1.291 unbearbeitete Verbrechen, doch Kriminalpolizisten observieren Bettler
Generalstaatsanwältin Martine Solovieff fordert von Innenminister Léon Gloden, spezialisierte Ermittler nicht mehr bei Anti-Bettler-Aktion einzusetzen
880 Arbeitsstunden hätten die Ermittler der Kriminalpolizei zwischen dem 29. Januar und dem 29. Februar damit verbracht, in der Hauptstadt nach Bettlern Ausschau zu halten, schreibt Generalstaatsanwältin Martine Solovieff am Donnerstag in einem Brandbrief an Innenminister Léon Gloden (CSV). Sie kritisiert dessen Polizeiorder im Zusammenhang mit dem „Heescheverbuet“scharf.
110 Beamte aus praktisch allen Abteilungen der Kriminalpolizei seien für Einsätze gegen die „so genannte ‚organisierte‘ Bettelei“abgezogen worden – und die Justizbehörden, denen diese spezialisierten Ermittler eigentlich zugeordnet sind, hätten davon erst aus der Presse erfahren. Dabei müsste für deren Einsatz eigentlich erst einmal bekannt sein, um welche Delikte es sich handelt. „Die Verfolgung der Opfer von Bettelei ist sicherlich keine adäquate Antwort auf diese Form der Kriminalität“, stellt die Generalstaatsanwältin fest.
In dem vierseitigen Schreiben, das als Kopie auch an Justizministerin Elisabeth Margue (CSV) ging, verweist Solovieff zudem ausführlich und energisch auf die in der Verfassung verankerte Gewaltenteilung: Die Weisungsbefugnis für strafrechtliche Ermittlungen liege bei den Justizbehörden.
Martine Solovieff lässt keinen Zweifel daran, wie ernst die Lage ist. „108 Fälle von allgemeiner Kriminalität, 43 Fälle von sexuellem Missbrauch, 283 Fälle von Jugendkriminalität, 72 Fälle von Geldwäsche, 320 Fälle von Wirtschafts- und Finanzkriminalität und 465 Fälle der Abteilung für Ausbildung, Unterstützung und Methoden in den Bereichen Wirtschaft und Finanzen seien derzeit unberührt in der Warteschleife. „Es ist klar, dass ein Großteil dieser Fälle nie bearbeitet wird“, betont Solovieff.
Für 2026 stehe zudem eine GafiÜberprüfung an, bei der das Großherzogtum Rechenschaft ablegen und Ergebnisse im Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung vorwei
: Es ist klar, dass ein Großteil dieser Fälle nie bearbeitet wird. Martine Solovieff, Generalstaatsanwältin
sen müsse. Als oberste Priorität definiere Gloden aber stattdessen die Bettelei in Luxemburg-Stadt.
„Das Ergebnis ist beeindruckend: Zwei Protokolle sind bei der Staatsanwaltschaft Luxemburg eingegangen, darunter eine Selbstanzeige, die ich nicht kommentieren werde“, schreibt Martine Solovieff.
Deshalb fordert die Generalstaatsanwältin nun Léon Gloden auf, den Einsatz der Polizei zu überdenken und alle Abteilungen der Kriminalpolizei vom Sonderaktionsplan zu entlasten, damit die Beamten wieder ihre Aufgaben als spezialisierte Ermittler wahrnehmen können.