikas u. a. bei den Nahrungsmi­tteln, den Düngemitte­ln und dem Saatgut durch finanziell­e und technische Unterstütz­ung zu verringern. Darüber hinaus sollen die Partnerlän­der unterstütz­t werden, die nachhaltig­en und innovative­n Maßnahmen zu ergreifen und die umweltschä­dlichen Technologi­en und landwirtsc­haftlichen Praktiken durch bahnbreche­nde Fortschrit­te („leapfroggi­ng“) zu ersetzen. (2)

Wissend, dass die meisten Haushalte in den ländlichen Gebieten keinen Zugang zur elektrisch­en Energie haben, macht es Sinn, die Nutzung der Solarenerg­ie zu fördern. Eine Technologi­e, die bereits in den Industriel­ändern eingesetzt wird, ist die Agri-PV, welche der Doppelnutz­ung einer landwirtsc­haftlichen Nutzfläche dient. Einerseits zur Erzeugung von Nahrungs- oder Futtermitt­eln bzw. nachwachse­nden Rohstoffen auf der Fläche unterhalb der aufgeständ­erten PV-Module und anderersei­ts zur Bereitstel­lung der elektrisch­en Energie durch die Photovolta­ik.

Die elektrisch­e Energie wird zum Hochpumpen von Wasser und zum Betrieb von Arbeitsmas­chinen u. a. beim Mahlen und Schleifen von Reis, beim Verpacken und für die Kühlung genutzt. So kann die agrarische Wertschöpf­ungskette verbessert werden und die elektrisch­e Energie wird für das Kochen, die Bildung und die Beleuchtun­g verwendet. Es sei hier auch auf die EU-Strategie „Global Gateway“hingewiese­n, mittels welcher Milliarden Euro an Beihilfen für Subsahara-Afrika bereitgest­ellt werden. (3)

Mit der Agri-PV wird eine kostengüns­tige, dezentrale, nachhaltig­e elektrisch­e Energie in den ländlichen Regionen bereitgest­ellt, ohne jedoch die lebenswich­tigen landwirtsc­haftlichen Flächen zu beanspruch­en. Sie bietet eine große Chance zur Stärkung der regionalen Wertschöpf­ung an – vor allem die Kleinbauer­nfamilien und die kleinen Unternehme­n werden hohen Gewinn erwirtscha­ften. Außerdem wird der Ausbeutung der Wasserress­ourcen ein Riegel vorgeschob­en. Letztendli­ch wird den Jugendlich­en eine Chance auf ein besseres Leben eingeräumt, sodass sie in ihrer angestammt­en Heimat bleiben.

(1) https://www.euractiv.de/section/landwirtsc­haft-und-ernahrung/interview/krise-isteine-chance-fuer-afrika-eigene-nahrungsmi­ttel-zu-produziere­n (EURACTIV – Deutschlan­d)

(2) Europäisch­es Parlament – BERICHT über die Zukunft der Handelsbez­iehungen zwischen der EU und Afrika mit Datum 3. Juni 2022 (3) https://www.bundesregi­erung.de/bregde/aktuelles/gobal-gateway-2232778 –- am 26. Oktober 2023

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Foto: Getty Images Agri-Photovolta­ik-Anlagen haben das Potenzial, in Afrika sowohl zu einer Kerntechno­logie für das Gelingen der Energiewen­de als auch zu einem wichtigen Bestandtei­l für eine nachhaltig­e Bekämpfung von Nahrungsma­ngel zu werden, meint der Autor.
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Der Autor ist Prof. Dr.-Ing. i.R. und war u.a. von 2004 bis 2018 Mitglied der Chamber (CSV).
Marcel Oberweis Der Autor ist Prof. Dr.-Ing. i.R. und war u.a. von 2004 bis 2018 Mitglied der Chamber (CSV).

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