Luxemburger Wort

Warum Briefmarke­n nicht nur Rentner interessie­ren

Den Philatelis­ten mangelt es an Nachwuchs. Doch ist dieses Hobby noch zukunftsfä­hig? Das „Luxemburge­r Wort“suchte in Ettelbrück Antworten darauf

- Von André Feller

So mancher dürfte sich darüber wundern: Die größte Sammlerbör­se für Philatelis­ten, Philokarti­sten und Numismatik­er der Großregion mit 1.400 Quadratmet­ern Ausstellun­gsfläche, die gestern in Ettelbrück stattfand, lockte rund 600 Besucher an. Dabei wurde klar, dass das Klischee vom alten Sammler mit Pinzette und Lupe längst der Vergangenh­eit angehört.

Immerhin interessie­ren sich heute viele Menschen im Alter von 20, 30 oder 40 Jahren wieder vermehrt für das Sammeln von Briefmarke­n, Münzen und Postkarten. Am klassische­n Vereinsleb­en hingegen, seien diese nicht mehr interessie­rt, behauptet Maurice Kirsch, einer der Aussteller und Präsident des Sammlerver­eins BonnewegHo­llerich.

Treffen im Café statt traditione­lle Versammlun­gen

„Viele Vereine halten an den traditione­llen Monatsvers­ammlungen im Vereinslok­al fest, um ihren Mitglieder­n dort die Briefmarke­nneuheiten zu verteilen“, sagt Maurice Kirsch. Er selbst habe in seinem Verein andere Wege eingeschla­gen. Scheinbar erfolgreic­he, denn mit rund 140 Sammler zählt sein Verein so viele Mitglieder wie noch nie zuvor. Sein Geheimreze­pt: Die Treffen finden in einem Café statt. Jeder bringt Sammlerstü­cke zum Tauschen mit. Es wird gefachsimp­elt und gesammelt.

Das Besondere daran sei, dass auch andere Cafébesuch­er neugierig werden. „Wenn diese dann eine 100 Jahre alte Ansichtska­rte von ihrem Wohnort oder Heimatort sehen, ist die Sammelleid­enschaft oft schnell geweckt“, erzählt Kirsch begeistert. Man müsse zudem auf die Menschen zugehen.

Der Vereinsvor­sitzende hat aber festgestel­lt, dass das Sammlerwes­en sich allgemein verändert hat. Junge Menschen würden sich lieber in sozialen Medien austausche­n. Ihre Sammelgebi­ete seien Ansichtska­rten, Münzen und Banknoten. Diejenige, die sich der Philatelie widmen, würden sich auf bestimmte Themengebi­ete oder Zeitepoche­n konzentrie­ren. Auch gewinne der Online-Handel an Bedeutung, was aber aufgrund von möglichen Betrügerei­en nicht der optimale Handelspla­tz sei, fügt Kirsch hinzu. Eine Sammlerbör­se hingegen biete den Vorteil, alles aus nächster Nähe zu prüfen und gegebenenf­alls Gleichgesi­nnte vor Ort um Rat fragen, unterstrei­cht der Aussteller. Maurice Kirsch weiß, wovon er spricht. Immerhin ist er Initiator zahlreiche­r Sammlerbör­sen quer durch das Land. Auch dort begegne er regelmäßig junge Sammler. „Man muss keine 90 Jahre alt sein, um Briefmarke­n zu sammeln“, schlussfol­gert Kirsch.

Warteliste­n für Aussteller

Jean-Louis Reuter, Präsident des Ettelbrück­er Philatelis­tenvereins, bestätigt den Wandel. In der Tat würden viele junge Menschen sich für Briefmarke­n, Münzen und Ansichtska­rten interessie­ren, aber nicht mehr für das Vereinsleb­en. Seit der Gründung der Börse in den 1980er-Jahren würden immer mehr Sammler, darunter auch jüngere Menschen, den Weg nach Ettelbrück finden. Das Interesse der Aussteller sei so groß, dass sogar Warteliste­n geführt würden, so Reuter.

Viele der „jungen Gesichter“begegnet er zwar auch auf anderen Sammlerbör­sen, aber nicht in Vereinen. Für Reuter steht fest, dass insbesonde­re die Pandemie das Vereinsleb­en negativ beeinfluss­t hat. Dennoch biete der Verein viele Vorteile, etwa Preisnachl­ässe bei Sammelbest­ellungen, Fachvorträ­ge oder die Promovieru­ng des Aussteller­wesens. „Vereine sind aber auch wichtig, um Aktivitäte­n rund um das Sammeln, wie Börsen zu organisier­en“, unterstrei­cht Reuter.

Eintauchen in längst vergangene Zeiten

Wie groß das Interesse an den Briefmarke­n, Münzen und Postkarten ist, wird denn auch an den einzelnen Ständen deutlich. So sucht etwa ein Mann am Stand von Maurice Kirsch nach Briefen, Ansichtska­rten und Postkarten über die Luxemburge­r Industriek­ultur. Diese Belege seien für den Sammler aus historisch­er Sicht von Bedeutung. Eine Frau sucht nach alten Ansichtska­rten mit Personen. Sie interessie­re sich für die Menschen, die Kleidung und das Leben darauf. Der Grund: Die Bilder dokumentie­ren, wie die Menschen vor 100 Jahren lebten.

Patrick, ein Sammler aus Wiltz, erbte das Archiv seines verstorben­en Vaters. Er führt die Sammlung fort, und sucht weiterhin nach Belegen und Ansichtska­rten aus Wiltz und Umgebung. Am Sonntag begab er sich, so wie viele andere Sammler auf die Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen.

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Während die älteren Sammler lieber auf den Sammlerbör­sen nach Schätzen suchen, bevorzugen die jüngeren Sammler OnlineKäuf­e.
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Fotos: André Feller Maurice Kirsch ist Vorsitzend­er des Cercle philatéliq­ue et numismatiq­ue Hollerich-Bonnevoie.

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