Eine Frau in den Klauen des Nationalsozialismus
Die Regisseurin Barbara Albert spricht über ihren Film „Die Mittagsfrau“. Eine Luxemburger Koproduktion, die beim LuxFilmFest präsentiert wurde
Was macht das mit einem Menschen, wenn er sich dazu genötigt sieht, eine neue Identität anzunehmen? Wie war es, als jüdische Frau im Deutschland der 20er- und 30erJahre zu leben? Der Unmenschlichkeit der Nationalsozialisten ausgeliefert zu sein? Seine Freiheit und Selbstbestimmtheit aufzugeben, nur um zu überleben? Antworten auf diese Fragen bietet Barbara Alberts neustes Historiendrama, „Die Mittagsfrau“– eine Luxemburger Koproduktion von Iris Productions.
Die Verfilmung von Julia Francks gleichnamigen Roman, der 2007 mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet wurde, erzählt die Geschichte von Helene, die in das dekadente Berlin der Weimarer Republik zieht, um Ärztin zu werden. Hier lernt sie ihren Verlobten Karl kennen. Als dieser jedoch bei einer Kundgebung vor dem Reichstag erschossen wird, die Nationalsozialisten allmählich die Macht erlangen, sieht Helene keinen anderen Ausweg, als ihre jüdischen Wurzeln geheim zu halten. Als Wilhelm, ein Offizier der Luftwaffe um ihre Hand anhält, willigt sie die Heirat ein, da er ihr neue Papiere beschaffen kann. Sie nimmt eine „arische“Identität an.
Dass die Identität sowohl im Roman als auch im Film eine wichtige Rolle spielt, betont Barbara Albert kurz vor der Luxemburger Premiere von „Die Mittagsfrau“im Rahmen des LuxFilmFests. Das „Luxemburger Wort“hat die österreichische Regisseurin und Drehbuchautorin im Konrad Café in Luxemburg-Stadt getroffen und mit ihr über den historischen Film mit Bezug auf die Gegenwart, Selbstbestimmung so
wie den Dreh – der unter anderem in Luxemburg stattfand – gesprochen.
Warnung vor dem Rechtsruck
„Das ist mein zweiter historischer Film. Und ich muss sagen, ich arbeite sehr gerne historisch“, erklärt Barbara Albert, während sie zu ihrer Tasse Espresso greift. Ihr erster Historienfilm, „Licht“(2017), hat im 18. Jahrhundert gespielt und da habe es sogar noch längere Vorbereitungen gegeben. Dabei hat sie seit 2014 an „Die Mittagsfrau“gearbeitet. Was die Regisseurin so an der Arbeit an historischen Filmen fasziniert? „Ich finde die Genauigkeit des historischen Arbeitens sehr schön. Eigentlich müsste man das auch bei einem zeitgenössischen Film machen. Aber bei historischen Filmen musst du dich halt fragen, was sind die Zeichen, die ich setzen kann, damit ich diese Zeit spüre? Und das finde ich eine wahnsinnig tolle Herausforderung.“
Dennoch wollte sie mit ihrem aktuellen Werk, mit der deutschen Schauspielerin Mala Emde in der Hauptrolle, keineswegs eine archaische Story auf die große Leinwand bringen. „Ich will mit dem Film na
Wir müssen auf unser Europa aufpassen. Barbara Albert, Regisseurin
türlich nicht sagen, das ist eine Geschichte, die ist lange vorbei und vergangen. Sondern ich möchte schon vermitteln, dass diese Geschichte heute noch etwas mit uns zu tun hat. Wir leben in einer Welt, die auch die Folge aus dieser Zeit ist.“
Dabei verweist Barbara Albert darauf, wie wichtig es sei, dass sich die Geschichte nicht noch einmal wiederhole: „Wir müssen wachsam sein. ,Wehret den Anfängen‘ ist einfach ein Satz, der stimmt. Wir müssen auf unser Europa aufpassen.“Damit macht die Regisseurin auf den wachsenden Rechtsruck in vielen europäischen Ländern aufmerksam, wobei sie die aktuelle Zeit dennoch nicht mit den 1930ern gleichsetzen würde.
Dreh und Postproduktion in Luxemburg
Gleichzeitig reißt Barbara Albert mit „Die Mittagsfrau“Themen wie Emanzipation und weibliche Selbstbestimmtheit an. „Mir geht es auch viel um die Freiheit des weiblichen Körpers und die Selbstermächtigung der Frauen. Auch in der heutigen Zeit, in der Frauen in vielen Ländern immer noch unterdrückt werden, in denen eine Frau eben nicht selbstverständlich sein darf und ein ,Mensch zweiter Klasse‘ ist. Das macht mich wütend und erschüttert mich. Und das sind eben Dinge, die ich in einem Film andeuten kann“, betont die Regisseurin, die seit 2014 an der Verfilmung des Romans gearbeitet hat.
Und wie sieht es mit Themen wie „Regretting Motherhood“aus? Immerhin verstößt die Roman- und Filmprotagonistin ihr Kind. „Postnatale Depression und ,Regretting Motherhood‘ sind nicht mit Helenes Situation zu verwechseln. Eigentlich wollte Helene schon vorher keine Kinder bekommen. Und nachher ist sie ja von ihrem Feind, dem Nazi, den sie geheiratet hat, schwanger und bekommt das Kind, das aus einer Vergewaltigung entstanden ist.“
Postproduziert wurde „Die Mittagsfrau“in Luxemburg, so auch der Sound (Philophon). Gedreht wurde das Historiendrama, in dem auch die Luxemburger Schauspielenden Fabienne Elaine Hollwege, Steve Karier und Max Thommes eine Rolle innehabe, teilweise im Großherzogtum. So etwa die Eingangs- und Schlussszene auf dem Bauernhof. „Auch die Aufnahmen, die in der psychiatrischen Klinik spielen und die Szene, in der Helene ihren Jungen am Bahnhof zurücklässt, sind in Luxemburg aufgenommen worden“, so die Regisseurin, für die es bisher die erste Koproduktion mit Luxemburg war.