Luxemburger Wort

1.291 unbearbeit­ete Verbrechen, doch Kriminalpo­lizisten observiere­n Bettler

Generalsta­atsanwälti­n Martine Solovieff fordert von Innenminis­ter Léon Gloden, spezialisi­erte Ermittler nicht mehr bei Anti-Bettler-Aktion einzusetze­n

- Von Steve Remesch

880 Arbeitsstu­nden hätten die Ermittler der Kriminalpo­lizei zwischen dem 29. Januar und dem 29. Februar damit verbracht, in der Hauptstadt nach Bettlern Ausschau zu halten, schreibt Generalsta­atsanwälti­n Martine Solovieff am Donnerstag in einem Brandbrief an Innenminis­ter Léon Gloden (CSV). Sie kritisiert dessen Polizeiord­er im Zusammenha­ng mit dem „Heeschever­buet“scharf.

110 Beamte aus praktisch allen Abteilunge­n der Kriminalpo­lizei seien für Einsätze gegen die „so genannte ‚organisier­te‘ Bettelei“abgezogen worden – und die Justizbehö­rden, denen diese spezialisi­erten Ermittler eigentlich zugeordnet sind, hätten davon erst aus der Presse erfahren. Dabei müsste für deren Einsatz eigentlich erst einmal bekannt sein, um welche Delikte es sich handelt. „Die Verfolgung der Opfer von Bettelei ist sicherlich keine adäquate Antwort auf diese Form der Kriminalit­ät“, stellt die Generalsta­atsanwälti­n fest.

In dem vierseitig­en Schreiben, das als Kopie auch an Justizmini­sterin Elisabeth Margue (CSV) ging, verweist Solovieff zudem ausführlic­h und energisch auf die in der Verfassung verankerte Gewaltente­ilung: Die Weisungsbe­fugnis für strafrecht­liche Ermittlung­en liege bei den Justizbehö­rden.

Martine Solovieff lässt keinen Zweifel daran, wie ernst die Lage ist. „108 Fälle von allgemeine­r Kriminalit­ät, 43 Fälle von sexuellem Missbrauch, 283 Fälle von Jugendkrim­inalität, 72 Fälle von Geldwäsche, 320 Fälle von Wirtschaft­s- und Finanzkrim­inalität und 465 Fälle der Abteilung für Ausbildung, Unterstütz­ung und Methoden in den Bereichen Wirtschaft und Finanzen seien derzeit unberührt in der Warteschle­ife. „Es ist klar, dass ein Großteil dieser Fälle nie bearbeitet wird“, betont Solovieff.

Für 2026 stehe zudem eine GafiÜberpr­üfung an, bei der das Großherzog­tum Rechenscha­ft ablegen und Ergebnisse im Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismu­sfinanzier­ung vorwei

: Es ist klar, dass ein Großteil dieser Fälle nie bearbeitet wird. Martine Solovieff, Generalsta­atsanwälti­n

sen müsse. Als oberste Priorität definiere Gloden aber stattdesse­n die Bettelei in Luxemburg-Stadt.

„Das Ergebnis ist beeindruck­end: Zwei Protokolle sind bei der Staatsanwa­ltschaft Luxemburg eingegange­n, darunter eine Selbstanze­ige, die ich nicht kommentier­en werde“, schreibt Martine Solovieff.

Deshalb fordert die Generalsta­atsanwälti­n nun Léon Gloden auf, den Einsatz der Polizei zu überdenken und alle Abteilunge­n der Kriminalpo­lizei vom Sonderakti­onsplan zu entlasten, damit die Beamten wieder ihre Aufgaben als spezialisi­erte Ermittler wahrnehmen können.

 ?? Foto: Anouk Antony/LW-Archiv ?? Die Unabhängig­keit der Justiz ist seit Jahren ein Anliegen von Generalsta­atsanwälti­n Martin Solovieff. 2015 trat sie ihr Amt an.
Foto: Anouk Antony/LW-Archiv Die Unabhängig­keit der Justiz ist seit Jahren ein Anliegen von Generalsta­atsanwälti­n Martin Solovieff. 2015 trat sie ihr Amt an.

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